Maria 2.0: Für Vielfalt und Gleichberechtigung
Viktoria Michelt - Vatikanstadt
Menschen sollen nicht ausgeschlossen werden, weil sie ein anderes Geschlecht haben, die „falschen" Menschen lieben oder auf eine Biografie mit Brüchen zurückblicken, sagt uns die Initiatorin von Maria 2.0. „Es gibt viele Dinge, die die Kirche uns als Wahrheit entgegenhält. Aber wenn man diese Wahrheit nicht leben kann, weil man einfach anders gestrickt ist, dann ist es schwierig, Heimat in dieser Kirche zu finden und sich wirklich willkommen zu fühlen.“
Für sie sei der Grundgedanke des christlichen Glaubens Nächstenliebe und Gottesliebe, sagt Andrea Voß-Frick. Und diese doppelte Liebe sollte wieder glaubhafter gelebt werden. Zu viele Menschen seien in der katholischen Kirche ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt: wiederverheiratete Geschiedene oder Menschen, die eine andere Form von Sexualität leben. Maria 2.0 wünscht sich da Gleichberechtigung - und ist mit diesem Anliegen nicht allein. In kürzester Zeit hat die Aktion zahlreiche Anhänger gefunden. Mehr als 34.000 Menschen haben die Online-Petition bis Ende Juli 2019 unterschrieben.
Anlehnung an Maria, die Mutter Jesu
Dabei lehnt sich die Idee von Maria 2.0 an die Gottesmutter Maria an, die von der Kirche vorwiegend als demütig und schweigend dargestellt ist. Doch Andrea Voß-Frick erklärt, dass sie Maria wieder so sehen sollte, wie sie ursprünglich ist. Schließlich musste Maria gegenüber Gott aktiv einwilligen, die Mutter Jesu zu werden – zu der Zeit eine mutige Entscheidung, da uneheliche Schwangerschaften auch mit Steinigung bestraft werden konnten. Und auch später erwies sie sich als gute Lehrerin und Erzieherin für Jesus. „Wir sehen in Maria daher ein sehr positives und starkes Frauenbild, das die Kirche über Jahrhunderte leider anders verstanden hat. Man kann immer nur von der eigenen Zeit aus auf die Dinge schauen und sich dadurch weiterentwickeln und lernen“, sagt die Münsteranerin.
Hoffnung auf Veränderung nicht aufgeben
Der Weg zu einer wirklichen Veränderung ist lang, die Schritte dahin scheinen klein zu sein. Doch Andrea Voß-Frick und ihre Mitinitiatorinnen wollen die Hoffnung nicht aufgeben und sich in Geduld üben. „Dass wir aus der strikten Hierarchie der Kirche keine rasanten Veränderungen erwarten können, ist allen klar. Wenn es dann doch passiert, ist es umso schöner. Aber im Moment ist es wichtiger zu zeigen: Wir sind alle Kirche und wir können Kirche auch für uns von unten verändern.“ Sie ermutigt mit ihrer Aktion die Menschen in den Gemeinden, offener mit den Schwierigkeiten der Kirche umzugehen. Und inzwischen erfährt Andrea Voß-Frick immer wieder von ähnlichen Aktionen in anderen Ländern – wie etwa Frankreich, Österreich, Schweiz oder USA. „Man hört voneinander, und das ist gut“, so die Münsteranerin.
Von den deutschen Bischöfen indes kommen allerlei vage Stellungnahmen über die Anliegen von Maria 2.0 - und einige große „Aber". Wenige Diözesen in Deutschland seien wirklich auf dem Weg, die Kirche zu verändern, merkt Andrea Voß-Frick an. „Die Mehrheit schweigt - das ist oft so in der Gesellschaft, das ist ja nicht nur ein kirchliches Phänomen. Ich glaube tatsächlich, dass das viel mit Angst und Vorsicht zu tun hat.“ Die Kirche sei ein sehr hierarchisches System, in dem viele nach oben schauen und abwarten, wie sich die Machtverhältnisse verändern und welche Ansicht sich dort durchsetzt.
Der Synodale Weg soll Ergebnisse bringen
Andrea Voß-Frick wünscht sich, dass der Synodale Weg die Zukunft der Kirche in Deutschland wirklich beeinflussen möge. „Ich hoffe sehr, dass das nicht nur ein Reden sein wird, wie es in den letzten Jahrzehnten oft war, sondern dass es bei dieser Möglichkeit Ergebnisse geben wird, die in den Bistümern konkret umgesetzt werden. Denn es gibt viele Dinge, die auf Ebene der Bischofskonferenz geregelt werden können, ohne dass gleich die Weltkirche eingreift und es überall einheitlich macht.“
Ihrer Meinung nach könne man in jeder Ortskirche schauen, wie die Ansichten der einzelnen Bischofskonferenzen vor Ort sind und wie weit Veränderungen da umgesetzt werden können. Die gemeinsame Kommunion von Protestanten und Katholiken, die Kommunion von wiederverheirateten Geschiedenen oder die Priesterweihe von Männern, die nicht zölibatär leben, sich aber in der Gemeinde bewährt haben – all diese Fragen sind, so sieht es zumindest Andrea Voß-Frick, in der Kirche auf Länderebene individuell lösbar.
Frauenfrage liegt in den Händen des Vatikans
Die Frauenfrage jedoch gehöre für sie nicht in die Länderebene. Das sei eine Frage, die weltkirchlich, am Heiligen Stuhl, gelöst werden müsse. Umso wichtiger sei deswegen, immer wieder Signale nach Rom zu senden. Zu Beginn ihrer Aktion Maria 2.0 schrieben die Initiatorinnen bereits einen offenen Brief an den Papst. „Die Frauenfrage wird sehr oft in den Vordergrund gestellt, weil es gesellschaftspolitisch die brisanteste Frage ist – und kirchenpolitisch die am schwierigsten zu lösende“, so Voß-Frick.
Doch an diesem Punkt macht sie sehr deutlich klar: Dinge sind änderbar. Sie findet, die katholische Kirche sollte als leuchtendes Beispiel vorangehen und den Weg weisen. Die Amazonas-Synode im Oktober sei ein guter Anfangspunkt, ein Signal zu senden, dass Frauen überall auf der Welt mehr Rechte brauchen.
Der Dialog mit Kritikern
Zunächst stehen für Andrea Voß-Frick vor allem zwei Aspekte im Vordergrund: Akzeptanz für Vielfalt und Dialog mit anderen. Auch mit Andersdenkenden möchten die Maria 2.0-Initiatorinnen in einen Austausch treten. Wie etwa mit der Bewegung Maria 1.0, die sich Mitte Mai im Bistum Augsburg gegründet hat und sagt: „Maria braucht kein Update!" Die Initiatorin von Maria 1.0, Johanna Stöhr, ist der Ansicht, die Gläubigen sollten mehr glauben und mehr beten, einen Strukturwandel in der Kirche sieht sie als nicht vorranging. Inzwischen haben sich 1.600 Unterstützer (Stand Ende Juli 2019) der Bewegung Maria 1.0 angeschlossen, also etwa fünf Prozent der Unterstützer für Maria 2.0.
Andrea Voß-Frick würde sich über Begegnung und Austausch mit der konservativeren katholischen Frauenbewegung freuen. Bisher ist es nicht dazu gekommen. „Zum einen findet kein direkter Dialog statt, was ich schade finde, weil wir sind ja sehr auffindbar und ansprechbar. Es hat auch Medienanfragen zu einem Streitgespräch mit Maria 1.0 gegeben, wo wir gesagt haben: Machen wir gerne. Von der anderen Seite war das wohl nicht gewünscht gewesen. Und das bedaure ich dann, weil wir immer offen für einen Dialog und Auseinandersetzungen sind und einfach auch Argumente austauschen könnten."
Denn ein großes Verständnisproblem bleibe für Andrea Voß-Frick weiterhin bestehen: „Ich frage mich immer, warum unter dem großen Dach der Kirche nicht Vielfalt möglich sein soll. Mit der Aktion Maria 2.0 möchten wir ja gerade zeigen, dass Kirche ein solcher Ort der Vielfalt sein kann und keinem Menschen seine Wahrheit absprechen. Wer Maria ganz traditionell betrachten und anbeten oder zum Beispiel eine Messe im alten Ritus feiern möchte, soll dies doch tun können." Umgekehrt möchten die Frauen von Maria 2.0 ihre Sicht auf die Wahrheit auch nicht abgesprochen bekommen.
Die Aktionen gehen weiter
Für Andrea Voß-Frick und die übrigen Initiatorinnen geht es schon bald weiter: Ab dem 23. September finden zusammen mit der kfd - der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands - erneut Aktionen und Gottesdienste draußen auf den Kirchplätzen statt. „Wir müssen ein Zeichen setzen, dass diese Kirche Veränderung braucht und dass wir unsere Wünsche ernst meinen“, sagt Andrea Voß-Frick.
(vatican news - vm)
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