Österreich: NS-Gegner der Kirche wurden zu spät geehrt
Scheuer äußerte sich in einer ORF-Fernsehdokumentation mit dem Titel „Hitlers Jünger und Gottes Hirten", die am Dienstagabend zu sehen war. Wie aus der Sendung hervorgeht, wollte die Bischofskonferenz nach dem Krieg, dass angesichts der Traumata des Dritten Reichs ein Schlussstrich gezogen wird und ehemalige Nazis in den Schoß der Kirche zurückkehren. Vielfach verzieh die Kirche, ohne dass vorher ein Reuebekenntnis erfolgte, so der Tenor.
550.000 ehemalige NSDAP-Mitglieder sollten nach Kriegsende wieder in die Kirche zurückgeholt werden. Mit allen Angehörigen betraf dies ein Viertel der Bevölkerung, hieß es in der Dokumentation. Im Interview distanzierte sich Bischof Scheuer von einer „Bekehrung" ohne Umkehr. Einen Grund, warum man kirchlicherseits die KZ-Priester und deren Schicksal verschwieg, sieht Scheuer darin, dass ehemalige Nazis, auch die Belasteten, dadurch leichter integriert werden sollten. „Man wollte im Grunde genommen eine Generation noch sterben lassen", so der Bischof rückblickend auf die NS-Gegner im Klerus. „Es wäre der Kirche gut angestanden, das früher aufzugreifen", bedauerte Scheuer.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) berichtet von mehr als 1.570 österreichischen Priester, die in der Nazi-Zeit mit Predigt- und Schulverboten belegt waren; 700 mussten ins Gefängnis, 110 kamen ins KZ.
Diese zahlreichen Opfer bewirkten nach den Worten des Wiener Kirchenhistorikers Rupert Klieber, dass die Kirche „eindeutig gestärkt" aus der Kriegszeit hervorging. Sie habe auf eigene Opfer, die sie gebracht hat, verweisen können und „stand jetzt als moralischer Sieger da", sagte der Theologe in der ORF-Doku.
(kap - gs)
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