D: „Ich schäme mich für meine Kirche“ wegen Missbrauch, sagt Kardinal Woelki
„Ich schäme mich an dieser Stelle für meine Kirche", sagte der Erzbischof im „Wort des Bischofs" am Sonntag. Wer sich als Seelsorger und Diener Gottes an Menschen schuldig gemacht habe, der habe seine Aufgabe „pervertiert", betonte er. Nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse der Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche nannte es Woelki beschämend, dass die Kirche solche Taten zugelassen habe und „dass nachweislich vertuscht wurde, weil man den Ruf der Institution über das Wohl des Einzelnen gestellt hat". Dem wolle er entgegentreten. „Ich dulde in unserem Erzbistum keinerlei Vertuschung."
Als Erzbischof sei er zudem dafür verantwortlich, dass sexueller Missbrauch nie mehr vorkomme, auch wenn Fachleute sagten, dass man diesen hundertprozentig nie verhindern könne und die Täter oft äußerst gerissen vorgingen.
Der Erzbischof rief die Kirche zur Buße auf. Neben der Verhinderung von Vertuschung gehöre dazu, den beschrittenen Weg der Präventionsarbeit weiterzugehen, die Betroffenen anzuhören und ihr Leid auszuhalten.
Die Studie: 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe in der Kirche in Deutschland
Am Mittwoch waren erste Ergebnisse der Studie bekanntgeworden. Demnach gab es in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Priestern. Bei den zwischen 1946 und 2014 erfassten Betroffenen handelte es sich überwiegend um männliche Minderjährige; mehr als die Hälfte war zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre. Die komplette, mehrere hundert Seiten umfassende Auswertung wollen die Bischöfe am 25. September bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda vorlegen.
Am Wochenende baten auch andere Bischöfe die Opfer um Verzeihung und kündigten Konsequenzen an. Der Passauer Bischof Stefan Oster forderte „eine radikale Form der Selbstkritik im Blick auf die Institution". Ausdrücklich würdigte der Jugendbischof den "großen Mut" Betroffener, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Man werde sich nun auch der Diskussion stellen müssen über Themen wie eine Änderung der Sexualmoral oder die Abschaffung des Zölibats.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sprach in einem Brief an alle Gläubigen von „schwerer Schuld" und einer „dunklen Stunde unserer Kirchengeschichte, die hoffentlich zu einer Reinigung und Erneuerung führen wird". Der Berliner Erzbischof Heiner Koch rief alle Katholiken zu Wachsamkeit auf: „Missbrauch darf in unserer Kirche keinen Platz haben." Bambergs Erzbischof Ludwig Schick sagte: „Wir sind beschämt und erschüttert."
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte strukturelle Änderungen. So seien etwa Frauen stärker einzubinden. Die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Lisi Maier, machte auch „Männerbünde" in der Kirche für Vertuschung und Machtmissbrauch mitverantwortlich. Der Jesuit Klaus Mertes, der 2010 als Leiter des Berliner Canisius-Collegs maßgeblich zum Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in Deutschland beigetragen hatte, riet in der „Süddeutschen Zeitung" dazu, von der Kirche unabhängige Experten mit der weiteren Aufarbeitung zu betrauen. Nur so könne die Kirche Glaubwürdigkeit zurückgewinnnen. Zugleich müsse sie ihre Strukturen ändern.
(kna – gs)
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