D: „Wir müssen sehen, dass Glaubwürdigkeit verloren gegangen ist"
Radio Vatikan: Sie treten Ihre Stelle kurz nach Beginn des Synodalen Wegs an, in einem Moment also, in dem in der deutschen katholischen Kirche vieles in Bewegung ist, auch mit Spannungen. Wo sehen Sie hier Ihre Aufgabe?
Marc Frings: Ich freue mich zunächst einmal, dass es jetzt richtig losgeht. Ich hatte ja in den vergangenen zwei Monaten die Gelegenheit, mit meinem Vorgänger, Dr. Stefan Vesper, der 20 Jahre auf diesem Posten gewirkt hat, mitzulaufen. Jetzt stehe ich also hier alleine und freue mich auf die Herausforderungen. Der Synodale Weg steht ganz klar erstmal im Fokus unserer Tätigkeit hier – ein Weg, den wir gemeinsam mit den Bischöfen in Deutschland gehen werden. Gleichzeitig versteht sich das ZdK aber auch als eine katholische Stimme, die in Politik und Gesellschaft wirkt. Das heißt, wir werden weiterhin auch außerhalb der katholischen und kirchlichen Kreise agieren und zu wichtigen Fragestellungen und Debatten Bezug nehmen. Auch dafür steht ein Großereignis vor der Tür: 2021 der dritte ökumenische Kirchentag in Frankfurt.
Radio Vatikan: Wir stark sollten denn die Laien an der Fortschreibung der kirchlichen Lehre mitwirken dürfen?
Marc Frings: Die Kirche ist ja beides: Sie ist sowohl klerikal als auch durch Laien geprägt. Wir stehen zu Beginn eines neuen Jahrzehnts. Ohne dass ich eine Glaskugel besitze, bin ich mir recht sicher: Am Ende der Dekade wird die Kirche eine andere sein, als wir es in der Gegenwart beobachten. Kirche muss partizipativer werden. Das Zustandekommen des Synodalen Weges zeigt ja schon eine eindeutige Richtung. Die Bischöfe haben hier in Deutschland die Hand ausgestreckt zu uns, zu den Laien. Das heißt, es war auch ein Anliegen der Bischöfe, uns als Laienstimme stärker zu integrieren, in diesen Reformprozess auch zu inkludieren. Insofern glaube ich, es ist sehr wichtig, dass die gesamte Breite kirchlichen, katholischen Lebens auch Gehör findet.
Radio Vatikan: Haben Sie konkrete Prognosen, was da vielleicht erste Schritte sein werden?
Marc Frings: Ich glaube, nicht das Ergebnis sollte im Moment das Entscheidende sein, sondern ich finde, auch das Atmosphärische und Methodische sind wichtig. Wir begeben uns jetzt auf einen Weg, gemeinsam mit den Bischöfen, der zunächst auf zwei Jahre angelegt ist. Es geht auch darum, eine gewisse Synodalität zu praktizieren, um gemeinsam für Glaubwürdigkeit zu werben – das ist, glaube ich, das Entscheidende. Auf diesem Weg muss es natürlich konkrete Beschlüsse geben, Beschlüsse, die auch eine Ortskirche fällen darf, in denen es also nicht darum geht, dass erstmal Rom um eine Stellungnahme gebeten werden muss. Wir wollen hier in Deutschland zeigen, dass man auch auf unterschwelliger Ebene für ein partizipativeres Modell werben kann und es auch umsetzen kann. Aber nochmal: Schön wäre auch, wenn die Synodalversammlung, die nun mehrfach im Jahr tagen wird, ein Modell erzeugt, das immer wieder auch für Beratungen, für Konsultationen heranzitiert werden darf, wenn in der Kirche hierfür Reformbedarf besteht.
Radio Vatikan: Also ist der Synodale Weg auf Dauer angelegt?
Marc Frings: Der Synodale Weg hat ja zwei Säulen, auf denen er aufbaut: Zum einen die sogenannte MHG-Studie (Studie zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen in der katholischen Kirche, benannt nach den Forschungsstandorten der Studienautoren Mannheim, Heidelberg, Gießen; Anm.d.Red.), die im vergangenen Jahr vorgestellt wurde und die das systemische Versagen der katholischen Kirche wissenschaftlich zusammengetragen hat. Auch Kardinal Marx hat zu Beginn des Synodalen Wegs am ersten Advent davon gesprochen in seiner Predigt, in der es also sehr konkrete Ursachen gibt. Aber gleichzeitig bereiten wir ja jetzt Foren vor zu vier verschiedenen Themenkomplexen, die auch losgelöst von der MHG-Studie relevant sind, in der es darum geht, priesterliches Leben, Fragen der Sexualität, Rolle der Frau etc. nochmal grundlegender zu diskutieren. Das steht hier im Fokus.
Aber der kreative Anteil des Synodalen Weges besteht ja auch darin, dass er gegangen werden muss. Diese Synodalversammlung, die sich Ende des Monats in Frankfurt konstituieren muss, hat dafür ein Mandat und kann auch schauen, dass sie selber, mit eigenen Ideen, dazu beiträgt, dass die Kirche ihre Glaubwürdigkeit in Deutschland zurückgewinnt. Was ich gerade besonders beobachte, ist, dass auch das Interesse der internationalen Gemeinschaft groß ist. Das heißt, die Welt schaut nach Deutschland und will wissen: Was ist eigentlich möglich, wenn eine Ortskirche einen solchen Reformprozess einleitet?
Radio Vatikan: Es gibt den Einwand, dass die meisten Themen des Synodalen Wegs gar nicht in den Entscheidungsbereich einer Teilkirche fallen. Was entgegnen Sie darauf?
Marc Frings: Genau das gilt es jetzt erst einmal zu diskutieren. Wir müssen jetzt schauen, dass wir aus verschiedenen Perspektiven das Problem sehen, dass Glaubwürdigkeit verloren gegangen ist. Das kann man an sehr konkreten Themen manifestieren, natürlich an den großen Themen, die gewiss nicht in Deutschland geklärt werden, nicht geklärt werden können, weil es kirchenrechtlich gar nicht möglich ist. Das ist beispielsweise die Frage des Zölibats und der Zukunft des Zölibats. Aber die Amazonassynode im letzten Jahr hat auch gezeigt, dass man zu großen Themen neue Perspektiven entwickeln kann. Auch das sollte Teil des Synodalen Weges sein, dass man hier, ganz gleich auf welcher Seite man steht, erkennt: Auch die andere Seite sollte gehört werden. Im Idealfall gelingt es sogar, die eigene Meinung so zu reflektieren, dass etwas Gemeinsames, etwas Neues herauskommt.
Radio Vatikan: Wie beurteilen Sie die Reaktionen aus Rom? Fühlen Sie sich da ermutigt?
Marc Frings: Im vergangenen Jahr hat sich der Papst ja an uns gewandt. Das war ein bemerkenswerter Vorgang, da er sich nicht, wie das bei päpstlicher Korrespondenz eigentlich üblich ist, an die Bischöfe gewandt hat, sondern an die gesamte Breite des kirchlichen Lebens, er sprach von „pilgerndem Volk“. Diesen Brief haben wir gemeinsam gelesen, Bischöfe und Laien, bei einer Vorbesprechung in Fulda im vergangenen Herbst. Wir sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein ganz klar Mut machendes Signal war, das aus Rom gesandt wurde. Und insofern fühlen wir uns hier auch vom Papst unterstützt, was den Synodalen Wegen angeht.
Radio Vatikan: Zuletzt noch eine Frage zum Zentralkomitee selbst: Wo sehen Sie denn da den größten Erneuerungsbedarf?
Marc Frings: Ich weiß nicht, ob es um einen Erneuerungsbedarf geht. Vor allem geht es glaube ich darum, zu schauen, wie in den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten die katholische Stimme wieder besser gehört werden kann. Wir sehen ja gerade, dass Polarisierungen zunehmen, dass immer schrillere Töne den öffentlichen Diskurs bestimmen. Ich glaube, dass hier die Bandbreite des katholischen Lebens in den Diözesanräten, in der Breite des Verbandskatholizismus, wie wir ihn kennen in Deutschland, dass hieraus wichtige Impulse ausgehen können, um deutlich zu machen: Es gibt auch noch andere Akteure neben den politischen Parteien, die dazu beitragen können, dass die gesellschaftliche Mitte wieder gestärkt wird, dass hieraus auch Impulse hervorwachsen. Ich glaube, hier kann das ZdK ganz wichtige Impulse setzen, weil wir ja selbst aus unserer Entstehungsgeschichte heraus eng an das Jahr 1848 geknüpft sind, also an die großen Fragen von Freiheit und Gerechtigkeit, von Mitbestimmung. Und ich hoffe sehr, dass das ZdK hier seine starke Stimme weiterhin behaupten kann.
(vatican news - tr)
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