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„Prostitution ist die letzte Bastion des Patriarchats“

Sie ist im Februar achtzig geworden, doch ihr Engagement hat nicht nachgelassen: Schwester Lea Ackermann kämpft weiter gegen Prostitution. Ihre Beharrlichkeit hat die Saarländerin zu einer der bekanntesten Ordensfrauen Deutschlands gemacht.

Stefan von Kempis - Cittá del Vaticano

In diesen Tagen hat Lea Ackermann im Vatikan an einer Konferenz gegen Menschenhandel teilgenommen – und war davon ganz angetan, wie sie am Dienstag bei einem Besuch in unserem Studio erzählte. Das Treffen, das von der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften organisiert worden war, habe „neuen Schwung in die Sache gebracht“.

„Wir sind alle Abolitionisten, das heißt, wir sagen: Prostitution ist eine Abwertung, ein Verbrechen gegen (hauptsächlich) Frauen und Kinder. Wir wollen, dass dieses Verbrechen geahndet wird. Wir sind für das Modell, das zuerst in Schweden, aber jetzt auch in Frankreich und acht anderen Ländern wie Kanada angewandt wird – der Sex-Kauf wird verboten. Was mir so gut daran gefällt ist: Man schaut nicht mehr so auf die Frauen und fragt, wie hat sie sich bewegt, oder wie war sie angezogen, sondern man schaut auf den Käufer. Es gibt keinen Markt ohne Käufer! Das war ein Blickwechsel, der mir sehr sympathisch ist.“

„Den Markt stilllegen“

Es sei für sie einfach nicht verständlich, wie Prostitution erlaubt sein könne in Ländern, in denen Mann und Frau als gleichwertig gälten. „Für mich ist Prostitution die letzte Bastion des Patriarchats. Ich freue mich darüber, dass hier jetzt verschiedene Organisationen aus allen Ländern dieser Welt zusammenkommen und sagen: Prostitution ist ein Verbrechen, und man muss den Markt stilllegen.“

Natürlich hofft Schwester Lea Ackermann, dass das sogenannte nordische Modell irgendwann mal auch in Deutschland übernommen wird. Frankreich führte es letztes Jahr ein, aber: „Die Franzosen hatten es etwas leichter als wir in Deutschland; sie hatten eigentlich keine Bordelle. Der größte Widerstand in Deutschland kommt natürlich von den Bordellbesitzern oder –betreibern, die würden dann ihr Geschäft verlieren. Das macht es in Deutschland so schwierig.“

„Keine Frau macht das freiwillig“

Bei der Debatte in Deutschland werde oft argumentiert, dass die meisten Prostituierten doch freiwillig und nicht gezwungen arbeiteten. Doch dazu sagt Lea Ackermann: „Das stimmt einfach nicht! Das ist einfach nicht wahr. Für die Organisation Solwodi, die ich vor 32 Jahren gegründet habe (der Name bedeutet ‚Solidarität mit Frauen in Not‘), habe ich Tausende von Frauen getroffen. Ich kann Ihnen sagen: Keine einzige Frau macht das freiwillig!“ Immer handle es sich um Frauen, die irgendeinen „Knacks in ihrem Leben“ erlebt hätten.

Die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften hat auch viele Juristinnen – konkret Staatsanwältinnen und Richterinnen – für das Thema Prostitution und Menschenhandel zu sensibilisieren versucht. Das ist ein wichtiger Ansatz, findet Schwester Lea Ackermann: „Wenn die denken, dass die Frauen das irgendwie freiwillig machen (irgendwas hat ihnen nicht gepasst, und dann sind sie umgekippt), dann sehen sie auch die Täter ganz anders. Es ist schon wichtig, dass Richter, Staatsanwälte und Polizei die wirkliche Dramatik dieser betroffenen Frauen sehen und diese Abwertung mitkriegen. Diese Frauen sind wirklich traumatisiert, sie sind krank gemacht. Eine Ärztin in Deutschland hat uns gesagt, sie sei so froh, dass es uns gibt; seit zehn Jahren behandelt sie Frauen in der Prostitution, weil die alle krank werden bzw. krank sind. Psychisch und physisch.“

„Was für eine Gesellschaft schaffen wir da?“

Aber auch „die Gegenseite“ werde krank, habe die Ärztin weiter gesagt. „Das hat mich erstaunt, und ich habe gesagt: wieso, Gegenseite? Und sie meinte: Ja, die Freier. Die kriegen ja auch Krankheiten, vor allem werden sie sex-süchtig, sie brauchen immer perversere Praktiken. Und das bringen sie ja auch in ihre Familien. Davon schädigen sie ja auch ihre Frauen und ihre Kinder. Dann denke ich mir: Wenn man so freizügig damit umgeht wie wir in Deutschland – was für eine Gesellschaft schaffen wir da? Auf jeden Fall… eine brutale.“

Die Übergriffe des Kino-Moguls Harvey Weinstein auf Schauspielerinnen in Hollywood und die dadurch ausgelöste „me too“-Kampagne von Frauen, die Ähnliches durchgemacht haben, wundern die engagierte Lea Ackermann nicht wirklich. „Das ist die Haltung von sehr vielen Männern, die sagen: Die Frauen mögen das ja. Die fühlen sich, im Gegenteil, begehrt… Ich glaube, diese Überheblichkeit drückt sich auf diesem Sektor aus. Und dann sind sie ganz erstaunt, dass sich die Frauen beschweren…“ Diese Haltung sei dieselbe, die Männer auch zum Gang ins Bordell bringe; dahinter stehe die „Abwertung der Frau“. „Und deshalb gehören für mich Gesetze her, die diesen Kauf verbieten!“

Auch Diebstahl sei doch verboten, argumentiert die Solwodi-Gründerin. Es werde zwar weiter geklaut. „Aber niemand kommt auf die Idee, zu sagen: Das Gesetz brauchen wir nicht, die klauen ja trotzdem!“ Gesetze seien auch dazu da, die Würde der Menschen zu schützen; sie könne einfach nicht verstehen, dass der deutsche Gesetzgeber nichts gegen das Phänomen Prostitution tue. „Für mich steht viel Geld dahinter – man will sich das Geschäft mit der Ware Frau und Kind nicht verderben lassen.“

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07. November 2017, 12:46