Suche

Norbert Lammert im Bundestag Norbert Lammert im Bundestag 

Norbert Lammert: „Amtskirchen ein Hindernis auf dem Weg der Ökumene“

Das Amtsverständnis der Kirchen ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur Einheit. Darauf hatte der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert im September mit Nachdruck bei einem Vortrag auf dem Ökumenischen Fest in Bochum hingewiesen. Nun war er auf Einladung der Deutschen Botschaft beim Quirinal in Rom, am Dienstagabend hatte er zum Abschluss des Reformationsgedenkens in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell‘Anima in Rom einen Vortrag gehalten.

Bernd Hagenkord SJ - Cittä del Vaticano

In diesem hatte er dazu aufgerufen, auf dem Weg der Ökumene auch nach dem Reformationsgedenkjahr energisch weiter fortzuschreiten. Unser Korrespondent Renardo Schlegelmilch hat Norbert Lammert am Rande der Veranstaltung zum Gespräch gebeten.

RV: Sie hatten [in Bochum, Anm.] davon gesprochen, dass die Christen es sich wünschen, nach 500 Jahren Trennung wieder zusammen zu kommen, dass es aber eher die Amtskirchen sind, die im Weg stehen. Ist das denn Ihrer Meinung nach wirklich das Problem?

Lammert: „Zunächst bin ich ja ganz offenkundig nicht der Einzige, der von dem Bedürfnis spricht, das gefühlte Zusammengehören der Christen auch nach außen sichtbar werden zu lassen; und dies nicht zuletzt durch die gemeinsame wechselseitige Einladung zum Abendmahl. Der Papst hat in der Erklärung mit dem lutherischen Weltbund genau diese Haltung zum Ausdruck gebracht. Soweit ich die Diskussion übersehe, gibt es keine überzeugenden theologischen Argumente, die gegen eine solche Einladung sprechen. In dem unter vielerlei Gesichtspunkten denkwürdigen und eindrucksvollen gemeinsamen Papier des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Reformationsjubiläum werden auch nicht Glaubensunterschiede als Hindernis bezeichnet, sondern das unterschiedliche Amtsverständnis. Das führt dann genau auf den Befund, nach dem Sie mich gefragt haben.“

RV: In gewissem Sinne baut das ja auch Druck auf, wenn Sie als gesellschaftlich und politisch relevante Stimme den kirchlichen Verhandlungspartnern da ein wenig „dazwischen grätschen“, oder?

Lammert: „Nein, ich äußere mich als Christ und nicht als politischer Amtsträger. Ich fühle mich dabei auch ganz und gar nicht in einer exklusiven Rolle, und wenn man dabei – nicht nur, aber insbesondere - die Vielzahl von Veranstaltungen, die es in diesem gemeinsamen Reformationsjubiläumsjahr je einzeln und gemeinsam gegeben hat und die ,Stimmungslage´ der engagierten Katholiken wie Protestanten Revue passieren lässt, dann kommt diese Erwartungshaltung immer wieder ganz unmissverständlich zum Ausdruck.“

„Wir sollten die Freiheit eines Christenmenschen, die ja nicht nur Martin Luther aus guten Gründen beschrieben und beschworen hat, sondern die auch Papst Franziskus immer wieder ausdrücklich reklamiert, nicht nur als Prinzip ernst nehmen.“

RV: Das heißt, wir als ganz normale Katholiken und Protestanten sollten mehr Druck auf die Amtskirchen ausüben?

Lammert: „Jedenfalls sollten wir die Freiheit eines Christenmenschen, die ja nicht nur Martin Luther aus guten Gründen beschrieben und beschworen hat, sondern die auch Papst Franziskus immer wieder ausdrücklich reklamiert, nicht nur als Prinzip ernst nehmen, sondern als verfügbare Handlungsoption wahrnehmen.“

RV: Und wie kommen wir da ihrer Ansicht nach auf dem besten Weg hin?

Lammert: „Die Frage kann ich nicht beantworten und schon gar nicht allgemein verbindlich. Ihre vorherige Frage macht ja schon deutlich, dass dann, wenn sich jemand wie ich dazu äußert, sofort das Missverständnis entsteht, hier solle von Seiten der Politik auf eine kirchliche und religiöse Frage Einfluss genommen werden. Das muss man schon sorgfältig auseinander halten. Den Staat, die politisch verfasste Gesellschaft geht diese Frage beinahe nichts an. Aber diejenigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich gleichzeitig als Katholiken oder Protestanten verstehen, geht sie natürlich in einer ganz unmittelbaren Weise an. Und nach meinem Verständnis nicht zuletzt des II. Vatikanischen Konzils ist dies eben nicht nur eine Zuständigkeit der ,verfassten Amtskirche´, sondern auch des aufgeklärten Volkes Gottes.“

(rv 01.11.2017 rs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

01. November 2017, 16:45