D: „Zölibat nicht für Priestermangel verantwortlich“
„Ich würde nicht von Pflichtzölibat reden, sondern davon, dass die Kirche Männer auswählt, die sich auch zur Ehelosigkeit berufen wissen, die vielleicht nicht unmittelbar, aber in der Auseinandersetzung mit der priesterlichen Berufung dahin finden und sagen: Ich muss mich dieser Frage stellen. Vielleicht geschieht das heute viel bewusster als früher, wo man das mit in Kauf genommen hat.“
Auch in anderen pastoralen Diensten, für die der Zölibat nicht die Voraussetzung sei, verzeichne man einen „Rückgang“, so Bischof Genn. „Und wenn man in die Statistiken der evangelischen Schwesternkirchen hineinschaut, ist das ähnlich.“
Genn rät jungen Männern, die heutzutage eine Berufung zum Priestertum in sich fühlten, sich nicht kopfscheu machen zu lassen. „Sie sollen dem folgen, was sie innerlich spüren, wenn sie eine solche Berufung in sich tragen, und sich nicht zu sehr von äußeren Faktoren beeinflussen lassen.“
„Es gibt viele Hindernisse auf dem Weg zum Priesteramt“
Auf die Frage, warum es heutzutage immer weniger Priesterberufungen gibt, antwortet Bischof Genn: „Sind Sie sich da so sicher?“
„Ich glaube schon, dass Gott Leute zum priesterlichen Dienst beruft – aber es gibt viele Hindernisse auf diesem Weg, und dazu gehört jetzt auch die ganze Atmosphäre. Sie kann junge Männer abschrecken. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott auch heute ruft; es kommt darauf an, diese inneren Widerstände zu überwinden, und dazu braucht es gute Begleiter.“
„Wir brauchen auch deutsche Priester“
Ausländische Geistliche, die in Deutschland arbeiten, seien „eine Hilfe“, aber „kein Ersatz“ für einheimische Priester, formulierte der Bischof von Münster bei dem Interview im emsländischen Lingen, wo er in den letzten Tagen an der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz teilgenommen hat. „Wir brauchen auch deutsche junge Priester, die diesen Beruf ausführen. Wir können in einer multikulturellen Gesellschaft auch auf ausländische Priester zurückgreifen, aber das ist nicht die Lösung.“
Dass Priester aus dem Ausland nach einem neuen Erlass des Berliner Innenministeriums ein Minimum an Deutschkenntnissen nachweisen müssen, um ein Visum zu erhalten, hält Genn nicht für eine Bedrohung, sondern für eine „Chance“.
„Wir im Bistum Münster bemühen uns schon darum, auch Männer zu bekommen, die schon Kenntnisse in der deutschen Sprache haben. Die müssen sie dann hier nochmals vertiefen, vor allem durch die tägliche Übung. Ich halte es für unabdingbar, dass jemand in einem solchen Beruf in der Lage sein muss, die Sprache des Landes zu sprechen, in dem er tätig ist. Wenn das nicht der Fall ist, muss ich ihn zurückschicken!“
„Lieber Mitbruder, das ist nett, aber…“
Wichtig sei ihm bei ausländischen Priestern in Deutschland auch die Bereitschaft, sich auf eine andere Kultur einzulassen. „Dazu gehört zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Laien sowie die Zusammenarbeit und Wertschätzung von Frauen, die in der Gemeinde tätig sind. Wenn das nicht der Fall ist, muss ich sagen: Lieber Mitbruder, es ist nett, dass du dich hier zur Verfügung gestellt hast – aber ich kann dich hier nicht einsetzen.“
Seine Erfahrungen mit ausländischen Priestern im Bistum Münster seien „wie überhaupt im menschlichen Leben“, nämlich „teils-teils“, räumte der Bischof offen ein. „Wir haben Priester, die wir tatsächlich nach einer gewissen Zeit zurückschicken müssen, weil es gar nicht anders geht – aber wir haben auch wirklich gute Leute, die wir sogar als Pfarrer einsetzen können.“
„Kein Gemeindeleben ohne Sakramentalität“
Genn betont, dass katholische Gemeinden in Deutschland nicht ohne Priester auskommen können. Die Pfarreien sollten sich bewusst machen, dass es ohne „Sakramentalität“ nicht gehe.
Der Bischof gab das Interview in Lingen im Emsland. Dort hat er in den letzten Tagen an der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz teilgenommen.
(katholisch.de/vatican news – sk)
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