Die Abschlussmesse der Amazonas-Synode am Sonntag in St. Peter Die Abschlussmesse der Amazonas-Synode am Sonntag in St. Peter 

„Papst wird kaum umhin können, den Zölibat zu lockern“

Nach dem Ende der Amazonien-Synode im Vatikan liegt es nun an Papst Franziskus, seine Schlüsse aus dem vorliegenden Schlussdokument zu ziehen und den Weg für die Weihe verheirateter „bewährter Männer“ frei zu machen. Dem Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück zufolge wird der Papst dieser Empfehlung wohl auch folgen, „will er nicht als Papst der Ankündigungen in die Geschichte eingehen“.

Das meinte Tück im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress und im Ö1-Mittagsjournal.

„Der Vorschlag ist in der Tat hochinnovativ, wenn man bedenkt, dass die Bischofssynoden unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sich immer entschieden gegen eine Lockerung des Pflichtzölibats ausgesprochen haben. Papst Franziskus hat im Vorfeld der Synode gesagt, man möge ihm mutige Vorschläge machen; man hat in der Synodenaula wirklich offen diskutiert, und angesichts der pastoralen Not in der Amazonasregion ist die Mehrheit zum Ergebnis gekommen, dass man hier wirklich eine Lockerung des Pflichtzölibats angehen müsse, um eine neue Form des Amtes zu ermöglichen.“

„Der Notstand ist so groß...“

Noch Papst Paul VI. (1963-1978) habe das Thema „viri probati“ der Diskussion des Zweiten Vatikanischen Konzils entzogen. Eine Bischofssynode in den siebziger Jahren sprach sich mit knapper Mehrheit für eine Beibehaltung des Pflichtzölibats aus.

Der Synode und dem Papst gehe es sicher auch darum, den missionarisch erfolgreichen Pfingst- und Freikirchen im Amazonasgebiet etwas entgegensetzen zu können. „Franziskus wirbt für eine heilsame Dezentralisierung, für mehr Sensibilität, was geographisch heikle Gebiete betrifft. Und in der Tat ist in der Amazonasregion die Präsenz von Frei- und Pfingstkirchen eine Art Konkurrenz: Die sind vor Ort da und haben fast fünfzig Prozent der Katholiken bereits abgeworben – der Notstand ist also so groß, dass man jetzt dafür sorgen muss, dass katholische Amtsträger vor Ort sein können, um die Leute zu begleiten.“

Zum Nachhören

Ein Perspektivwechsel

Erstmals sei auf dieser Synode offen und ohne kuriale Vorgaben über das Thema diskutiert worden. Dabei gehe es nicht um eine schlichte Frontstellung zwischen „viri probati“ und dem Zölibat, sondern darum, „in großer Wertschätzung für den Pflichtzölibat zugleich Perspektiven vor Ort zu eröffnen“, so Tück.

Zur Kritik, hier werde der Zölibat aufgeweicht, sagte der Dogmatiker: „Die Warner haben im Blick, dass hier westliche Reformwünsche auf die Amazonassynode projiziert werden. In der Tat hat die Synode zunächst mal die Nöte der Region ins Bewusstsein gerückt; das sind ja oft wirtschaftliche, politische und ökologische Nöte. Aber die Synode hat tatsächlich auch den Warnern entgegen entschieden, den Zölibat zu lockern. Im Hintergrund steht die hohe Wertschätzung in der lateinischen Westkirche für den Pflichtzölibat; auch die Vorgänger-Päpste haben das ja so gesehen. Hier zeigt sich jetzt ein kleiner Perspektivwechsel.“

„Es gibt ja längst verheiratete Kleriker“

Natürlich könne es „eine Art Türöffner-Effekt“ geben, wenn jetzt zunächst im Amazonasgebiet verheiratete Priester erlaubt würden. „Trotzdem ist ein Zusatzschritt noch zu beachten: dass nämlich die Bischöfe in Lateinamerika versäumt haben, einen Reformimpuls des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) aufzunehmen. Ich meine die Einführung des Amtes des ständigen verheirateten Diakons. Es ist viel zu wenig bekannt, dass es längst verheiratete Kleriker in der römisch-katholischen Kirche gibt – und dieser Kreis der verheirateten Diakone ist sozusagen das Reservoir für die spätere Weihe sogenannter ‚viri probati‘ zu Priestern.“

Zum Thema Frauen in der Kirche meinte der Wiener Dogmatik-Professor, dass bei der Suche nach neuen zeitgemäßen Formen nun theologische „Kreativität“ nötig sei. Der Papst führe eine Art Spagat durch: auf der einen Seite die Gefahr von „schismatischen Rissen“ in der Weltkirche, auf der anderen Seite die Einsicht der Synodenväter, dass es eine erhöhte Präsenz von Frauen brauche. Papst Franziskus halte am „Nein“ zur Frauenordination in der Spur von Papst Johannes Paul II. und dessen Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ definitiv fest, daher brauche es „jenseits der klassischen Amtstheologie Wege, um Freiräume für eine erhöhte weibliche Präsenz in der Kirche zu suchen“, betonte Tück.

Gegen eine „Wiederverzauberung der Natur“

Auf die Frage des Ö1-Journalisten, ob das ‚viri probati‘-Thema jetzt „ein Etappensieg des Reformpapstes“ sei, äußerte sich Tück abwiegelnd. „Hier wird sensibel im Blick auf die Nöte einer großen, wichtigen Region reagiert.“ Kritisch zeigte er sich im Blick auf die Diskussionen über einen eigenen regionalen Ritus. Hier warnte er vor einer teils „unkritischen Verklärung der indigenen Kultur“; eine „synkretistische Vermischung christlicher und naturreligiöser Elemente“ gelte es unbedingt zu vermeiden. Eine „Wiederverzauberung der Natur“ etwa, wie sie bei der Rede von der „leidenden Mutter Erde“ mitschwinge, drohe „einen rational verantwortlichen Zugang zur Welt zu erschweren“, so Tück.

(kap/ö1 – sk)
 

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29. Oktober 2019, 10:31