Rom: Schwestern im Juniorat auf Maria Wards Spuren
Christine Seuss - Vatikanstadt
„Ich hatte in meinem Leben das Glück, dass ich immer wieder Leuten begegnet bin, die ihre Berufung gelebt haben“, erzählt uns Schwester Natalie Korf aus Frankfurt. „Ob das nun die Gemeindereferentin in der Pfarrei meiner Kindheit war oder später dann auch Ordensleute. Bei Ordensleuten habe ich eine ganz, ganz starke innere Freiheit gespürt, die mich sehr angezogen hat und durch Ordensleute habe ich auch das Konzept der geistlichen Begleitung kennengelernt, was für mich sehr hilfreich und fruchtbar war.“ Schwester Nathalie arbeitet als Gemeindeassistentin in Frankfurt, dabei hat sie auch viel mit Jugendlichen zu tun: „Ich erlebe Jugendliche im Rahmen der Sakramentvorbereitung oder als Messdiener im Pfarreialltag und die nehmen mich natürlich auch wahr als Ordensfrau. Es ist mir wichtig, ihnen da auch eine Lebensform anzubieten und zu zeigen, die sie heute vielleicht nicht mehr so häufig sehen.“
„Für mich war es im Grunde ein langer Suchweg nach dem, wo Gott mich hinstellt in meinem Leben oder wo ich gebraucht werde“, erklärt uns hingegen Schwester Anna Schenck. „In diesem Kontext war es mir schon wichtig, in der geistlichen Begleitung auch ein Gegenüber zu haben, um das auszusprechen und eben auf der Suche unterstützt und begleitet zu werden. Von daher waren die geistliche Begleitung und die Exerzitien für mich sehr wichtig, um dann tatsächlich meiner Berufung auf die Spur zu kommen.“ In ihrem Arbeitsalltag ist Schwester Anna verantwortlich für den Bereich Altenhilfe und Pflege der Caritas in Niedersachsen.
Ganz anders verlief der Berufungsweg für Schwester Britta Müller-Schauenburg aus München. Auch die habilitierte Theologin ist eine von nicht wenigen Kongregationsmitgliedern, die über einen längeren Weg erst in die Gemeinschaft gefunden haben. Hilfe bei ihrem Berufungsweg hatte sie eher auf unkonventionelle Weise erfahren, erzählt sie uns: „Ich würde sagen, ich bin von vielen verschiedenen Menschen begleitet worden, die sich aber nicht alle als Begleiter verstanden haben. Der Berufungsweg war sehr lang. Ich bin erst mit 24 getauft worden und habe vorher Kirche in verschiedenen Konfessionen erlebt. Meine wichtigsten Begleiter waren nicht unbedingt ,geistliche Begleiter‘ im professionellen Sinne, sondern kritische Begleiter, Freunde, Bekannte und der liebe Gott selbst, der mich geduldig herumgeschoben hat. Geistliche Begleiter im eigentlichen Sinne haben mich, glaube ich, manchmal eher entschleunigt und mir, wo ich am Boden lag oder himmelhoch jauchzte, zu Gelassenheit geraten.“
Eine toughe Frau, die Mädchen eine Bildung verschaffen will
Die Landadelige Mary Ward lebte im 17. Jahrhundert des vergangenen Jahrtausends zu Zeiten der Katholikenverfolgung in England. Sie rückte jedoch trotz der Repressalien nicht vom katholischen Glauben ab und stieß mit ihrem Wunsch, einen nicht-klausurierten Frauenorden nach den Regeln des heiligen Ignatius zu gründen, auch in Rom zunächst auf Unverständnis. Sie und ihre Mitschwestern engagierten sich insbesondere in der Bildung für junge Mädchen, trotz der mangelnden Anerkennung aus Rom fand ihre Kongregation rasche Verbreitung. Wir wollten von den jungen Ordensfrauen wissen, was sie dazu gebracht hat, der Congregatio Jesu, die erst 2003 die von Mary Ward ersehnten Konstitutionen annehmen durfte, beizutreten:
Contemplativa in actione
„Für mich war die Congregatio Jesu eine große Überraschung“, betont Schwester Britta. „Ich wollte in eine kontemplative, lateinisch singende, strenge, schweigende Gemeinschaft - wenn schon, dann so. Diesen Traum hatte ich schon als kleines Mädchen, und er kam wieder, als ich etwa 30 Jahre alt war. Während ich gezielt solche Gemeinschaften suchte, stieß ich auf Mary Wards Biographie, und hatte plötzlich das Gefühl ich sollte kennen, was ich nicht möchte. Ich bin zu einem Schnuppertag der Congregatio Jesu gefahren und habe dort Frauen kennengelernt, die mich beeindruckt haben. Selbstständige Frauen, die sehr unterschiedlich, auch ganz anders als ich, dachten. Aber die Selbstständigkeit war das Gemeinsame - der erste Moment, der mich denken ließ, dass ich dort vielleicht dazupassen könnte. Das Zweite war die Art, wie mit Problemen oder Fragen umgegangen wird. Ich merkte, dass beispielsweise bei den älteren Mitschwestern, die Schulen abgeben mussten, eine große Beweglichkeit herrscht, und mir gefiel die Art, wie gesucht wird, wie es weitergeht: dass man viel fühlt und dann miteinander spricht. Dieses ignatianische Vorangehen war das Zweite, das mein Vertrauen gewann. Und das Dritte war, dass es mir sehr liegt, dass wir auf die ,Sendung‘ fokussiert sind und das eigentlich das ist, was uns verbindet. Mit der Gemeinschaft wirklich leben und arbeiten zu können, ist für mich wichtig.“
Mitten in der Welt für die Menschen da sein
Ähnlich sieht das Schwester Anna: „Für mich ist es erst einmal die ignatianische Spiritualität gewesen, die mich eben schon lange begleitet hat. Die Unterscheidung der Geister, die Exerzitien, das hatte ich im Grunde ja auch schon erwähnt, das war für mich sehr wichtig. Aber eben tatsächlich mit diesem Fokus, als Frauen diese Spiritualität zu leben und auch mitten in der Sendung, mitten in der Welt, mit dem Fokus auf das Apostolat diesen Weg zu gehen und in dieser Kombination aus ignatianischer Spiritualität in der Welt für die Menschen da zu sein und eben mich, als Frau in dieser Kirche, senden zu lassen, ist das, was ich in Kongregation Jesu dann eben auch vereint gefunden habe.“
Eine alltagstaugliche Spiritualität
Die ignatianische Spiritualität, aber auch die starke Persönlichkeit der Gründerin Maria Ward waren es, die Schwester Natalie ansprachen: „Ich habe über die Jesuiten die ignatianische Spiritualität kennen und lieben gelernt und bin da immer mehr reingewachsen und immer mehr fasziniert worden. Ich habe dann eine Schwester der Kongregation Jesu kennengelernt und gemerkt, das geht ja auch als Frau. Was ich besonders an dieser Spiritualität schätze, ist, dass sie alltagstauglich ist, dass ich Gott in meinem konkreten Leben und in meinem Alltag finden kann und mir die Unterscheidung der Geister da sehr hilft. Für mich waren oder sind auch die Biografien von Ignatius und Mary Ward sehr wichtig. Also gerade Mary Ward, die es nicht immer nur leicht hatte mit der Kirche und sie sie trotzdem sehr geliebt hat. Sie ist für mich ein gutes Beispiel, wie man Spannungen, die sich ergeben, aushalten kann.“
Treue zur Berufung und zur Kirche
Überhaupt, die Persönlichkeit der Ordensgründerin spielte für die jungen Frauen bei ihrer Wahl für die Kongregation durchaus eine wichtige Rolle, verstärkt durch die intensive Beschäftigung dieser Tage in Rom, vertrauen sie uns an. Schwester Anna: „Für mich wird in diesen Tagen nochmal ihre Treue sowohl zu ihrer Berufung, einen Frauenorden mit dem Fokus auf die Sendung und auf das Apostolat zu gründen, als auch zur damals sehr männergeprägten römisch-katholischen Kirche deutlich. Diese Spannung auszuhalten und nicht in eine Richtung hin wegzubrechen."
Die große geistliche Tiefe, die Maria Ward auch dank dieser Spannung erreicht habe, erlebten die jungen Schwestern gerade in diesen Tagen, auf den Spuren der Ordensgründerin, besonders. „Auch an einem Ort, der ganz anders geprägt war als ihre Heimat England, wo Frauen sicherlich eine ganz andere Rolle auch in der Pastoral oder eben auch in der Begleitung von Menschen innehatten. Und trotzdem hat sie sich dem gestellt und da sozusagen mitten hineingestellt und das fasziniert mich immer mehr, je mehr ich mich damit beschäftige und auseinandersetze.“
Allen Widerständen zum Trotz
„Bei mir ist das ähnlich“, meint Schwester Nathalie: „Die Treue zu ihrem Auftrag, als apostolischer Frauenorden in der Welt zu leben und gleichzeitig aber auch die Entschlossenheit, diesen Auftrag zu verfolgen, allen Widerständen zum Trotz.“ Und die Widerstände waren durchaus handfest: Maria Ward wurde zeitweise sogar als Ketzerin eingesperrt, da ihr Wunsch, als Frauen nicht in einem kontemplativen, sondern aktiv in der Welt tätigen Orden zu wirken, für damalige Verhältnisse geradezu unerhört war.
„Ja, im Grunde ist es auch das, was mich hier auch am meisten beschäftigt“, bestätigt uns auch Schwester Britta: „Es ist interessant, dass das [bei uns allen, Anm.] so ähnlich ist. Und auch wohl diese Suche. Sozusagen beim Nachgehen spüre ich, wie Mary Ward sucht. Das bringt sie mir nochmal ein Stück näher. Wir haben ja oft das Ergebnis ihrer Suche vor Augen, und daran schließen wir Spätere an, aber den Weg dorthin jetzt noch einmal mitzugehen tut mir, glaube ich, gut. Weil man ihn in der eigenen gegenwärtigen Suche als Gemeinschaft auch ein Stück weit wieder vor Augen hat.“
Hoffnungen und Pläne für die Zukunft gibt es auch als Ordensschwestern
Fünf bis zehn Jahre, ähnlich wie beim Jesuitenorden, vergehen zwischen erster und ewiger Profess, dazwischen liegt das Juniorat der CJ-Schwestern. Eine lange Zeitspanne, in der man sich seiner Berufung rückversichern kann. Aber wo sehen sich die Schwestern denn von heute an in zehn Jahren, wollten wir abschließend noch von Ihnen wissen:
„Für mich ist es ein Stück weit auch eine Herausforderung, auf diese Frage zu antworten, weil ich meine Berufung als ganz wichtig empfinde“, erklärt Schwester Anna. Was sie damit meint: „Dass ich von der Gemeinde gesendet werde oder eben von Gott gerufen werde zu einer bestimmten Aufgabe. Dafür möchte ich natürlich offenbleiben und das ist mir sehr wichtig, selbst immer mehr zu einer Hörenden zu werden und dafür bereitzubleiben. Für diese Bereitschaft, für diese Verfügbarkeit, die uns ja als CJ-Schwestern auch so wichtig ist. Und trotzdem macht man sich natürlich Gedanken, und für mich ist es sicherlich der soziale Aspekt, also tatsächlich diese Frage, wo werden wir als Kirche, als ignatianische Gemeinschaft, als CJ-Schwestern in dieser Welt gebraucht, um mitzugestalten, soweit es uns eben möglich ist. Da sehe ich mich auch. Nicht, um mittelbar Politikerin zu sein, aber um mich in dem vorpolitischen Bereich einzusetzen für die, die keine Lobby haben oder an den Rand gedrängt sind. Wenn ich da eine Möglichkeit fände und wenn sie aber auch von der Gemeinschaft und von der Kirche her bestätigt würde - ja, dann wäre meine Hoffnung erfüllt.“
Schwester Nathalie hingegen sieht ihre Aufgabe weiterhin in der Pastoral: „Ich hoffe, dass ich auch in zehn Jahren Menschen helfen kann, Gott in ihrem Leben zu entdecken, nach dem Größeren und Tieferen und nach dem Mehr in ihrem Leben zu fragen. Und wo und wie genau das sein wird, wird sich zeigen, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das im Pfarreikontext auf der ganz normalen kirchlichen Gemeindeebene sein wird.“ Und Schwester Britta? Die würde gerne in der Wissenschaft bleiben, wo sie auch heute mit beiden Beinen fest daheim ist. „Aber wahrscheinlich wird es nicht nur Wissenschaft sein. Ich hoffe, dass ich mit Armut zu tun habe und mit Not in irgendeinem Sinne. Das ist im Moment für unsere Provinz in Mitteleuropa eine der schwierigen Fragen: Was ist die Not, auf die wir als Gemeinschaft antworten sollen? Ich hoffe, dass ich sie gut erkennen werde.”
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.