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Georg Cremer: Deutschland ist gerechter als wir meinen Georg Cremer: Deutschland ist gerechter als wir meinen 

Unser Buchtipp: Deutschland ist gerechter als wir meinen

Fast sechzehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind arm. Gleichzeitig werden dreißig Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes alljährlich in den Sozialstaat investiert. Georg Cremer, Ex-Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands und außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg, macht sich fundierte Gedanken über Staat und Gerechtigkeit.

Christina Höfferer - Vatikanstadt

Die Wirtschaft boomt – und unten kommt gar nichts an? Ist atypisch prekär? Müssen immer mehr Rentner arbeiten? Von deutlichen Fragen geht Cremer aus. Anhand einer Vielzahl von Daten und Fakten bietet er Antworten. Das Buch fragt nach der Armut in einem reichen Land, denn schließlich titelte der Boulevard auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise: „Griechen reicher als wir! Aber die Regierung plant neue Milliardenhilfe“, erinnert Cremer.

„Nein, es ist nicht alles gerecht in Deutschland, beileibe nicht. Es gibt weiterhin einen unnötig engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Wer ein Leben lang im Niedriglohnsektor gearbeitet hat, bekommt im Alter oft dennoch nicht mehr zum Leben, als wenn er nie gearbeitet hätte.“

Raus aus dem Niedergangsdiskurs

Aber halt! Ruft der Autor. Und er meint: Raus aus dem Niedergangsdiskurs! Ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, das liegt schließlich im Auge des Betrachters. Demnach können sich Sozialpolitiker abmühen, wie sie wollen, so Cremer, das, was sie bewirken, werde letztendlich immer weit hinter den ohnehin widersprüchlichen Erwartungen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen zurück bleiben. In Umfragen gebe eine breite Mehrheit der Befragten in Deutschland an, es ginge ihr sehr gut oder gut. Weit verbreitet sei jedoch die Angst, die eigenen Kinder könnten den Lebensstandard, den man selbst erreicht habe, nicht halten und würden ihre Position in der Mitte der Gesellschaft verlieren. Zukunftsangst vergällt die Lebensfreude, stellt Cremer fest. Überdies erschweren verzerrte Wahrnehmungen eine zukunftsgewandte Politik. Also gelte es übertriebenen Ängsten entgegenzutreten. Wichtig sei es, das Große Ganze im Auge zu behalten.

„Die Vermögensverteilung ist weit ungleicher als die Einkommensverteilung. Während Deutschland bei der Einkommensungleichheit im internationalen Vergleich eine mittlere Position einnimmt, ist die Vermögensungleichheit hoch. Äußerst unbefriedigend ist zudem die Erfassung der Spitzenvermögen. Sehr reiche Menschen sind wie scheue Rehe, sie sind so gut wie nie unter den Befragten zu entdecken.“

Die Vermögensverteilung ist weit ungleicher als die Einkommensverteilung. Während Deutschland bei der Einkommensungleichheit im internationalen Vergleich eine mittlere Position einnimmt, ist die Vermögensungleichheit hoch. Äußerst unbefriedigend ist zudem die Erfassung der Spitzenvermögen. Sehr reiche Menschen sind wie scheue Rehe, sie sind so gut wie nie unter den Befragten zu entdecken.

Georg Cremers Bestandsaufnahme der Befindlichkeiten der Bevölkerung und die Gegenüberstellung mit den statistischen Wirtschaftsdaten ist kenntnisreich und informativ. Der Autor unterzieht das Narrativ des Sozialabbaus einer ausführlichen Prüfung. Er fragt auch nach dem Zusammenhang zum immer mehr Wähler anziehenden Rechtspopulismus.

Stoff für Diskussionen

Wirtschaftliche Wirklichkeit und persönliche Empfindungen sind komplexe Phänomene. Da ist es nur folgerichtig, dass der Autor sich Thema für Thema vorknöpft: Renten und demographischer Wandel, Pflege und Teilhabe von Menschen mit Behinderung, Kinder- und Jugendhilfe und das Gesundheitswesen. Cremer geht an, was uns alle betrifft. Und das auf verständliche, eingängige und gut lesbare Art und Weise. Ein höchst informatives Buch, das reichlich Stoff für Diskussionen birgt.

Zum Mitschreiben:
Deutschland ist gerechter als wir meinen. Eine Bestandsaufnahme, Georg Cremer, erschienen 2018 im Verlag C.H. Beck.

(vatican news)

Zum Nachhören

 

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10. November 2018, 10:29