Unser Buchtipp: Daniel Kehlmann, „Tyll“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Der Leser taucht hier tief in das Zeitalter der Glaubensspaltung und des Dreißigjährigen Krieges ein. Vorgeblich ist der Zugang ein spielerischer: Kehlmann macht die Figur des Till Eulenspiegel zum Protagonisten. Doch es ist nicht der Till der bekannten Schwänke; stattdessen zeigt sich an ihm exemplarisch die Zerrissenheit und Gefährdung der ganzen Epoche.
Tills Vater wird wegen Hexerei hingerichtet; der Junge flieht und wird zum Gaukler. Zu seinen Stationen gehören Den Haag, wo er Hofnarr für den „Winterkönig“ Friedrich von der Pfalz ist, und das bayerische Kloster Andechs. Kehlmann führt uns ins Zelt des Schweden Gustav Adolf oder in die Verhandlungen um den Westfälischen Frieden von Münster, aber auch durch die vom Krieg verheerten Landschaften und Dörfer. Wir treffen einen verbohrten Jesuiten, einen Henker, einen sprechenden Esel, eine abgetakelte Königin, ach, und viele weitere, unvergessliche Gestalten.
Ein großes Panorama wird vor unseren Augen entrollt. Das Panorama einer ganzen Epoche. Glaube, Gaukelei, Krieg. Vor allem in den Dialogen zeigt sich Kehlmanns ganze Meisterschaft. Wie gesagt: ein Ausnahme-Roman.
Daniel Kehlmann, Tyll. Rowohlt Verlag, ca. 23 Euro
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