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D: Wie kann man die Menschen wieder zum Kirchenbesuch bewegen?

Nur zehn Prozent der Gläubigen gehen sonntags zur Messe. Für den Liturgiewissenschafter Martin Stuflesser liegt das an der „heruntergefeierten" Liturgie. Auch der Kölner Liturgiereferent Alexander Saberschinsky sieht Luft nach oben. Interview mit dem Kölner Domradio erläutert er, warum er den Begriff der „heruntergefeierten Liturgie“ bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar findet. Das Gespräch führte Matthias Friebe.
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DOMRADIO.DE: Der Würzburger Litrugiewissenschafter Martin Stuflesser sagte in einem Interview mit der Münsteraner Kirchenzeitung „Kirche und Leben“, dass es ihn nicht wundere, wenn 90 Prozent nicht mehr kommen. Im Wortlaut sagt er: „Ich frage mich vielmehr, warum die zehn Prozent, die noch da sind, sich eine lieblos, ohne jede ästhetische und theologische Qualität heruntergefeierte Liturgie überhaupt noch antun.“ Heruntergefeierte Liturgie - was könnte er damit meinen?

Alexander Saberschinsky (Liturgiereferent im Erzbistum Köln): Das haben wir doch alle schon mal erlebt. Jeder Gottesdienst ist unterschiedlich, aber die Qualität der Gottesdienste, die man so erlebt, ist natürlich auch - ich sage es mal vorsichtig - sehr disparat. Ich fühle mich schon angesprochen von dem Zitat, weil ich das selber nachvollziehen kann. Da wäre mehr möglich und da bleiben wir unter unseren Möglichkeiten.

DOMRADIO.DE: Es ist alles viel zu steif und zu unmodern. Ist das der häufigste Vorwurf, den man so hört?

Saberschinsky: Das hört man als Vorwurf am häufigsten, wobei die Frage ist, ob das repräsentativ ist. Diejenigen, denen es nicht passt, melden sich natürlich eher als die, die zufrieden sind. Das Problem ist, dass wir in der Liturgie - vor allen Dingen in unserer Hochform, der Eucharistiefeier - eine vorgegebene Form haben. Die Fachleute reden vom Ritus. Die große Kunst besteht darin, diesen Ritus mit Leben zu füllen. Ihn so zu feiern, dass man ihn ernst nimmt.

Mir geht es gar nicht darum, dass wir unsere eigenen Liturgien basteln - vor allen Dingen nicht in der Eucharistiefeier. Es geht mir darum, den Ritus ernst zu nehmen, sich an ihn zu halten - mal salopp gesagt - aber dann so zu füllen, dass er dann doch lebendig wird. Und das ist tatsächlich eine Kunst. Die Fachleute sprechen da von "Ars celebrandi", also der Kunst des Feierns. Das muss man auch üben. Das fällt einem nicht in den Schoß.

„Ich erlebe ja nicht nur schlechte Gottesdienste“

DOMRADIO.DE: Es bleibt aber trotzdem noch eine Herausforderung für die Priester. Und dieser Satz ist ja eine Kritik an den Priestern, oder?

Saberschinsky: Das Problem bei so einer Kritik ist, dass es auch diejenigen hören, die es gut machen. Ich erlebe ja nicht nur schlechte Gottesdienste. Ich denke, anderen geht es genauso. Ich habe auch einen wunderbaren Fronleichnamsgottesdienst erlebt vor ein paar Tagen. Auch der Pfingstgottesdienst war wirklich erhebend - das meine ich ernst. Das nur so als Vorbemerkung für all diejenigen, die sich Mühe geben und das auch gut machen.

Trotzdem: Es gibt natürlich viele Akteure in der Liturgie, aber in der Regel sind es ja die Priester. Und da wäre es gut, zusammen zu schauen, was man anders machen kann. Bei allem Respekt. Priester zelebrieren ja jeden Sonntag mehrfach und dann noch unter der Woche - da schleicht sich auch viel Routine ein. Man kann ihnen nicht wirklich vorwerfen, dass sich Fehler einschleichen.

„Da haben wir noch Luft nach oben“

DOMRADIO.DE: Fordern Sie denn mehr Ausbildung?

Saberschinsky: Die haben ja alle eine Ausbildung. Spannender ist, was passiert hinterher. Gibt es da noch eine Fortbildung? Mal ganz ehrlich, wie verpflichtend sind denn diese Fortbildungen? Ich sage immer: Welche Firma kann es sich leisten, in ihren Kernbereichen - dazu würde ich den Gottesdienst zählen - keine fortlaufende Qualitätssicherung zu betreiben? Verpflichtend, nicht nur als Kür? Dass man sich anschaut, wie läuft das denn. Dass man kritische Rückmeldungen gibt und dass man sich in diesem Bereich fortbildet. Da könnte ich mir schon vorstellen, dass da noch was möglich ist. Da haben wir noch Luft nach oben.

DOMRADIO.DE: Der Priester feiert den Gottesdienst ja nicht für sich alleine. Da ist die Gemeinde in viel größerer Zahl vorhanden. Fehlt es auch in den Gemeinden an liturgischer Bildung?

Saberschinsky: Es ist gut, dass Sie das ansprechen, damit es nicht den Charakter einer einseitigen Schelte bekommt. Gerade nach dem Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils sind die Träger des Gottesdienstes, mit all den unterschiedlichen Rollen, alle Versammelten. Insofern ist die Frage der Kultur genauso an die normalen Gläubigen zu richten. Da braucht es auch noch liturgische Fortbildungen.

Es sind ja unglaublich viele, die noch kommen. Und wenn man mit denen ins Gespräch kommt, stößt man auf ein riesiges Interesse. Ich bin in unserem Erzbistum viel unterwegs in Sachen liturgischer Bildung. Und wie oft höre ich den Satz, auch von älteren Menschen: „Das hat uns ja nie einer gesagt.“ Das kann doch nicht sein. Da besteht der Bedarf, Dinge zu erschließen. Zu erklären, was wir dort feiern. Gerade die Messfeier ist ja eine relativ komplizierte Gottesdienstform. Da ist noch viel zu erklären und zu entdecken. Also, man kann in der liturgischen Bildung noch einiges tun. Und da sind wir auch seitens des Erzbistums dran.

„Das Geheimnis des Glaubens vermitteln“

DOMRADIO.DE: Das heißt, Ihr Terminkalender ist voll?

Saberschinsky: Ja, das ist er tatsächlich und er wird im Augenblick noch voller. Ich selber arbeite in der „Stabsstelle lokale Projekte - Bibel und Liturgie“ Ich bin die Liturgie in diesem Trio. Und wir zusammen haben eine neue Fortbildungsreihe aufgelegt, die den Gläubigen helfen soll, Liturgie zu verstehen. Da geht es auch um die Leitung von nicht eucharistischen Gottesdiensten wie der Wortgottesfeier an Wochentagen. Aber eigentlich ist das Ganze als Glaubenskurs gedacht.

Es geht nicht darum, dass wir technische Dinge vermitteln wollen - wie muss ich das machen in der Liturgie? Wir wollen vermitteln, was wir da eigentlich feiern. Theologisch gesprochen „das Geheimnis des Glaubens“. Dass man dieses Geheimnis anhand der Liturgie entdeckt und sich von dort aus erschließt, wie man es eigentlich inszenieren müsste. Mein Terminkalender wird tatsächlich voller, weil sehr viele Seelsorgebereiche und zunehmend auch Sendungsräume sich für so ein Angebot interessieren. Da sind wir sehr positiv überrascht.

DOMRADIO.DE: Viele setzen sich auch mit pastoralen Konzepten für ihre Gemeinden auseinander. Da liest man dann zur Liturgie, dass man besonders lebendig feiern will und sich etwas Besonderes vornimmt. Was ist Ihre Vision für die Zukunft: Wie kann so ein Gottesdienst aussehen? Sie haben am Anfang schon gesagt, die Form der Eucharistiefeier ist eigentlich fest geregelt.

Saberschinsky: Ja, die ist genau geregelt, aber wir müssen ja nicht nur Eucharistiefeier feiern. Also, wir müssen schon Eucharistie feiern, aber wir müssen nicht nur Eucharistie feiern. Das hat ja auch Martin Stuflesser zum Ausgangspunkt in seinem Interview genommen. Da sagt er: „Wir als Kirche können ohne die sonntägliche Eucharistiefeier eigentlich nicht existieren“. Und dann fragt er weiter: Was muss passieren, dass die Gottesdienste so gefeiert werden, dass die Gläubigen kommen?

„Da kann man auf ganz neue Ideen kommen“

Klar müssen wir bei der Eucharistie schauen, wie sie lebendig gefeiert werden kann. Aber als ersten Schritt müssten wir gucken, wie wir die Bandbreite unserer liturgischen Möglichkeiten aktivieren können - angefangen bei den klassischen Formen, die wir haben. Wir feiern ja so viel Eucharistie, dass wir sogar die Wortgottesfeier für etwas völlig Neues halten. Die ist von ihrer Idee her genauso alt wie die Eucharistiefeier, sie ist nur völlig in Vergessenheit geraten. Daneben könnten wir schauen: Was gibt es für neue Gottesdienstformen? Da gibt es einiges in unserem Erzbistum. Zum Beispiel macht der UPDATE-Gottesdienst von sich reden. Jetzt in der Sommerzeit ist von Church-Party die Rede. Solche Formate müsste man sich mal anschauen und überlegen, welches Potenzial haben die? Ich glaube, dass das, was wir dort entdecken, uns nochmal Ideen geben kann für das „klassische Programm“.

Was in diesen neuen Gottesdienstformen eine ganz große Rolle spielt, ist etwa das Leben der Menschen - so eine Art Biografie-Orientierung. Wenn wir dann auf die Eucharistie schauen, die so streng geregelt ist, dann kann das heißen: Wie können wir das, was wir in Eucharistiefeier feiern in Beziehung setzen zum Leben der Menschen? Da kann man auf ganz neue Ideen kommen. Und dann kann auch das „Geheimnis des Glaubens", dass wir in der Liturgie feiern, fruchtbar werden für das Leben der Menschen. Wenn das rüberkommt, dann werden die Kirchen voller.

(domradio.de - cs)

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25. Juni 2019, 14:57