Unser Sonntag: Der Herr sendet Seinen Beistand
Prof. Dr. Stefan Mückl, Vatikanstadt
6. Sonntag der Osterzeit (Joh 14,23-29)
Auch heute führt uns das Evangelium der hl. Messe zurück in den Abendmahlsaal. Am Ende seiner ersten Abschiedsrede kündigt Jesus seinen Fortgang wie auch ein neues Kommen an: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Beides wird endgültig, definitiv sein: Der Herr geht und bleibt doch. Er geht zum Vater, dieser wird in Seinen Namen den Beistand senden, den Heiligen Geist.
Wer ist der Heilige Geist?
Gleich zu Beginn des Alten Testaments ist im Schöpfungsbericht vom Gottes Geist die Rede (Gen 1,2), des weiteren heißt es auch, immer bezogen auf Jahwe, den Herrn, mein Geist (Gn 6,3), mitunter bereits charakterisiert mit Adjektiven wie gut (Neh 9,20) und heilig (Is 63,10). Doch wer dieser Geist ist, bleibt im Dunkeln. Was unserer Denk- und Vorstellungskraft nicht zugänglich ist, offenbart uns Jesus selbst: Dieser Geist ist Sein Geist, der Geist Jesu Christi:
Der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Dieser dichte Satz läßt uns drei zentrale Aspekte erkennen:
Der Heilige Geist ist vom Vater wie von Jesus verschieden – sonst könnte der Vater Ihn nicht senden, und dieser selbst nicht im Namen des Sohnes auftreten.
Der Heilige Geist knüpft an das Wirken Jesu an und führt es fort – er erinnert an das, was Jesus gesagt hat, er lehrt das, was Jesus gelehrt hat. Er nimmt für uns die Stelle Jesu ein, der zum Vater gehen wird, ohne daß es einen Unterschied in der Sendung geben könnte.
Der Heilige Geist ist Person. Nur eine Person kann lehren und erinnern, ebenso – wie es etwas später bei Johannes heißt – Zeugnis ablegen, Zeugnis ablegen für den Sohn (Joh 15,26).
Worin besteht seine Aufgabe?
Jesus selbst nennt den Heiligen Geist parákletos. Dieses griechische Urwort, dessen Verbalform „herbeirufen“ bedeutet, gibt die lateinische Vulgata mit advocatus wieder. Im Deutschen finden sich dafür verschiedene Übersetzungen, die alle einen richtigen Aspekt bezeichnen, wie „Tröster“ (bei Luther), „Beistand“ (bei Zwingli, ebenso in der Einheitsübersetzung), desgleichen „Fürsprecher“ und „Anwalt“.
Die Bezeichnung gibt bereits die Aufgabe mit an: trösten, beistehen, fürsprechen. Schon im rein menschlichen Bereich braucht es Menschen, die anderen diesen Dienst erweisen: Entmutigte und Verzagte trösten, Unsicheren und Unkundigen beistehen, Fürsprache für die halten, die sonst keinen Anwalt haben. Auch in der Zeit der Kirche bedarf es all dessen, und zwar in einem Maß, neben dem rein menschlicher Beistand sich nur allzu schnell als unzureichend erweisen muß: Besser sich zu bergen beim Herrn, als zu vertrauen auf Menschen (und) auf Fürsten (Ps 118,8). Wie weise diese Maxime des Psalmisten ist, erweist sich in den Bedrängnissen und Verfolgungen, die der Kirche und dem einzelnen Gläubigen nicht erspart bleiben. Jesus bereitet uns bereits in seiner Abschiedsrede darauf vor: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen (Joh 15,20). Wie sehr brauchen wir den Beistand, den der Sohn uns senden wird: den Geist der Wahrheit.
Der Geist der Wahrheit (Joh 15,25) wird uns das lehren und uns an das erinnern, was Jesus selbst uns gesagt hat, an all das und nur an das. Er wird uns, wie es in der dritten Abschiedsrede heißt, in der ganzen Wahrheit leiten (Joh 16,13). Er ist der Garant für die Unverfälschtheit der Botschaft des Evangeliums und schützt die Kirche und jeden einzelnen Gläubigen vor seiner Verfälschung. Entsprechende Gefahren hat es oft in der Geschichte gegeben, und auch heute fehlt es daran nicht. Deutlich sagt es der hl. Paulus im Galaterbrief: Es gibt kein anderes Evangelium, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und das Evangelium Christi verfälschen wollen (Gal 1,7).
Was bewirkt der Heilige Geist?
Ebenfalls im Galaterbrief lehrt der hl. Paulus, worin das vom Geist geleitete Leben besteht und welches die Frucht des Heiligen Geistes ist (Gal 5,22). Eine wesentliche Frucht nennt der Herr selbst im heutigen Evangelium: den Frieden.
Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.
Es ist offensichtlich, daß der Friede, den der Herr meint, weit mehr ist als die bloße Abwesenheit von Konflikt und Krieg. Es geht um den Frieden Christi, den nur Der geben kann, den der Prophet Jesaias als Fürst des Friedens ankündigt (Jes 9,5). Bei dessen Geburt verkündeten Engel den Frieden auf Erden (Lk 2,14). Mit dem ersten Kommen Christi ist das wieder ins rechte Lot gekommen, was durch den Abfall des Menschen von Gott aus dem Gleichgewicht geraten war. So meint das hebräische shalom den Frieden in einem ganz umfassenden Sinn, der insbesondere das rechte Verhältnis von Gott und Mensch betrifft. Ist der Mensch im Einklang mit seinem göttlichen Schöpfer und Erlöser, dann herrscht Friede – in seinem eigenen Herzen, in seinem Umfeld, in den größeren Sozialverbänden wie dem Staat, ja mehr noch, in der ganzen Schöpfung. Genau das hat der hl. Augustinus im Blick, wenn er den Frieden als die „Ruhe des Geordnetseins aller Dinge“ definiert (De civitate Dei, 19,13).
Frieden gibt es nicht zum Nulltarif
Diesen Frieden freilich gibt es nicht zum Nulltarif. Er hat seine Voraussetzungen. Wer den Frieden auf Erden möchte, muß erst Gott in der Höhe die Ehre geben (vgl. Lk 2,14). Die Verheißung gilt den Menschen seines Wohlgefallens (ebd.). Das sind, wie Papst Benedikt XVI. in seiner Jesus-Trilogie herausgearbeitet hat, jene Menschen, die wie Christus leben, Söhne im Sohn sind, gleichgestaltet mit Christus. Der Gedanke führt uns zurück zum Anfang des heutigen Evangeliums:
Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.
Vater und Sohn werden, so die Verheißung, Wohnung nehmen, gleich dem Geist der Wahrheit, der nicht nur bei euch bleibt, sondern auch in euch sein wird (Joh 14,17). Es gibt nur eine Bedingung: Jesus zu lieben und an Seinem Wort festhalten. Wenig später sagt es der Herr noch eindringlicher: Bleibt in meiner Liebe! (Joh 15,9). Unseren Glauben und unsere Treue lohnt der gute Gott überreich: Vater, Sohn und Heiliger Geist erfüllen den Menschen ganz. Die Allerheiligste Dreifaltigkeit nimmt ihn ganz ein, schlägt in jedem einzelnen ihr Zelt auf (so lautet die wörtliche Übersetzung des Prologs des Johannesevangeliums, die wir in der Wendung und hat unter uns gewohnt kennen [Joh 1,14]).
Kraft dieser Einwohnung des Heiligen Geistes, ja der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, können wir wirklich Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten, wie Jesus der samaritischen Frau am Jakobsbrunnen sagte (Joh 4,24). So sind wir wahre Beter (Joh 4,23). Greifen wir den Gedanken des Friedens nochmals auf und bitten wir den Herrn mit jenem tiefgründigen Gebet der hl. Elisabeth von der Hl. Dreifaltigkeit:
„Gib meiner Seele den Frieden, mache aus ihr einen Himmel, Deine geliebte Wohnung und den Ort Deiner Ruhe. Möge ich Dich dort nie allein lassen, sondern ganz und gar dort sein, ganz wach in meinem Glauben, ganz Anbetung, ganz Deiner schöpferischen Tätigkeit hingegeben.“
(vatican news - Claudia Kaminski)
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