Schnappschuss vom Rand der Synode Schnappschuss vom Rand der Synode 

Schönborn warnt vor „Verzweckung“ der Amazonien-Synode

Bei der Amazonien-Synode ging es „um etwas Todernstes“ - nämlich um eine globale ökologische Herausforderung und um die „äußerst bedrohten“ Menschen in dieser Region. Das muss nach den Worten des Synodenteilnehmers und Wiener Erzbischofs, Kardinal Christoph Schönborn, Vorrang bei der Rezeption der Bischofsversammlung in Rom haben.

„Unsere innerkirchlichen Fragen können und sollten wir wirklich hintanstellen und den Dringlichkeiten Raum geben, die alle Menschen dieser Erde betreffen und die nicht nur unsere Fragen sind“, betonte der Wiener Erzbischof in der internationalen katholischen Zeitschrift Communio (Ausgabe 6/2019).

Der Kardinal machte deutlich, dass er dem Thema „ökologische Umkehr“ Priorität beimisst. Diese Hauptbotschaft nicht ernstzunehmen bzw. die Synode für innerkirchliche Reformanliegen zu verzwecken ärgert Schönborn: „Ich sage es undiplomatisch, ich bin empört über diese Art von Missbrauch der Amazoniensynode.“ In allen Kapiteln des Schlussdokuments der Synode sei „Konversion“ als Schlüsselwort und „roter Faden“ enthalten. Dennoch sei Umkehr „bisher in der Rezeption zu wenig zum Tragen gekommen“. Im Hintergrund stehe ein Anliegen, das schon Papst Benedikt XVI. (2005-2013) klar formuliert habe: „Wenn es um eine ökologische Umkehr geht, dann kann diese nicht getrennt werden von der spirituellen, pastoralen und kulturellen Umkehr.“

Amazonien zeigt „Drama unseres Lebensstils“

Schönborn wörtlich: „Das Drama Amazoniens ist das Drama unseres Lebensstils.“ Der großflächige Anbau von Soja, einhergehend mit der Rodung tausender Quadratkilometer Regenwald, „das ist unser Fleischkonsum, das ist unser europäischer oder westlicher Lebensstil“. Die Last einer Kehrtwende könne man nicht den Amazonasländern alleine aufbürden „und selbst keinen Finger rühren“, betonte Schönborn. Er verwies auf den „Amazonienfonds“, in den bisher erst zwei Länder eingezahlt hätten, „der aber ein weltweiter Fonds sein müsste, um die ökologische Herausforderung von Amazonien halbwegs finanziell abfedern zu können“.

Der Kardinal bejahte zugleich die Frage, ob die katholische Kirche nun ganz entschieden an die Seite der indigenen Bevölkerung tritt, um diese gegen neokoloniale Wirtschaftsinteressen zu schützen. Diese Parteilichkeit habe eine lange Tradition: „Was immer für die indigenen Völker getan worden ist, ist großenteils oder fast ausschließlich von der Kirche getan worden.“ Schönborn erinnerte an Papst Paul III., der bereits 1537 in großer Klarheit die Rechte der Indigenen gegenüber den Kolonialmächten eingefordert und deren Versklavung verboten habe. Bis heute sei die Kenntnis der indigenen Völker und die Bewahrung ihrer Traditionen fast ausschließlich von den katholischen Missionaren vorangetrieben worden.

Sich einer Kultur „auf Zehenspitzen“ nähern

Zum Vorschlag der Synode, einen eigenen Amazonien-Ritus auszubilden, und zur Kritik an der „paganen“ indigenen Kultur und einer etwaigen „synkretistischen Vermischung“ sagte Schönborn, das Thema sei so alt ist wie das Christentum. Die Evangelisierung habe immer versucht, auch positive Elemente aus den Religionen aufzugreifen, der Prozess der Inkulturation sei „ein Weg der Läuterung, aber es ist auch ein Weg des Sich-Einlassens auf die Menschen, ihre Geschichte, ihre Kultur, ihr Leben“.

Während der Synode sei ein Zitat von John Henry Newman diskutiert worden, in dem der jüngst Heiliggesprochene an Beispielen wie Feiertagen, Prozessionen, Priestergewändern, Weihrauch oder Ehering gezeigt hat, dass das Christentum immer wieder „heidnische Elemente gereinigt und aufgenommen“ habe. Bei der Amazoniensynode war nach Schönborns Eindruck „das Bemühen, die Inkulturation unter ihrem positiven Aspekt zu sehen, vorherrschend“. Papst Franziskus habe gleich zu Beginn betont, „dass wir auf Zehenspitzen uns einer Kultur nähern müssen“.

„Pentekostale? Keiner redet davon...“

Zu wenig wurde nach dem Dafürhalten des Kardinals auf der Synode die in Amazonien so starke Konkurrenz durch die freikirchlichen Pentekostalen angesprochen: „Ich habe den Eindruck, alle wissen davon, aber man redet lieber nicht darüber.“ Laut Schätzungen haben bis zu 80 Prozent der Christen in der Region bei Frei- und Pfingstgemeinden Heimat gefunden - für Schönborn „eine unglaubliche Herausforderung, die sicher nicht durch eine pastorale Reform wie die Einführung von viri probati zu lösen ist“. Die Missionierung erfolge dadurch, dass die Pentekostalen ihren Nachbarn ansprechen mit Worten wie: „Weißt du, dass Jesus Christus für dich gestorben ist und dass er auferstanden ist und dass er dich einlädt, dein Leben ihm zu übergeben?“

Diese Direktheit sei Vertretern der katholischen Kirche eher fremd, wohl aber erfolgreich, so Schönborn. Ein Problem seien die freikirchlichen Versprechungen von Wohlstands, die zu Enttäuschungen und Übertritten in andere Freikirchen führten „und manche am Schluss enttäuscht als Atheisten übrigbleiben“. Es gebe aber auch Rückkehrer zur katholischen Kirche, weil diese „bei den Armen ist und keine falschen Versprechungen macht“.

Zölibat bleibt

Bei Themen wie den im Schlussdokument der Synode angeregten neuen Zugängen zum Priesteramt für „viri probati“ (bewährte, verheiratete Männer) wiederholte Kardinal Schönborn seine zuletzt getroffenen Einschätzungen: „Ich glaube, dass es für die meisten der Bischöfe, ich hoffe für alle, die bei dieser Synode für den Artikel 111 gestimmt haben, selbstverständlich ist, dass für die lateinische Kirche die zölibatäre Lebensform des Priesters die Grundform bleibt.“

Der Kirche sei mit der an Jesus anknüpfenden zölibatären Lebensform „ein großer Schatz anvertraut worden“, der sich über die Jahrhunderte trotz aller Schwierigkeiten und Schwächen bewährt habe. Das, was Artikel 111 im Synodenpapier vorschlägt - die mögliche Weihe von viri probati -, sei „eine Ausnahmeregelung“.

Für „alternativen Weg zum Priesterberuf“

Auch hierzulande über verheiratete Priester im Sinne einer Notabwendung konkret nachzudenken, ist für den Wiener Erzbischof „gewiss“ notwendig – „aber nur unter folgenden Bedingungen“: Für das zölibatäre Priestertum müsse weiterhin als Grundform sehr explizit geworben werden; zweitens sollte jetzt schon mit einem „alternativen Weg zum Priesterberuf“ begonnen werden, ohne volle, achtjährige Ausbildung im Priesterseminar, sondern berufsbegleitend für unverheiratete Männer - für den Kardinal „ein Schritt, der auch in Richtung viri probati ein Experimentierfeld wäre“; und drittens müssten sich potenzielle verheiratete Priester im Leben und im Beruf bewährt haben. „Solche Männer gibt es“, erklärte Schönborn, „die ständigen Diakone sind ein solches Laboratorium“.

Die Frage des Diakonats für Frauen sei lehrmäßig nicht entschieden, sagte Kardinal Schönborn im Blick auf die vom Papst eingesetzte, von der Synode wieder erinnerte Kommission. „Hier ist, denke ich, noch theologischer und lehramtlicher Klärungsbedarf.“

(kap – sk)
 

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14. November 2019, 12:26