Unser Sonntag: Plädoyer für die Beichte
Kaplan Thomas Widmer
Lk 17, 11-19
Jesus ist unterwegs nach Jerusalem, wo ihn Tod und Auferstehung erwarten. Im Grenzgebiet von Jerusalem und Samarien begegnen ihm plötzlich zehn Aussätzige, ein Samariter und neun Juden. Die Samariter galten als Fremde und die Beziehung zwischen Juden und Samaritern war nicht gut.
Das zeigte sich zum Beispiel auch, als Jesus unterwegs nach Jerusalem in einem Dorf nicht aufgenommen wurde. Die Apostel waren darüber sehr bestürzt und Jakobus fragte Jesus, ob sie beten sollen, dass Feuer vom Himmel fallen solle, um sie zu verzehren (vgl. Lk 9, 51-55).
Nur der Samariter dankt Jesus
Umso mehr ist es erstaunlich, dass im heutigen Evangelium Samariter und Juden gemeinsam zu Jesus kommen. Vielleicht hat sie die gemeinsame Not und die Suche nach Heilung vereint und die Distanzen überwinden lassen. In ihrer Not nähern sie sich Jesus, bleiben aber trotzdem auf Distanz, da sie als Aussätzige nach dem Gesetz nicht in Kontakt mit den Gesunden kommen dürfen und von dorther rufen sie mit denselben Worten Jesus zu, mit denen sich der blinde Bartimäus an den Herrn wendet (vgl. Lk 18, 38): „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns“(Lk 17, 13). Damit bekunden sie den Glauben an den Herrn, und daran, dass er alles kann, dass er eben Herr ist, auch über jegliches Übel und dieses besiegen kann.
In derselben Haltung, bekunden wir mit dem blinden Bartimäus, wie mit den Leprakranken, am Anfang einer jeden hl. Messe im Kyrie die Allmacht Gottes. Im Grunde genommen geben wir mit den Kyrie-Rufen Gott die Ehre. Wir anerkennen den Herrn, da er Sieger ist, da er Herr ist und wir an seinem Sieg und den von ihm im Sieg errungenen Gütern teilzuhaben wünschen, nämlich an der Gesundheit an Leib und Seele und an der tiefinnersten Erfüllung. Diese demütige Haltung des kindlichen Vertrauens ist die richtige Art und Weise, wie wir dem Herrn begegnen sollen, um Heilung zu erfahren.
Kehren wir nun aber zurück zur Begegnung Jesu mit den Aussätzigen. Wie damals Naaman im Alten Testament dachte, sein Aussatz würde durch eine ausserordentliche Handlung des Propheten Elischa geheilt (vgl. 2 Kön 5, 10), so könnten wir auch denken, Jesus würde nun irgendetwas tun und dann wäre der Aussatz geheilt.
Das Unscheinbare scheint die Pädagogik Gottes zu sein
Aber, wie der Prophet Elischa Naaman sagen liess, er möge sich im Fluss waschen gehen, so antwortet Jesus, dass die Aussätzigen, wie es damals üblich war, sich den Priestern zeigen mögen. Auch Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch, wählt hier nicht einen spektakulären, aussergewöhnlichen Weg, um zu heilen. Jesus hält sich mit der Aussage, sich den Priestern zu zeigen, an das mosaische Gesetz.
Ja, das Unscheinbare, manchmal Unspektakuläre, scheint die Pädagogik Gottes zu sein:
Diese Art Gottes zeigt sich auch darin, dass er als kleines Kind im Stall von Bethlehem geboren wird und nicht im Königspalast. Jesus, das menschgewordene Wort Gottes, wächst in einer Familie auf. Er lebt und wirkt als Mensch unter Menschen, in allem uns gleich außer der Sünde (vgl. Hbr 4, 15). In einem schlichten und unscheinbaren Ritus setzt er beim letzten Abendmahl die Heilige Eucharistie ein, das Sakrament seiner Gegenwart und seiner Hingabe für uns am Kreuz. Und schliesslich geht Jesus schlicht und unspektakulär als Pilger an der Seite der enttäuschten Jünger von Emmaus und fragt diese, was sie bewegt. Unspektakulär will Jesus auch heute mit jedem Menschen verfahren, der seinen eigenen Aussatz und die damit verbundene Entferntheit von der Gemeinschaft demütig anerkennt. Was möchte ich damit sagen?
Sünde ist Abwendung von Gott
Die Kirchenväter sahen im Aussatz ein Bild für die Sünde. Wenn wir also unseren Aussatz, oder, mit Augustinus gesprochen, unsere Abwendung von Gott und unsere ungeordnete Zuwendung zum Geschaffenen, als Sünde erkennen und uns wie die Aussätzigen im Evangelium, demütig und vertrauensvoll dem Herrn wieder zuwenden, dann gelten seine Worte auch uns im Heute der Glaubensgemeinschaft: „Geh und zeig dich dem Priester. Geh und zeig dich den Aposteln, seinen Nachfolgern und Mitarbeitern, die nach der Auferstehung den Auftrag erhielten: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben. Wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 23)“.
Einige Menschen sagen heute: Weshalb soll ich meine Sünden in der Beichte dem Priester sagen? Weshalb soll ich zur Beichte gehen? Ich kann das ja auch mit Gott direkt ausmachen.
Die Sünde ist nicht nur etwas Persönliches zwischen mir und Gott, sondern sie betrifft mich, sowie die ganze Gemeinschaft; denn durch die Sünde begebe ich mich in die erdrückende Einsamkeit und entferne ich mich von der Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Mit Paulus könnten wir sagen: Wenn ein Glied leidet, leiden alle anderen mit (vgl. 1 Kor 12, 26). Es geschieht in der Beichte somit nicht nur Versöhnung mit Gott. Diese Versöhnung hat auch einen ekklesiologischen Charakter und der Priester ist hier einfach das unspektakuläre Werkzeug.
Der Samariter nimmt die Heilung als unverdiente Gabe an
Kehren wir noch einmal zurück zum Evangelium. Die Aussätzigen wurden geheilt. Voll Lobpreis und Dankbarkeit kehrte der Samariter, und nicht der gläubige Jude, zurück und dankte Jesus für die empfangene Gabe. Dieser Samariter, für die Juden ein Abtrünniger, nimmt seine Heilung als unverdiente Gabe an. Er findet den Geber wieder, dankt ihm und ehrt ihn.
Das Reinwerden hat das Ziel, Jesus zu finden, seine Liebe, seine Barmherzigkeit zu erfahren, so dass der Mensch durch sie verwandelt und Jünger Jesu wird.
Die anderen neun Aussätzigen, allesamt Juden, scheinen die Heilung als Selbstverständlichkeit zu betrachten. Sie nehmen die Gabe an, vergessen dabei aber den Geber. Sie kommen nicht in Beziehung mit dem Geber, was das eigentlich Wichtige wäre, weil Jesus sich ihnen als Sohn Gottes und Messias durch das Zeichen offenbaren möchte.
Bewusst in der Gegenwart Gottes leben
Es tritt in diesen Worten eine Realität ans Tageslicht, vor welcher jeder Mensch und auch der gläubige Christ nicht gefeit ist: Nämlich die Gaben Gottes als selbstverständlich zu betrachten und den Geber zu vergessen oder sich daran zu gewöhnen, so dass das „Danke sagen“ vergessen geht und schliesslich alles in einer Oberflächlichkeit endet. Es kommt nicht zu einer wahren Begegnung mit Gott. Es reicht nicht aus, zu sagen: Ich bin ja getauft, also ist alles in Ordnung. Nein, es kommt auf die Freundschaft mit Jesus an. Sie ist es die verwandelt und neu macht.
Das heutige Evangelium ist also eine Einladung in Demut zu Christus zu kommen, auf sein Wort hin, den von ihm vorgesehenen, meist unspektakulären Weg des Heilwerdens einzuschlagen und so ihm zu begegnen, ihm zu danken, ihn zu loben, ja bewusst in seiner Gegenwart zu leben.
(vatican news - claudia kaminski)
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