Neuer kath.ch-Leiter im Interview über „die Eidgenossen“
Radio Vatikan: Raphael Rauch, Sie sind der neue Chefredakteur bei kath.ch, dem Newsportal der katholischen Kirche in der Schweiz. Was ist das Interessante an der neuen Stelle?
Rauch: Die Schweiz an sich ist vor allem interessant und der Katholizismus, der in der Schweiz lebt. Katholisch heißt ja allumfassend, und ich finde, das sagt sich gut in der Schweiz, die alle Strömungen des Katholizismus hat. Die Piusbrüder sitzen in der Schweiz, wir haben emanzipierte Frauen, die unter bestimmten Umständen in der Schweiz Gemeinden leiten, Kinder taufen, bei Trauungen assistieren dürfen. Wir haben die Schweizergarde in Rom.
Bei uns gibt es verschiedene Formen von Bistümer, eher „römische“ Bistümer wie das Tessin oder die französischsprachige Westschweiz. Wir haben eigenständigere Bistümer in Basel und St. Gallen. Und natürlich haben wir mit dem Bistum Chur ein Bistum, das immer wieder für Skandale sorgt. Ich bin gespannt, wenn es höchstwahrscheinlich nächstes Jahr einen neuen Bischof gibt.
Radio Vatikan: Ausgerechnet die kleine Schweiz ist so zerklüftet in katholischer Hinsicht mit manchmal konträren Positionen. Ist das gerade das Spannende?
Rauch: Von Deutschland denkt man schon, das ist ein vielfältiges Land. Aber in der Schweiz finde ich das noch bezeichnender, dass es da so eine große Vielfalt gibt. Das zeigt sich zum Beispiel im Vaterunser. Wir haben vier Landessprachen. Italienisch und Französisch haben das Vaterunser reformiert und sagen nicht mehr „Und führe uns nicht in Versuchung“. Die deutschsprachige und rätoromanische Schweiz haben sich dem nicht angeschlossen. Es gibt sprachliche Unterschiede, kulturelle Unterschiede, aber auch systemische: Genf hat eine starke Trennung von Religion und Staat, in Zürich oder Bern gibt es starke Kooperationsmodelle.
Radio Vatikan: Sie sind gerade in Rom bei einer Konferenz zum Thema „Palliative Care“, also schmerzlindernde Medizin. Sind das gute Impulse für die journalistische Arbeit?
Rauch: Auf jeden Fall! Ich bin momentan bei einem Forschungsprojekt der Universität Zürich, dort gibt es an der evangelischen theologischen Fakultät eine Professur für „Spiritual Care“, die von einem katholischen Professor bekleidet wird. Das ist auch so typisch Schweiz, da sind Dinge möglich, die woanders nicht möglich wären. In Zürich forschen wir zu verschiedenen Bereichen der „Spiritual Care“ – damit sollten wir nicht zu spät einsteigen, also nicht erst am Sterbebett den Pfarrer oder die Seelsorgerin rufen, so wie es früher war. Stattdessen sollten wir versuchen, Gesundheit ganzheitlich zu denken, das heißt auch, dass ein Hausarzt sensibel sein sollte für religiöse oder spirituelle Fragen, die wichtig sind.
Was kann ich für meine Arbeit als Journalist davon mitnehmen? Ich denke, Pflege im Alter ist ein Zukunftsthema, gerade in der Schweiz, die wegen des Themas assistierter Suizid/Sterbehilfe traurige Berühmtheit erlangt hat. Hier kommen ethische Themen manchmal zu kurz, daher glaube ich dass der Fokus auf spirituelle und gesundheitliche Themen gerade in der Schweiz wichtig ist.
Radio Vatikan: Blicken wir kurz vor Jahresende „in die Kristallkugel“: Welche Themen werden nächstes Jahr in der Schweiz wichtig?
Rauch: Kristallkugel ist ein spannendes Stichwort, weil es eine große Esotherikfraktion und viele Astrologinnen gibt (lacht). Ich möchte aber auf dem römisch-katholischen Terrain bleiben. Zum Bischof von Chur gibt es ein großes Fragezeichen. Wir gehen fest davon aus, dass nächstes Jahr der Name feststehen wird.
Beim Synodalen Weg ist man in der Schweiz noch nicht ganz entschieden, wie er funktionieren soll, das werden wir von kath.ch kritisch begleiten. Das Klima ist ein Thema, das uns nicht nur nächstes Jahr, sondern das nächste Jahrzehnt und wahrscheinlich das nächste Jahrhundert begleiten wird. Und etwas ganz anders: die Eishockey-WM! Man spricht ja oft von Fußball als Ersatzreligion, nächstes Jahr findet die Eishockey-WM in der Schweiz statt, da könnte man fragen, ob es vielleicht einen Schweizergardisten gibt, der gerne Eishockey spielt oder ob es sonst Parallelen gibt zwischen Sport und Religion.
Radio Vatikan: Zurück zum Synodalen Weg: Da versucht ja die Schweizer Kirche unter dem „Vatikanradar“ wegzufliegen.
Rauch: Ich glaube, von „der Schweiz“ kann man nicht sprechen, weil es verschiedene Bistümer mit verschiedenen Interessen gibt. Mein Eindruck ist, dass viele Schweizerinnen und Schweizer sagen: „Uns reicht’s! Wir machen jetzt, was wir wollen.“ Das ist ja auch das Sympathische an den Eidgenossen, dass sie nicht so viel von Obrigkeiten halten, sondern ihr Ding durchziehen.
Radio Vatikan: Raphael Rauch, neuer Chefredakteur bei kath.ch, vielen Dank für das Gespräch!
(vatican news – sk/isc)
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