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Pater Max Cappabianca, katholische Studentenseelsorge Berlin Pater Max Cappabianca, katholische Studentenseelsorge Berlin 

Unser Sonntag: Der Menschensohn muss vieles erleiden

Wer hätte gedacht, dass auch Jesus sich darum sorgt, was die Leute von ihm denken? Aber genau von einer solchen Episode berichtet das Evangelium von diesem Sonntag. Jesus war mit seinen Jüngern und betete für sich allein, als er sie frug: „Für wen halten mich die Leute?“ Das ist gerade in den Social Media wie Facebook oder Instagram und für die sogenannten Influencer eine zentrale Frage.

23. Juni - 12. Sonntag im Jahreskreis  - Lk 9, 18-24 

Unser Sonntag - zum Nachhören:

Liebe Schwestern und Brüder,

wir leben in einer Zeit, in der es immer wichtig wird, darauf zu achten, was die Leute von einem halten. Nicht dass das früher anders gewesen wäre, aber die modernen Medien verstärken diese Tendenz. Zeitschriften und Fernsehen fördern schon lange die Promi-Kultur: Das breite Publikum ist neugierig und will am Leben von Stars und Sternchen teilhaben.

Forciert wird das ganze nun durch Facebook, Instagram und andere soziale Medien. Hier kann jeder zum Promi werden, wenn er oder sie sich nur geschickt genug präsentiert. Inzwischen ist das ein ganz eigener Markt geworden, und es gibt Menschen, die verdienen daran, dass Leute ihnen als „Follower“ „folgen“ und bei dieser Gelegenheit Produkte platzieren. Und andere verdienen daran, solche neuen Internet-Stars zu beraten und sie anzuleiten, wie sie sich am besten vermarkten in einer digitalen Welt, die um die Aufmerksamkeit der „User“ buhlt.

Wer hätte gedacht, dass auch Jesus sich darum sorgt, was die Leute von ihm denken? Aber genau von einer solchen Episode berichtet das Evangelium von diesem Sonntag. Jesus war mit seinen Jüngern und betete für sich allein, als er sie frug: „Für wen halten mich die Leute?“ Die Jünger antworten ihn dann mit einer ganzen Reihe von Mutmaßungen, die damals offenbar geläufig waren: Johannes den Täufer, Elíja, einer der alten Propheten, der auferstanden ist…

Der Traum vom Messias

In diesen Antworten spiegelt sich die religiöse Situation der damaligen Zeit wider! Johannes, Elias und die Propheten: Sie stehen für das Bedürfnis der damaligen Menschen nach Botschaften, die eine Umwälzung der damaligen Verhältnisse ankündigen. Die Stimmung war aufgeheizt, denn ein Ende der römischen Besatzung war nicht abzusehen, dabei träumte das auserwählte Volk von einer politischen Neugeburt, um die alte Größe Israels wiederzugewinnen. Sie erwarteten einen Messias, der ein neues Königtum aufrichten würde.

Und in diese aufgeheizte Stimmung geriet Jesus! War er der Messias, den die Juden erwarteten? Oder war er nur ein Prophet, der ihn ankündigt? Er schien eine besondere Macht zu haben, denn er heilte die Menschen und wirkte Zeichen und Wunder, wie man sie sich von einem solchen endzeitlichen König erwartete.

Ich habe mich oft gefragt, warum Jesus diese Fragen stellt: Für wen halten die Menschen mich? Und für wen haltet ihr mich? Es war sicherlich nicht als Quizfrage gemeint; auch hatte Jesus sicher nicht die Absicht, den Oberlehrer zu spielen. Ich glaube auch nicht, dass Jesus um seinen Ruf besorgt war und ähnlich wie ein Influencer auf Instagram sein „Image“ unter Kontrolle behalten wollte.

Warum Jesus ein Geheimnis um sich macht

Ich glaube vielmehr, dass aus seiner Frage die Enttäuschung spricht, dass die Menschen ihn nicht erkennen! Dass das Volk Israel, zu dem er sich gesandt weiß, nicht versteht, dass Jesus Gottes Sohn ist und die Mission hat, die Verhältnisse zu revolutionieren, aber ganz anders als in den politischen Fantasien der Massen!

Es mag für ihn ein Trost gewesen sein, dass Petrus auf die Frage „Für wen haltet ihr mich“ antwortet: „Für den Christus Gottes.“ Das heißt wörtlich für den Messias Gottes, eben den, den die Propheten angekündigt hatten und den die Menschen so sehnlichst erwarteten. Petrus antwortet also „richtig“! Er erkennt Jesus in seiner göttlichen Autorität. Doch Jesus gebietet seinen Jüngern zu schweigen und nichts zu sagen.

„Der Mob wandte sich gegen ihn und brachte ihn ans Kreuz“

Andere interpretieren das Schweigegebot vom Kreuzestod her. Jesus wusste, wie anstößig ein Messias wäre, der nicht stark ist, der keine politische Macht hat, der nicht die Gewalt hat, die Feinde zu bezwingen. Daher bevorzugte er es, die Wahrheit seiner Identität zurückzuhalten, weil das sonst zu Protesten geführt hätte. Und so kam es ja schließlich auch: Der Mob wandte sich gegen ihn und brachte ihn ans Kreuz! Wie ein Verbrecher wurde er behandelt und sah so ganz anders aus, als man sich den künftigen Herrscher des jüdischen Volkes vorstellte.

Diese Interpretation wird vom heutigen Evangelium gestützt, denn unmittelbar nach dem Schweigegebot spricht er das Schicksal an, das ihn ereilen würde: „Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden.“

Eine dritte Interpretation betont noch einen anderen Aspekt: Nämlich, dass es letztlich gleichgültig ist, was man über Jesus denkt und wofür man ihn hält, sondern das allein zählt, dass man ihm nachfolgt. Jesus kann man nur erkennen in der „richtigen“ Praxis und nicht durch die „richtige“ Lehre. Und tatsächlich sagt Jesus in dem heutigen Text: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“

Sein Christusbild entdecken

Ich glaube, von diesem Evangelium gehen zwei Impulse aus: Zum ersten lohnt es sich einmal darüber nachdenken, welches Christusbild ich habe. Natürlich versuchen wir in unserm geistlichen Leben immer vertrauter mit Jesus zu werden. Jedes Gebet zu Jesus, jede Schriftbetrachtung, jede Christus-Meditation ist ein Weg, immer vertrauter mit dem Sohn Gottes zu werden und ihn so besser kennenzulernen. Trotzdem kann es sinnvoll sein, sozusagen einen Schritt zurückzugehen und von Jesus sich die Frage stellen zu lassen: Für wen hältst du mich?

Im Gebet können da einige Überraschungen auf uns warten: Positive wie negative. Vielleicht merken wir beispielsweise, dass wir uns ein Wunschbild zurechtgelegt hatten; dass wir von Jesus nur die Seiten sehen, die in unsern Erwartungshorizont passen, nur das wahrnehmen, was uns in den Kram passt. Vielleicht zeigen sich aber noch ganz andere Seiten an Jesus, die wir bisher noch nicht wahrgenommen hatten. Dann entdecken wir ihn ganz neu und nehmen wahr, dass ein noch viel größerer Reichtum in ihm ist, der uns noch mal ganz neu den Weg zum Vater weist.

„Jesus hinterhergehen“

Zum zweiten kann es aber genauso sinnvoll sein, sich von all diesen Überlegungen zu lösen und nicht zu viel Zeit zu verschwenden in intellektuellen Selbstgesprächen, die uns letztlich auf dem Weg der Nachfolge keinen Schritt weiterbringen.

Tatsächlich ist der christliche Glaube eine Religion der Tat und nicht so sehr der Lehre! Christ wird man nur, indem man sich auf den Weg macht – biblisch gesprochen umkehrt und Jesus nachfolgt – oder wie es in der neuen Übersetzung so schön heißt „ihm hinterhergeht“. Daher meint das Wort „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst“ nicht so sehr asketische Übungen als Selbstzweck, sondern vielmehr den Mut, die eigenen Vorstellungen fahren zu lassen und darauf zu vertrauen, dass uns Gott auf den rechten Weg führen wird.

Man darf auch Looser sein 

Übrigens verliert dann auch die Frage nach dem an Interesse, was die Menschen von mir halten. Ich brauch‘ nicht zu wissen, was die Leute von mir denken, denn letztlich ist das gleichgültig! Es braucht natürlich Mut dazu, aber die Erfahrung ist, dass die Kraft wächst, wenn man denn mal losgeht; und dass man auch um diese Kraft und Freiheit beten kann. Das Evangelium endet mit einer großen Ermutigung: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; er aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“

Man darf also durchaus ein „Looser“ sein und nicht an den eigenen Vorstellungen, an den eigenen Projekten und Ideen festhalten. Dann schafft man Raum für Gottes Wirken und lässt sich von Ihm in den Blick nehmen, der so ganz anders über uns Menschen urteilt, als wir Menschen es tun.

(vatican news - claudia kaminski)

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22. Juni 2019, 11:21