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Der Deutsche Mesut Özil ist raus aus der deutschen Fußballnationaelf Der Deutsche Mesut Özil ist raus aus der deutschen Fußballnationaelf 

Religionswissenschaftler: Fall Özil setzt „bedauerliches Signal“

Der türkischstämmige deutsche Fußballer Mesut Özil verlässt im Streit die deutsche Fußballnationalmannschaft. Für die Integration türkischstämmiger junger Menschen in Deutschland ist das „ein bedauerliches Signal“, sagte uns der Religionswissenschaftler Michael Blume, der sich besonders gegen Antisemitismus und Rassismus engagiert.

Bei Özil messe die deutsche Gesellschaft mit zweierlei Maß, an seinem Beispiel lasse sich ein deutlich wachsender Rassismus festmachen, der durch die neuen Medien starken Auftrieb gewonnen habe, analysiert Blume. Der Religionswissenschaftler hat vergangenes Jahr ein Buch über „Islam in der Krise“ vorgelegt und ist im Übrigen mit einer türkischstämmigen Muslimin verheiratet.

Anlass für Özils selbstgewähltes Ausscheiden war ein öffentlich geführter Streit über seine Verehrung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Gudrun Sailer sprach mit Michael Blume.

Vatican News: Wenn man sich unter jüngeren türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland umhört, was denken sie über diesen Streit, der die Befindlichkeiten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen ja gut abbildet?

Michael Blume: „Wir haben es mit ganz unterschiedlichen Wahrnehmungen zu tun. In der Mehrheitsgesellschaft wird gesagt: „Özil hat nie die deutsche Hymne mitgesunden, er hat sich immer stark auf das Türkische und das Muslimische bezogen, gehört der wirklich jemals dazu?“ Vor allem unter den türkischstämmigen jungen Leuten ist dagegen die Wahrnehmung anders: „Sehr ihr, so lange er Tore schießt, ist er ein Deutscher, und wenn es dann einmal schief läuft, wenn die Mannschaft verliert, dann wird er ausgebürgert, er ist ein Deutscher zweiter Klasse.“

Vatican News: Wird im Fall Özil mit zweierlei Maß gemessen?

„Dass die DFB-Spitze selber mit Lothar Matthäus dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Trikot überreicht hat, wird fast nur in den türkischstämmigen Medien thematisiert...“

Michael Blume: „Fairerweise muss man tatsächlich sagen: das Bild, wie Özil dem türkischen Präsidenten Erdogan ein Trikot überreicht, das wurde ganz massiv in deutschen Medien diskutiert und auch vom DFB angeprangert. Aber auf der anderen Seite, dass die DFB-Spitze selber mit Lothar Matthäus dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ebenfalls ein Trikot überreicht hat, das wird wiederum fast nur in den türkischstämmigen Medien thematisiert. Dort sagt man, „schaut her, wenn Özil das macht, dann ist er kein Deutscher mehr, aber wenn die ganze DFB-Spitze dem Putin huldigt, dann gibt es daran kein Wort der Kritik“. Insofern ist da schon bei vielen Menschen, gerade auch – aber nicht nur – bei Migranten, das Gefühl, dass da Rassismus eine Rolle spielt.“

Vatican News: Am Fall Özil lässt sich tatsächlich ablesen, dass Rassismus in Deutschland gerade in breitere Schichten vordringt. Was wäre zu tun, damit aus dieser Episode vielleicht doch noch ein Positivbeispiel wird, wie Rassismus erkannt und gebändigt werden kann?

Michael Blume: „Ich bin tatsächlich der Auffassung, dass wir ein Wiederaufleben von Rassismus und Antisemitismus durch das Internet gerade erleben. Zum einen grenzen sich Gruppen voneinander ab, andererseits breiten sich Verschwörungsmythen stark aus und werden auch gegeneinander gerichtet. Ich muss leider sagen, Studien zeigen, dass dieses Phänomen stärker wird. Wenn man diesem Verfall von liberalen Gesellschaften überhaupt noch stoppen möchte, wäre es das wichtigste, dass wir alle darüber nachdenken, was eigentlich diese neuen Medien mit uns machen, in positiver und in negativer Hinsicht.“

Vatican News: Inwiefern taugt der Fall Özil da als Beispiel?

„Der Spaltpilz frisst sich durch die Gesellschaft. Und das betrifft nicht nur Deutschland, sondern weltweit alle Gesellschaften. Wie tief der Schaden ist, und ob unsere Demokratien unbeschadet ist, wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren entscheiden.“

Michael Blume: „Özil bewegt sich in seinem Medienbereich, er schreibt seine Austrittserklärung sogar in Englisch, und er kommuniziert über die sozialen Medien zu seinen Anhängern, während umgekehrt die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit sich über Medien informiert, die von vornherein zwischen Deutschen und Deutschen ausländischer Herkunft unterscheidet. Der Spaltpilz frisst sich durch die Gesellschaft. Und das betrifft nicht nur Deutschland, sondern weltweit alle Gesellschaften. Wie tief der Schaden ist, und ob unsere Demokratien unbeschadet ist, wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren entscheiden. Momentan sieht es so aus, dass wir noch kein Gegenmittel gefunden haben, um diese Entwicklung wieder zu stoppen.“

Vatican News: Welche Rolle spielen in der medialen Aufarbeitung rassistischer Tendenzen die Kirchen in Deutschland? Die Kirchen mit ihren offiziellen Portalen oder auch einzelne Gläubige?

Michael Blume: „Die Medienarbeit der Kirchen ist wichtiger denn je. Der Papst oder prominente Bischöfe finden durchaus Gehör, und man verhält sich dazu. Auf den extremistischen Seiten sind aber die Kirchen schon lange zu Hassfiguren geworden. Das wird jetzt noch heftiger werden. Die Wut, die sich jetzt auf Juden und Muslime richtet, richtet sich auch zunehmend gegen die Kirchen. Da wird dann gesagt: „mit der Aufnahme von Flüchtlingen arbeiten die mit an der Zerstörung Europas, sie sind ja selber schon verjudet und islamisiert. Ich nehme selber immer stärker wahr, dass die Kirchen in diesen antisemitischen und rassistischen Strom hineingezogen werden. Gleichzeitig gibt es innerhalb der Kirchen natürlich auch Stimmen, die denken, man könne durch eine Distanzierung von Muslimen oder Juden die eigene Position verbessern. Von daher würde ich sagen, auf die mediale Arbeit der Kirchen, auf die Haltung der Kirchen wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch stärker ankommen als heute. Halten sie die Gesellschaften zusammen, oder lassen sie es zu, dass die Spaltung in die Kirchen eingreifen?“

(Vatican News – gs)

 

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23. Juli 2018, 14:48