Suche

Menschen in der Zeit: Maria Menz Menschen in der Zeit: Maria Menz 

Menschen in der Zeit - Maria Menz

Maria Menz ist relativ wenigen Menschen bekannt und trotzdem ist sie Inhaberin des Droste-Preises genauso wie Dorothee Sölle, Gertrud Leutenegger, Nelly Sachs, und des Johann-Peter-Hebel-Preises genauso wie Elias Canetti, Martin Heidegger und Albert Schweitzer.

Außerdem erhielt sie vom Vatikan den päpstlichen Orden Pro Ecclesia et Pontifice verliehen. Uns hat der berühmte Schriftsteller Martin Walser in seinem “Menschen in der Zeit” - Gespräch auf Maria Menz aufmerksam gemacht. Er selbst hat 25 Jahre lang einen intensiven Briefwechsel mit der oberschwäbischen Schriftstellerin geführt und ihre ernsthafte Religiosität und ihr mystisches Einfühlungsvermögen bewundert. Eine Sendung von Aldo Parmeggiani.

Maria Menz ist relativ wenigen Menschen bekannt und trotzdem ist sie Inhaberin des Droste-Preises genauso wie Dorothee Sölle, Gertrud Leutenegger, Nelly Sachs, und des Johann-Peter-Hebel-Preises genauso wie Elias Canetti, Martin Heidegger und Albert Schweitzer. Außerdem erhielt sie vom Vatikan den päpstlichen Orden Pro Ecclesia et Pontifice verliehen. Uns hat der berühmte Schriftsteller Martin Walser in seinem Radio Vatikan-Geburtstagsgespräch auf Maria Menz aufmerksam gemacht. Er selbst hat 25 Jahre lang einen intensiven Briefwechsel mit der oberschwäbischen Schriftstellerin geführt und ihre ernsthafte Religiosität und ihr mystisches Einfühlungsvermögen bewundert. Maria Menz suchte bei dem literarisch umfassend gebildeten und erfahrenen Martin Walser kollegialen Ratschlag und hat ihn auch stets erhalten. Die Werke von Maria Menz sind die Wegspur eines intensiven Ringens um die Gotteserfahrung und gleichzeitig einer tiefen Erfahrung menschlicher Existenz. Auch ihre Naturgedichte lassen in der Schönheit und Fülle der Natur und ihrer Erscheinungen die Wegspur des Schöpfers aufleuchten, in der Bildkraft der Sprache natürlich. In ihren Mundartgedichten führt sie den Lesern in eine bäuerliche Welt, die, längst versunken, in diesen Gedichten erinnert und bewahrt wird. „Höchste Schule" - so überschrieb Martin Walser den Essay über seine Leseerfahrung mit diesen Versen.

Der Zugang zu Maria Menz ist nicht leicht. Wer ist Maria Menz? Eine bodenständige Heimatdichterin? Eine fromme Intellektuelle? Sie lässt sich nicht in ein vorgefasstes Klischee einfassen. Hören wir zunächst einmal Maria Menz selbst, wie sah sie sich selbst?
„Nicht universal ausgestattet, sondern mit beschränkten, vielleicht auch hoch gesteigerten gewissen Fähigkeiten. Aber es gibt Menschen, die vielfältiger sind als ich. Und ich durfte es immer meinem Kritiker vorlegen, dem ich sehr vertraut habe, Dr. Martin Walser. Insofern war ich froh, nicht allein zu sein, insofern war ich auch wirklich nicht allein."

Maria Menz wurde vor 105 Jahren in Oberessendorf als erstes Kind einer oberschwäbischen Bauernfamilie geboren und wuchs in engerer Verbundenheit mit dem ländlichen Milieu und der katholischen Frömmigkeit ihrer engeren Heimat auf. Nach Abschluss ihrer Schulausbildung absolvierte sie die Krankenpflegeschule in Stuttgart, an der sie 1925 ihr Examen ablegte. Viele Jahre arbeitete sie als Krankenschwester in Stuttgart, Berlin, Leipzig und Wangen im Allgäu bis sie 1942 wegen einer schweren Erkrankung den Beruf aufgeben musste und zu ihren Schwestern auf den elterlichen Hof in Oberessendorf zurückkehrte, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1996 lebte. Begabt mit einer ungewöhnlichen, ebenso eindringlichen wie eigenständigen Sprachkraft versuchte sich Maria Menz schon als Kind an Gedichten und an kleiner Prosa, fand jedoch erst nach Aufgabe ihrer Berufstätigkeit zu intensiver lyrischer Arbeit zurück.

Wenn ich betend eine Wahrheit fasse,
wenn ich sie in Klage zu Dir hebe,
ist es so als ob ich eine Tasse Wasser
einem Meere übergebe.

Ja, wir adressieren an Gott,
wenn wir den vollkommenen Antritt meinen,
den ganzen Aufbruch an den erhabenen Herrn,
den totalen Selbsteinwurf in das Höchste.

Käme ich hinüber in strahlendes Licht,
und fände in diesem Dich nicht
oder nicht Deine Spur,
ich würde erbeben.

Denn Du, allerhöchstes Leben und tiefste Ruh,
mein ewiges Du,
das mein Leben birgt und versöhnt,
Du allein bist erhofft, ersehnt.

In der Zurückgezogenheit ihrer ländlichen Umgebung entstand in der Folge visionäre, religiöse Lyrik, Gedichte über Mensch, Welt und Natur, Erzählungen und Mundartgedichte über das bäuerliche Leben im Jahresablauf.

- schwäbisches Gedicht -

Herr Walser, ist Maria Menz eine religiöse Heimatdichterin?
„Das ist eine Zusammenfügung von mehreren Wörtern. Wenn man damit meint, sie sei eine religiöse Dichterin, die aus dem Erlebnis an Ort und Stelle ihr Sprechen-Wollen und Sprechen-Müssen erfahren hat, kann man das so sagen, wenn man damit nichts lächerlich einschränkendes meint. Ein Heimatdichter ist jeder; Literatur handelt immer von Zeiten des Autors, die vor dem Mündig- und Bewusstwerden liegen, also da war jeder daheim, irgendwo - in Manhattan oder eben in Oberessendorf. Sie ist nun - das zeichnet sie aus und unterscheidet sie von anderen - dazu noch eine religiöse Dichterin. Da die Menschheitsgeschichte hauptsächlich eine Geschichte der Religion ist, da wir uns mit Religion entwickelt haben, da in unserem Jahrhundert unsere religiöse Sprache unheimlich verkümmert ist, ist eine solche Frau mit ihren religiösen Sprachexpeditionen eine ganz wichtige Figur. Wie lange es dauert bis so und so viele Menschen das auch spüren und benutzen, darüber möchte ich nicht im geringsten spekulieren, das kann man sich selbst überlassen. Ich glaube, dass diese Wirkung dieses Werkes weitergeht."


Maria Menz:
„Ich habe eine sehr schwere Jugend gehabt mit viel Arbeit. Wir hatten leider keine Buben, deshalb haben wir sehr viele männliche Arbeiten auch beherrscht. Ich war nun in verschiedenen Städten, sieben Jahre in Leipzig und auch kurze Zeit in Berlin und Stuttgart und in kleineren Städten. Dieser Beruf hat mir Freude gemacht, hat mich aber auch aufgezehrt.

Du gabst mir Kraft und auch Licht
und ich kämpfe.
Aber Größeres gibt's
als ich bezwingen kann.

Da lasse ich fallen die Arme,
in meiner Übergabe rufe ich Deinen Aufbruch,
in meinem Vertrauen löse ich die Schütte Deiner Gnade.

Immer ist in Dir die Fortsetzung deines Vermögens,
wie einfach ist die Anvertrauung.
Sie beweht Deine Gnade so leicht
wie ein Fingerdruck eine überreife blühende Dolde.

Die ganze Fülle schüttet sich,
die herrliche, die bereite.

Ich habe es hier immer verborgen, dass ich schreibe, man hätte es auch nicht verstanden. Ich bin hier sehr isoliert, sehr einfach. Ich hungere manchmal nach einem Gespräch. Jetzt, da ich in den Freundeskreis der Schreibenden getreten bin, bin ich nicht mehr so einsam. Der Schreibende muss ein Echo haben, das ist sein großes Bedürfnis.

Der Hingang

Als Theresia starb, als Cornelia starb,
jede zu ihrer Zeit, jede an ihrem Ort,
verschieden.

In der letzten Viertelstunde noch
bei Puls, Atem und Bewusstsein,
wandelten sich die zermarterten Züge
in blühende Frische.

Es war nicht nur Euphorie und nicht nur
der gewöhnliche Zustand der Gnade.
Es war über allem die hohe Freude des vollkommenen Mutes
zur einst vollzogenen großen Entscheidung mit all ihrem strengen Gefolge.

Und der Erwählte, herrlich und liebend,
stand hinnehmend der Vision an der Stelle.
Und sie gingen, die Geweihten, leuchtend hinüber."

Zwölf Jahre später starb die Dichterin im Alter von 92 Jahren dort, wo sie zur Welt gekommen war: in Eberhardzell Oberessendorf im Kreis Biberach. Bis in ihre letzten Tage hinein war sie literarisch tätig gewesen. Über ihre dichterische Arbeit schrieb sie selbst einmal: ‚Eine, hinter allem betrieblichen Alltag gegebene, Inwendigkeit und die Freude am Wort ließen mich im menschlichen und geistlichen Sinn einen Weg gehen und beschreiben. Das ist in der Hochsprache abgelegt. Das Ländlich-bäuerliche, darin auch gleich das Ländliche griff ich in der Sprache des Volkes auf. Das steht nun mal da, möge es etwas sein. Der Oberschwabe sagt solchenfalls: „S' isch äbbes".'

Weder Geschehen, noch ein Freund stößt vor in die sibirische Steppe,
in der ich an Öde und Einsamkeit
mich zu Tode schleppe.

Niemand wird's wissen, wenn ich gestorben bin.
Und was ich bildend wie Schatten erworben,
ein Versuch zu leben, geht mit mir dahin.

- schwäbisches Gedicht -

Aldo Parmeggiani

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

22. März 2018, 16:42