D: Richard Henkes selig gesprochen
An dem feierlichen Gottesdienst in der romanischen Basilika nahmen etwa tausend Menschen teil, darunter viele aus Polen und der Tschechischen Republik. Henkes hat sich in Dachau freiwillig um Typhuskranke gekümmert und ist am 22. Februar 1945 selbst an der Krankheit gestorben.
Kardinal Koch erklärte in seiner Predigt, Henkes habe sich im KZ mutig und selbstlos für Menschen eingesetzt, die keine Hoffnung auf Überleben hatten. Mit seinem Gottvertrauen und seiner Opferbereitschaft habe er das christliche Menschenbild gegen die Ideologie der Nationalsozialisten verteidigt: „Auch an dem menschenverachtenden Ort hat er seine Glaubensüberzeugung bewahrt und seinen christlichen Dienst an den an Typhus erkrankten Menschen ausgeübt“, so der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates. Der 21. Februar ist künftig der Gedenktag für Henkes.
Märtyrer aufgrund von „Hass auf den Glauben“
Henkes wurde in Ruppach im Westerwald geboren und 1925 in Limburg zum Priester geweiht. Ab 1931 arbeitete er als Prediger und Exerzitienleiter in Oberschlesien. Mehrmals wurde er wegen regimekritischer Predigten bei der Gestapo angezeigt. Im April 1943 positionierte er sich gegen den Abtransport von Kranken aus der örtlichen Heilanstalt und nannte das Vorgehen Mord. Er wurde wegen „Aufwiegelung des Volkes von der Kanzel“ verhaftet und schließlich ins KZ Dachau gebracht. Das Verfahren zur Seligsprechung wurde 2003 vom damaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus eröffnet. Im Dezember 2018 folgte Papst Franziskus der Empfehlung und erkannte Henkes als Märtyrer aufgrund von „Hass auf den Glauben“ an.
(vatican news - sk)
Kardinal Koch hat uns seine Predigt bei der Seligsprechung zur Verfügung gestellt. Hier finden Sie den vollen Wortlaut.
„Die Seligen und Heiligen sind die Antworten Gottes auf die Fragen von uns Menschen. Und sie sind die besten Exegeten des Evangeliums. Denn sie haben das Wort Gottes nicht nur gelesen und interpretiert; sie haben es vor allem mit ihrem eigenen Leben bezeugt. Dies gilt in besonderer Weise vom seligen Pallottinerpater Richard Henkes, der sich während der Typhusepidemie, die im Konzentrationslager Dachau im Übergang zwischen den Jahren 1944 und 1945 ausgebrochen war, in den Quarantäneblock 17 freiwillig einschliessen liess, um die von dieser schweren Krankheit betroffenen Häftlinge zu pflegen, der sich dabei infiziert hat und am 22. Februar 1945 in Dachau gestorben ist. Die Lebenshingabe von Pater Henkes bis zum Tod für andere Menschen hat Papst Franziskus als Martyrium anerkannt; und der Heilige Vater hat entschieden, dass Pater Henkes seliggesprochen wird. Pater Henkes steht vor uns als Märtyrer der Nächstenliebe, der sein Leben als Opfer für Christus hingegeben und damit Anteil am Kreuz Jesu Christi erhalten hat.
Das Kreuz Jesu als Liebesbeweis Gottes
Es ist von daher ein ebenso schönes wie sinnvolles Zusammentreffen, dass die Seligsprechung von Pater Henkes am Fest der Kreuzerhöhung, das in der Diözese Limburg als besonderes Bistumsfest begangen wird, gefeiert werden kann. Denn Pater Henkes ist ein besonders glaubwürdiger Exeget der Verkündigungstexte des heutigen Festes, das uns das Kreuz Jesu als Zeichen der grenzenlosen Liebe Gottes zu uns Menschen nahebringt. Der Evangelist Johannes verdichtet das Geheimnis des Kreuzes Jesu Christi in dem wunderbaren Spitzensatz: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Das Kreuz ist die Erscheinung der grössten Liebe Gottes zu uns Menschen. Und es ist das deutlichste Zeichen dafür, dass Jesus sich nicht bloss mit verbalen Liebeserklärungen an uns Menschen begnügt, dass er vielmehr einen sehr hohen Preis für seine Liebe bezahlt hat, indem er am Kreuz in Liebe sein Herzblut für uns Menschen investiert und uns das kostbarste Geschenk, das ewige Leben, gegeben hat.
Das Kreuz Jesu ist keineswegs, wie heute selbst nicht wenige Christen meinen, ein Gegensatz zur Liebe Gottes und kein Widerspruch zur Würde des Gottessohnes, sondern die glaubwürdige Darstellung seiner Liebe zu uns Menschen und zu seiner ganzen Schöpfung. Der Evangelist Johannes nimmt die in der alttestamentlichen Lesung berichtete Geschichte vom Aufhängen der Schlange aus Kupfer an einer Fahnenstange durch Mose als Vorausbild dafür, dass auch die Erniedrigung Jesu in seinem Leiden und Sterben bereits Erhöhung ist: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 14-15). Das Kreuz Jesu schenkt uns die wunderschöne Botschaft: Wer bis in den Tod hinein von Jesus Christus geliebt ist, der darf sich wirklich geliebt wissen und über dieses Geschenk der Erlösung froh werden. Denn in der Liebe Jesu am Kreuz sind wir erlöst von unseren Sünden; und seine Liebe ist der Wärmestrom der Erlösung, nämlich des Geschenks des ewigen Lebens.
Das heutige Kreuzfest lädt uns ein, im Geheimnis der Kreuzesliebe Jesu noch tiefer zu bohren. Aus eigener Erfahrung wissen wir alle, dass es Liebe nicht ohne Opfer und nicht ohne Leiden geben kann. Dies gilt zumal im Licht des christlichen Glaubens, in dem das Opfer seinem tiefsten Wesen nach nicht mit dem Bösen und der Sünde verbunden ist, sondern mit der Liebe. Denn Liebe gibt es nicht ohne Opfer; Liebe als Hingabe des eigenen Lebens für Andere ist Opfer. Dieses Liebesopfer hat Jesus am Kreuz für uns Menschen dargebracht, indem er die an ihm geübte Gewalt in Liebe für uns Menschen umgewandelt hat. Die Passion Jesu ist das Ur-Martyrium und zugleich das Urbild des Martyriums der ihm Nachfolgenden, die Anteilhabe am Kreuzesgeheimnis Jesu erhalten haben.
Martyrium als höchster Akt der Liebe
Dieser Zusammenhang ist im Martyrium von Pater Henkes sichtbar geworden. Wie Jesus Leiden und Kreuz nicht gesucht, sondern sich am Willen Gottes für das Leben der Menschen orientiert hat und wegen seiner Liebe zu uns Menschen getötet worden ist, so hat auch Pater Henkes das Martyrium keineswegs gesucht, sondern er hat es als Konsequenz seiner Treue zu seinem katholischen Glauben frei und freiwillig auf sich genommen. Darin besteht die Authentizität seines Glaubenszeugnisses. Denn die christliche Tradition hat die Sehnsucht eines potenziellen Märtyrers nach seinem Getötetwerden geradezu als Infragestellung des Martyriums betrachtet. Das christliche Martyrium ist keineswegs von Todessehnsucht und Lebensverachtung geprägt; sein entscheidendes Merkmal ist vielmehr die Liebe. Das christliche Martyrium ist nur echt, wenn es als höchster Akt der Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern verwirklicht wird, wie das Zweite Vatikanische Konzil hervorgehoben hat: „Das Martyrium, das den Jünger dem Meister in der freien Annahme des Todes für das Heil der Welt ähnlich macht und im Vergiessen des Blutes gleichgestaltet, wertet die Kirche als hervorragendes Geschenk und als höchsten Erweis der Liebe.“ (Lumen Gentium)
Wie Jesus hat auch Pater Henkes in seinem Glauben darum gewusst, dass es Liebe nicht ohne Opfer geben kann. Von dieser Überzeugung ist seine Spiritualität als Priester geprägt gewesen. Bereits vor seiner Priesterweihe hat er die Worte niedergeschrieben: „Ich will in der Hauptsache Opferpriester werden, Kreuzträger für andere.“ Diese Überzeugung, die er kurz vor seiner Weihe zum Ausdruck gebracht hat, ist im Konzentrationslager Dachau harte Realität geworden. Denn auch an diesem menschenverachtenden Ort hat er seine Glaubensüberzeugung bewährt und seinen christlichen und priesterlichen Dienst an den an Typhus erkrankten Menschen ausgeübt. Sein Leben in Dachau, zunächst auf der Plantage, dann im Postdienst, anschliessend beim Desinfektionskommando und schliesslich beim Krankendienst im Block 17 ist ein glaubwürdiges Zeugnis seiner Lebenshingabe bis zum Tod, indem er vor allem ein Beispiel der Liebe bis zur Ganzhingabe seiner selbst für die Kranken ohne Hoffnung auf Überleben gegeben hat.
Das Martyrium von Pater Henkes ist freilich nicht zu verstehen ohne seine tiefe Verwurzelung im katholischen Glauben. Im beschwerlichen Leben im Konzentrationslager Dachau hat er sich stets bestärken lassen im persönlichen Gebet und vor allem in der regelmäßigen Teilnahme an der Heiligen Messe. In der Eucharistie, in der wir die sakramentale Vergegenwärtigung des Liebesopfers Jesu am Kreuz feiern und Gott bitten, dass auch wir „eine Opfergabe in Christus“ werden, ist ihm die Glaubensverpflichtung bewusstgeworden, selbst eucharistische Hingabe für andere zu werden und sich als lebendige Hostie für die Menschen hinzugeben, die seine Liebe nötig haben.
Martyrium als Konsequenz gelebten Glaubens
Sein Zeugnis des Glaubens und seiner Lebenshingabe bis zum Tod wird erst voll verständlich auf dem Hintergrund seines ganzen Lebens. Pater Henkes hat mit seinen Augen des Glaubens sehr früh und klar wahrgenommen, dass die nationalsozialistische Ideologie mit dem christlichen Menschenbild schlicht nicht zu vereinbaren ist, weil sie keine menschlichen und christlichen Werte vertritt, sondern neuheidnische Ideen propagiert. Pater Henkes hat sensibel verspürt, was der Propagandaminister Goebbels in seinem Tagebuch hemmungslos notiert hat: „Der Führer ist tief religiös, aber ganz antichristlich. Er sehe im Christentum ein Verfallssymptom, eine Abzweigung der jüdischen Rasse, eine Absurdität, der er allmählich auf allen Gebieten das Wasser abgraben werde. Er hasst das Christentum, das den freien, hellen, antiken Tempel in einen düsteren Dom, mit einem schmerzverzerrten. Gekreuzigten Christus verwandelt habe.“ Angesichts dieser neuheidnischen Ideologie hat Pater Henkes geahnt, dass überall dort, wo Gott klein gemacht und aus der Öffentlichkeit verdrängt wird, auch der Mensch klein gemacht wird, wie wir dies im vergangenen Jahrhundert in den antichristlichen Diktaturen des Nationalsozialismus und des sowjetischen Kommunismus zur Genüge erfahren mussten. In seinem christlichen Glauben ist Pater Henkes überzeugt gewesen, dass nur dort, wo Gott durch uns Menschen gross gemacht wird, wie Maria dies im „Magnifikat“ exemplarisch vorgelebt hat, dass nur dort der Mensch gerade nicht kein gemacht wird, sondern an der Grösse der Liebe Gottes Anteil erhält.
Bei seinen verschiedenen Aufgaben als Lehrer und Seelsorger, als Exerzitienbegleiter und Wallfahrtsprediger in Vallendar-Schönstatt und in Oberschlesien ist Pater Henkes immer wieder in Konflikt mit den Repräsentanten des Nazi-Regimes geraten und wurde zweimal von der Gestapo verhört. Als er sich in Branitz in einer Predigt gegen das eugenische Programm der Nazis und konkret gegen den Abtransport von kranken Menschen aus den dortigen Heilanstalten gewandt hatte, wurde er von der Gestapo verhaftet, während sieben Wochen in Ratibor in Isolationshaft gehalten und zum Abtransport nach Dachau verurteilt. Im dortigen Konzentrationslager hat er die neuheidnische Ideologie der Nazis am eigenen Leib erfahren. Da seine Gefangennahme und seine Verurteilung zum Lager in Dachau von seinem Glaubenszeugnis und seinem priesterlichen Handeln motiviert gewesen ist, steht der Sachverhalt seines Martyriums aus Hass auf den Glauben („in odium fidei“) fest.
Seligsprechung als Christusverehrung
Die Fama seines Martyriums hat bereits beim Tod von Pater Henkes begonnen. Auf dem Weg der Bestechung des Krematoriumswärters durch priesterliche Mitbrüder konnte erreicht werden, dass der Leichnam von Pater Henkes einzeln verbrannt und seine Asche so geborgen werden konnte. Später wurde sie nach Limburg gebracht, wo sie im Friedhof der Pallottiner aufbewahrt ist. Wenn heute seine Reliquien im Gottesdienst erhoben worden sind, drücken wir damit unseren Glauben aus, dass Gott in seiner Liebe so treu zu uns Menschen steht, dass er sich zu unserem ganzen Menschsein und damit auch zu unserer Leiblichkeit bekennt.
Die heutige Feier der Seligsprechung ist gewiss ein Tag der Freude zunächst für die Gemeinschaft der Pallottiner und das Bistum Limburg, besonders für die Heimatpfarrei Ruppach im Westerwald, und für die Katholiken in Tschechien, wo Pater Henkes auch gewirkt hat. Es ist ein Tag der Freude für die ganze Kirche in Deutschland, indem die heutige Feier uns nahelegen will, dass die eigentlichen Reformer der Kirche die Seligen und Heiligen sind. Denn wir können in struktureller Hinsicht nur das Äusserste tun, wenn wir auch bereit sind, im Glauben das Innerste zu tun, wie Papst Franziskus in seinem Brief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ in Erinnerung gerufen hat. Und es ist ein Tag der Freude für die weltweite Kirche. Denn in Pater Richard Henkes steht ein authentischer Zeuge des Glaubens vor uns, der in seinem Gottvertrauen und in seiner Opferbereitschaft das christliche Menschenbild gegen die menschenverachtende Ideologie der Nazis verteidigt und sich für die Würde des Menschen mit jenem großem Mut eingesetzt hat, der ihm das Leben gekostet hat.
Pater Henkes ist ein Märtyrer der Nächstenliebe in tiefer Verbundenheit mit Christus. In seinem Geist begehen wir das heutige Fest nur, wenn wir seine Seligsprechung als Verehrung Jesu Christi begehen. Denn der christliche Märtyrer stirbt nicht einfach für eine Idee, und sei es auch die höchste Idee der Menschenwürde. Er wird vielmehr „mit Christus gekreuzigt“ und stirbt „mit jemandem, der schon vorweg für ihn gestorben ist“ (Hans-Urs von Balthasar). In dieser Verbindung zwischen dem Kreuzestod Jesu und dem Glaubenszeugnis des Martyriums leuchtet der tiefe Sinn auf, dass wir die Seligsprechung von Pater Richard Henkes am Kreuzfest feiern dürfen, über dem der Eröffnungsvers steht: „Wir rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus. In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung und Leben. Durch ihn sind wir erlöst und befreit.“ Amen.
(vatican news – sk)
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