Missbrauchskrise: Deutsche Bischöfe initiieren „synodalen Weg“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Der Erzbischof von München und Freising stellte Journalisten die Ergebnisse der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vor. Dabei wollte er den Begriff „synodaler Weg“ weniger als präzisen Begriff denn als „Öffnung der Möglichkeiten“ verstanden wissen. Das Vorhaben, das die Bischöfe einstimmig beschlossen hätten, solle zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken auf den Weg gebracht werden und um drei Themen kreisen: Gewaltenteilung, priesterliche Lebensform, Sexualmoral der Kirche.
„Der Druck ist ein Zeichen, dass die Öffentlichkeit von der Kirche viel erwartet“
Natürlich lägen viele Themen, etwa eine Lockerung des Zölibats oder die Aufwertung von Frauen in der Kirche, schon seit Jahren oder Jahrzehnten auf dem Tisch. „Aber das muss ja besprochen werden, auch weltkirchlich – einfach nur etwas zu fordern reicht ja nicht. Im Volk Gottes gibt es ja nicht nur eine Meinung! Wir sollten uns die Dinge auch nicht zu einfach machen.“
Marx wies darauf hin, dass die Bischöfe angesichts der anhaltenden Missbrauchskrise durchaus Druck von außen gespürt hätten. Darüber wolle er sich aber nicht beschweren: „Der Druck ist auch ein Zeichen, dass die Öffentlichkeit von der Kirche viel erwartet. Das dürfen wir nicht unterschätzen.“
Gemeinsam auf dem Weg der nötigen Veränderung
Der Kardinal, der unlängst im Vatikan an einem vom Papst einberufenen Anti-Missbrauchs-Gipfel teilgenommen hat, wandte sich vor der Presse zunächst an die Überlebenden von Missbrauch. „Ich will den Betroffenen sagen, dass wir nicht nachlassen und alles tun, was in unserer Kraft steht. Ich danke den Betroffenen, dass sie sich geäußert und die ganze Diskussion in Gang gebracht haben.“
Bei den Bischöfen sei – das hätten auch die internen Debatten in den letzten Tagen in Lingen deutlich gemacht – ein Denkprozess in Gang gekommen, so Marx. „Viele Bischöfe sagen in diesen Tagen, dass sie Gespräche in den Pfarreien geführt haben, und wir alle spüren, wie tief betroffen die Gläubigen von der Krise sind, in der sich die Kirche befindet. Es ist schließlich ihre Kirche! Ich sage den Gläubigen, dass wir uns gemeinsam auf den Weg der Veränderung – die notwendig ist – machen.“
Marx weist Kritik an römischem Missbrauchs-Gipfel zurück
Dabei fange der Weg allerdings keineswegs bei Null an, so der Kardinal mit leichter Gereiztheit. „Immer wieder wird nach einem Maßnahmenkatalog der Bischöfe gefragt – dieser Katalog liegt längst vor! Und er wird jetzt von uns abgearbeitet.“
Den Anti-Missbrauchs-Gipfel des Vatikans stellte Marx im Rückblick als einen Erfolg hin. Eine vom Papst ausgearbeitete „Roadmap“ zum Umgang mit Missbrauchsfällen habe auch in Lingen eine Rolle gespielt. „Die 21 Punkte des Papstes haben wir einfließen lassen. Man kann einiges verstehen von der Kritik an der Rede des Papstes, aber die Richtung ist richtig!“
Mehrfach unterstrich der Münchner Erzbischof, dass die deutschen Bischöfe am Thema Missbrauch dranbleiben werden. Er erinnerte an die im vergangenen Jahr vorgestellte Studie zu den Missbrauchsfällen im Bereich der deutschen Kirche. „Ich bin zunächst etwas erschrocken, als ich in dieser Missbrauchs-Studie las: Der Missbrauch hält an. Aber dann habe ich verstanden: Das ist die Frage nach dem System…“
Früher habe man im Gespräch mit Rom an bestimmte heikle Themen, etwa Zölibat, lieber nicht gerührt: „Die Zeit ist vorbei!“ Jetzt stelle man durchaus bewusst die Frage, welche Punkte im System Kirche geistlichen, sexuellen oder Machtmissbrauch begünstigten. „Das ist eine Zäsur für die Kirche. Die geht tief. So kann es nicht weitergehen – der Punkt ist da… Ich glaube, wir sind im Moment die einzige Ortskirche, die sich die Systemfrage stellt.“
Auf drei Gesprächsthemen im besonderen wies Marx hin. Erstens: Gewaltenteilung in der Kirche. „Klerikaler Machtmissbrauch ist ein wesentlicher Punkt. Wir müssen über Teilung der Macht reden und eine synodale Kirche bauen.“
Zweitens: Die Lebensform der Priester und Bischöfe. Hier ist vor allem der Zölibat Stein des Anstoßes. Und drittens: Die Sexualmoral der Kirche. „Da waren viele Bischöfe klar der Überzeugung, dass hier Gesprächsbedarf besteht.“
Über all diese Themen sei in Lingen lebhaft, aber in produktiver Art und Weise gesprochen worden, unterstrich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. „Mehrere Bischöfe haben unterstrichen, dass sie selten eine so gute Debatte erlebt haben, die intensiv war, aber immer in gegenseitigem Respekt.“
(vatican news)
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