D: Jesuit Mertes warnt Seelsorger vor geistlichem Missbrauch
„Wer nach Gott fragt, ringt mit existenziellen Fragen. Und wenn diese Suche missbraucht wird, kann das für die Betroffenen schlimmste Folgen haben." Amtsträger in der katholischen Kirche müssten sich zuerst als „Hörende" verstehen und nicht als Autoritäten. Mertes sprach sich dafür aus, die aktuelle Debatte über Missbrauch in der Kirche sehr weit zu fassen und das Thema geistlichen Missbrauch anzugehen.
Auch die Theologin und Buchautorin Doris Wagner forderte eine breite Debatte über den Missbrauch von Macht innerhalb kirchlicher Gemeinschaften. „Eine gute seelsorgliche Begleitung muss Personen beim Entwickeln ihrer eigenen Spiritualität helfen, und niemals über sie bestimmen." Wagner, die in einer geistlichen Gemeinschaft Opfer sexualisierter Gewalt wurde, betonte, fast immer stehe hinter sexuellem Missbrauch im kirchlichen Raum auch geistlicher Missbrauch.
Der Freiburger Theologe Magnus Striet erklärte, viele Theologen hätten seit langem das Recht auf Selbstbestimmung jedes einzelnen Gläubigen zum Zentrum ihres Denkens gemacht. „Aber das hat die Amtskirche zu lange nicht aufgegriffen und stattdessen einseitigen Gehorsam in Glaubensfragen gefordert", kritisierte er. Derzeit sei „endlich" ein Umdenken zu erkennen. „Aber wir müssen auch ehrlich bekennen, wenn dies früher geschehen wäre, hätten viele Fälle von Missbrauch im kirchlichen Raum verhindert werden können."
Zu dem von Universität und Katholischer Akademie Freiburg organisierten Podiumsgespräch kamen mehr als 500 Zuhörer. Mertes hatte im Jahr 2010 als damaliger Leiter des Berliner Canisius-Kollegs Fälle von Missbrauch an der Schule öffentlich gemacht. Er verfasste das Vowort zu Doris Wagners neuem Buch „Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche“.
(kna – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.