Unser Sonntag: Jesus beim Beten „über die Schulter schauen"
Pater Max Cappabianca - Vatikanstadt
7. Sonntag der Osterzeit, Joh 17, 20-26
Ich begleite derzeit eine junge Frau, die katholisch werden möchte, und im Rahmen der Vorbereitung auf die Konversion und die Firmung haben wir über Jesus gesprochen und über das Gebet. Dabei tauchte die Frage auf, zu wem man eigentlich betet, wenn man betet. Zu Gott: Das ist klar! Das tun auch Anhänger anderer Religionen. Aber zu Jesus? Die junge Frau sagte, sie spreche eher mit Gott, und an Jesus wende sie sich eher nicht im Gebet.
Wir haben uns dann über unser Gottes- und Jesusbild ausgetauscht und kamen auch auf Don Camillo und Peppone zu sprechen: Der italienische Pfarrer, der im Dauerstreit mit dem kommunistischen Bürgermeister seines Dorfes liegt und immer wieder mit dem Gekreuzigten redet, der zu ihm spricht wie ein älterer Bruder: Ein Jesus, der ihn manchmal richtig zur Rede stellt und tadelt, dabei aber immer barmherzig ist. Don Camillo hingegen ist ein Schlitzohr mit vielen Schwächen, aber doch zutiefst menschlich.
Betet man so zu Gott? Wie Don Camillo zum Kruzifix?
Das heutige Sonntagsevangelium zeigt uns Jesus als Beter: „In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach: Heiliger Vater, ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.“ Es sind nicht so viele Stellen im Evangelium, bei denen man Jesus beim Beten sozusagen über die Schulter schauen kann. Diese hier ist eine und man kann hier viel darüber lernen, was christliches Beten bedeutet!
„Alle sollen eins sein. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ So betet Jesus. Es geht ihm also um die Einheit – eine geheimnisvolle Einheit Jesu mit Gott, dem Vater: Und in die sollen wir hineingenommen werden, „damit die Welt glaubt.“
Man könnte sich fragen, ob schon Jesus ahnte, dass die Christen manchmal dazu neigen, sich vor allem mit sich selber zu beschäftigen und miteinander zu streiten. Dann wäre das mit der Einheit nur ein frommer Wunsch und angesichts des Streits in unserer Kirche heute nichts anderes als eine Mahnung, sich ein wenig zusammenzureißen! Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Zwar wird der Verfasser des Johannesevangeliums, aus dem wir heute einen Abschnitt gehört haben, durchaus auch die Spannungen im Blick gehabt haben, die es schon seit frühester Zeit in den christlichen Gemeinden gab. Aber es geht hier um etwas anderes: Es geht um die Verbindung, die Jesus mit Gott dem Vater hat.
„Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir.“ „Damit sie eins sind, wie wir eins sind“: Das ist der erste entscheidende Aspekt im christlichen Gottesbild: Jesus ist eine besondere Gestalt, ja! Ein Vorbild, wie viele Vorbilder der Menschheitsgeschichte auch. Aber wir glauben, dass da noch mehr ist, dass da eine geheimnisvolle Einheit zwischen ihm und Gott herrscht, die einmalig ist und ihn unterscheidet von allen anderen religiösen Gestalten. In ihm zeigt sich Gott selbst. Woran wird das deutlich? An der Herrlichkeit! Im Evangelium heißt es nämlich: „Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast.“: Das Wort Herrlichkeit bezeichnet immer die Erscheinung des Göttlichen und ist etwas, was unsere Existenz übersteigt.
Das Herz christlicher Jesus- und Gebetsmystik
„Ich in ihnen und du in mir.“ Indem wir mit Jesus verbunden sind, ist Gott in uns gegenwärtig – nicht irgendwie und irgendwo, sondern in diesem Jesus, dem wir als Christuen nachfolgen. Ich gebe zu: Das klingt alles sehr spekulativ. Und tatsächlich sind dies theologische Wahrheiten, die man nicht beweisen kann wie eine naturwissenschaftliche Tatsache oder eine philosophische Hypothese. Für uns bezeichnen die Worte des Johannesevangeliums das Herz christlicher Jesus- und Gebetsmystik! Letztlich bedeutet beten nichts anderes als in Jesus sein und Jesus in sich lebendig werden lassen. Und indem wir in Jesus sind und er in uns, stehen wir in Verbindung zur Quelle und zum Ursprung : Gott selbst.
Wir gehen mit großen Schritten auf das Pfingstfest zu, das Fest des Heiligen Geistes. Wir Christen glauben, dass er das Bindeglied ist zwischen Vater und Sohn. Wie können wir in Jesus sein und er in uns? Und wie können wir darin mit Gott verbunden sein? Die Antwort ist: Im Heiligen Geist. Es gibt viele Bibelstellen, die das Geheimnis des Heiligen Geistes aufzeigen, auch wenn geschichtlich erst später eine Theologie des Heiligen Geistes entwickelt wurde: Wir glauben an einen dreifaltigen Gott. Ein Gott - aber in drei Personen, die in jeweils unterschiedlichen Aspekten die Wahrheit Gottes offenbaren!
Für das Gebet bedeutet das ganz praktisch, dass wir immer im Heiligen Geist beten! Ohne geht das gar nicht. Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen. Es entlastet; aber es zeigt auch die große Würde, die wir dem Gebet zuerkennen. Der Heilige Geist macht, dass Christus in uns ist und wir, wie Jesus selber, mit Gott dem Vater eins werden. Deswegen können wir unser Gebet auch an Jesus richten, und sogar an den Heiligen Geist.
Beten ist ein Abenteuer
Wem das noch zu abstrakt ist, der sei auf die letzten Verse der heutigen Perikope verwiesen: „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.“ Tatsächlich ist dieses menschliche Gefühl der Liebe dasjenige, das am besten ausdrückt, wie Gott sich uns gegenüber verhält. Und wie wir auf diese Zuwendung Gottes zu uns Menschen reagieren können: mit Liebe. In diesem Sinne ermutige ich Sie, sich einmal wieder bewusst zu werden, wie Sie beten. Ob wie Don Camillo vor dem Kreuz oder in mystisches Schweigen gehüllt – so wie es viele geistliche Lehrer gelehrt haben.
Lassen Sie sich dabei immer vom Beten Jesu leiten, und machen Sie sich bewusst, dass Sie alles in Ihm tun. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir. (Apg 17,28). Wir sind von Gottes Art, sagt Paulus auf dem Aeropag und meint genau das! Beten ist ein Abenteuer – und ich wünsche Ihnen viel Freude auf diesem Weg, der sie immer näher zu Gott führen wird, der die Liebe ist.
(vatican news - claudia kaminski)
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