Schönborn: Gebet für Politiker ist christlicher Grundbestand
Im Interview mit der Nachrichtenagentur kathpress und anderen Medien betonte der Kardinal, dass das Gebet für die politisch Verantwortlichen zum Kern des Christlichen gehöre.
Die Veranstaltung in der Wiener Stadthalle sei von evangelikalen Christen organisiert worden, es hätten aber auch viele Katholiken daran teilgenommen. Er sei ebenfalls einer Einladung gefolgt. Natürlich gebe es Unterschiede zwischen katholischen und evangelikalen Positionen, „und wenn wir keine unterschiedlichen Positionen hätten, dann bräuchten wir keine Ökumene, also auch nicht das Gespräch miteinander“.
Gemeinsam sei Katholiken und Evangelikalen, „dass wir natürlich für die Politiker beten“, so der Kardinal, „wenn auch nicht in jener Art wie es der evangelikale Prediger bei Kanzler Sebastian Kurz gemacht hat. Und das war dem Ex-Kanzler ja auch irgendwie sichtlich peinlich“. Auch ihm, Schönborn, wäre es unangenehm, wenn man in dieser Weise ungefragt für ihn beten würde. In Amerika sei dies gang und gäbe, „es ist halt nicht unser Stil“.
Dass Kurz aber als Politiker bei dieser Veranstaltung aufgetreten ist, sei völlig in Ordnung, unterstrich Schönborn. Auch andere Politiker seien – „so höre ich“ - eingeladen worden, dass nur Kurz gekommen sei, könne man ihm nicht zum Vorwurf machen. Auf die Frage, ob er wieder auf Einladung zu dieser freikirchlichen Veranstaltung kommen würde, sagte der Kardinal: „Natürlich“.
„Was sollen wir denn auch sonst machen, als dass wir für Politiker um Weisheit, Klugheit, Augenmaß und Gottes Segen beten?“ Das habe er etwa auch bei der neuen Regierung so gehandhabt, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Parteien bestimmen Nähe zur Kirche
Auf das Ibiza-Video angesprochen, das die Bischöfe auch in ihrer Erklärung zum Abschluss der Sommervollversammlung erwähnen, sprach Schönborn von einem „erschütternden Bild von dem, was im politischen Umfeld möglich ist“. Nachsatz: „Dass solche Gedanken überhaupt ausgesprochen werden können, macht Sorge.“
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz bekräftigte im Interview einmal mehr die Position der katholischen Kirche zu den politischen Parteien. Entgegen einer weit verbreiteten Fehlmeinung gäbe es keine Äquidistanz der katholischen Kirche zu den politischen Parteien. Schönborn verwies in dieser Hinsicht auf seinen Amtsvorgänger Kardinal Franz König. Die Parteien würden vielmehr selbst durch ihre Programme, Praxis und Personen ihre Nähe und Distanz zur katholischen Kirche bestimmen. Es gebe immer wieder Vertreter in allen Parteien, die ein Naheverhältnis zur katholischen Kirche haben und sich auch als Katholiken bekennen. Es gebe aber auch politische Positionen, „die die Kirche kritisch oder anders sieht“.
Gegen Fouls und Fake-News
Schönborn bekräftigte einmal mehr, dass die Bischöfe auf einen fairen Wahlkampf drängen, „ohne Fouls und Fake-News und hoffentlich in einer behutsamen Sprache“. Als wichtige politische Themen nannte er u.a. die Bekämpfung der Armut im Land und mehr Solidarität auf europäischer wie internationaler Ebene.
Und auch die Bekämpfung des Hungers weltweit sei eine vorrangige Agenda. Aktuell würden weltweit 821 Millionen Menschen an Hunger leiden und diese Zahl sei im Steigen. Aus diesem Grund werden am Freitag, 26. Juli, bundesweit in den Pfarrgemeinden die Kirchenglocken läuten, damit auf das tägliche Sterben von Menschen an Hunger aufmerksam gemacht und zum Engagement dagegen aufrufen wird.
Kein Klimaschutz ohne Opfer
Zur Bemerkung, dass nun im Vorfeld der Nationalratswahl scheinbar alle Parteien den Klimaschutz für sich entdeckt haben, meinte Schönborn, das sei grundsätzlich ja sehr erfreulich. Aber: Den Worten müssten Taten folgen, „und das fordert Opfer“. Ein Beispiel sei, dass es wohl eine Steuer auf Kerosin für Flugzeuge brauche, schließlich sei der Flugverkehr ein „Klimakiller Nummer Eins“. Doch: „Wer ist bereit, das politisch gegen vielfältige wirtschaftliche Interessen durchzusetzen?“ Schönborn fügte hinzu, dass er auch selbst relativ oft fliege. – „Ich will kein Heuchler sein.“
Die im kommenden Oktober im Vatikan stattfindende Amazonassynode sei ein ganz starkes weltweites Signal von Papst Franziskus, „dass die grüne Lunge der Welt nicht zerstört werden darf“. Dies hätte dramatische Auswirkungen auf die ganze Welt. Der Papst räume einer ganzheitlichen Ökologie höchste Priorität ein, so der Kardinal: „Diese Synode betrifft die ganze Welt. Hier ist Papst Franziskus prophetisch.“
Auf Nachfrage zeigte sich Schönborn überzeugt, dass bei der Synode auch neue Zugänge zum Priesteramt zur Sprache kommen werden, weil der Priestermangel in der Amazonasregion so dramatisch sei. Er könne freilich nicht voraussagen, was dabei herauskommen werde.
Kärnten? „Das wird ein längerer Prozess“
Hinsichtlich der Situation in der Diözese Gurk bzw. der Apostolischen Visitation Anfang des Jahres durch Erzbischof Franz Lackner sagte Schönborn, dass Rom bis jetzt noch keine Konsequenzen aus dem Bericht gezogen habe. Man sei aber intensiv an der Arbeit. Schönborn wörtlich: „Ich erwarte, dass es hier zu Entscheidungen kommt. Ich haben aber auch den Eindruck, dass es ein längerer Prozess werden wird, denn Heilung braucht Zeit und Geduld.“ Alle offenen Fragen müssten ehrlich und ohne Scheuklappen angegangen werden. Er hoffe auch sehr, dass es bald einen Bischof in Kärnten geben wird. Das werde vermutlich aber noch einige Monate dauern.
Skeptisch zu KAICIID-Schließung
Sehr skeptisch hat sich Kardinal Christoph Schönborn zu der im österreichischen Parlament beschlossenen „Schließung“ des in Wien ansässigen „König Abdullah Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ (KAICIID) gezeigt. Das KAICIID „hat sicherlich nicht schlecht gearbeitet“, hielt der Kardinal fest. Ein wesentliches Kriterium seien für ihn dabei die Bischöfe aus dem Nahen Osten, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Diese hätten sich immer wieder sehr positiv hinsichtlich der Einrichtung ausgesprochen: „Sie wissen aus eigener Erfahrung vor Ort, wie wichtig der interreligiöse Dialog ist und wie wichtig das Bauen von Brücken ist.“ Er hoffe sehr, so der Kardinal, „dass diese Brücken jetzt nicht vorschnell abgebrochen werden“.
Das KAICIID wurde Ende 2012 von Österreich, Spanien, Saudi-Arabien gegründet und wird von den Saudis größtenteils finanziert. Die entsprechenden Abkommen, die die Etablierung des „Dialogzentrums“ ermöglichten, waren 2012 vom Nationalrat abgesegnet worden. Seit seiner Gründung ist auch der Heilige Stuhl als Ständiger Beobachter in die Arbeit des Dialogzentrums strukturell eingebunden.
Heiliger Stuhl ist Ständiger Beobachter im Dialogzentrum
Das KAICIID ist eine internationale Organisation, die auf völkerrechtlicher Basis und nach völkerrechtlichen Prinzipien arbeitet. Geleitet wird das KAICIID von einem multireligiösen Direktorium, dem Vertreter von Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören.
Österreich kann das Dialogzentrum nicht ohne Zustimmung der beiden anderen Gründerstaaten, Saudi-Arabien und Spanien, auflösen. Der Gründungsvertrag des „König-Abdullah-Zentrums für Interkulturellen und Interreligiösen Dialog“ verlangt dafür die Einstimmigkeit aller Vertragsparteien. Ihren Austritt aus dem Zentrum kann die Republik Österreich aber jederzeit deponieren und sich mit einer Frist von drei Monaten aus der Organisation zurückziehen. Auch das zwischen Österreich und dem KAICIID geschlossene Amtssitzabkommen kann einseitig gekündigt werden. Der Vertrag würde in einem solchen Fall sechs Monate später außer Kraft treten.
(kap – sk)
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