Schönborn: Religiöse Zeichen nicht verbannen
In einer pluralistischen Gesellschaft müsse es möglich sein, „verschiedene religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit zu haben“. Wo es damit verbundene „Fehlentwicklungen“ gebe, könnten diese über den Weg der Bildung statt durch Verbote vermieten werden.
Das sagte der Wiener Erzbischof am Samstag in der Ö1-Interviewreihe „Journal zu Gast“. „Unser Akzent ist weniger das Verbieten, sondern das Erziehen“, wiederholte der Vorsitzende der Bischofskonferenz deren Position.
Und was ist mit den Gipfelkreuzen?
Bei der aktuellen von der Bundesregierung aufgeworfenen Debatte gehe es auch um die Sichtbarkeit religiöser Zeichen, erklärte Schönborn. „Wenn wir beginnen, solche religiösen Zeichen aus dem öffentlichen Raum auszuschließen, müssten wir unsere Landschaft ganz grundlegend verändern“, bemerkte der Erzbischof. Dies beträfe dann Kirchen oder Gipfelkreuze ebenso wie das Erscheinungsbild der Mitglieder aller in Österreich beheimateten Religionen.
Als weiteres Anliegen an die Regierung hob Schönborn den menschenrechtskonformen Umgang mit Flüchtlingen hervor, insbesondere auch bei einem Glaubenswechsel. Zum Problem würden dabei oft die „Glaubensprüfungen“, mit welchen die Fremdenbehörden, mit denen die Zusammenarbeit grundsätzlich gut sei, über die Echtheit einer Konversion von Asylwerbern dieser Gruppe entscheiden.
Glaubenswechsel ein Menschenrecht
Dieses Urteil sollte der jeweiligen Religionsgemeinschaft zustehen, befand Schönborn, der hier auf die intensive, teils über ein Jahr dauernden Vorbereitungen auf die Erwachsenentaufe in der katholischen Kirche verwies. „Eine Abschiebung in ein muslimisches Land kann für eine zum Christentum übergetretene Person lebensgefährlich werden“, bemerkte der Kardinal.
Grundsätzlich sei Glaubenswechsel ein Teil der Religionsfreiheit, unterstrich Schönborn. „Es gibt Christen, die sich zum Islam bekennen oder die Buddhisten werden - wie auch umgekehrt. Das muss möglich sein.“ Seine Bitte an alle Religionsgemeinschaften: Sie sollten bereit sein, „die Religionsfreiheit ihrer Mitglieder voll zu akzeptieren“.
Besorgt zeigte sich Schönborn über ein Zunehmen des Antisemitismus in vielen Teilen der Welt. Es gelte, wachsam zu sein, „denn diese alten Dämonen sind leider noch vorhanden“, so der Kardinal. Wenn ein Christ Antisemit ist, so sei „etwas in seinem Christsein tief gestört“ und „etwas Grundlegendes nicht in Ordnung“.
Notwendige schmerzliche Prozesse
Im „Journal zu Gast“ war Schönborn aus Anlass seines 75. Geburtstages am 22. Januar. Rückblickend auf seine bisher 25 Jahre an der Spitze der Erzdiözese Wien habe er „gelernt, dass Krisen zum Leben gehören“, sagte der Kardinal. Es sei wichtig, sich dem schmerzlichen Prozess, die Geschichten der jeweiligen Krisen aufzuarbeiten, zu stellen, Dinge in Ruhe zu bereden und Konflikte auszutragen statt unter den Teppich zu kehren. Das betreffe auch den Missbrauchsskandal: „Wir haben versucht, ihn aktiv und wahrheitsorientiert anzugehen. Das war ein schwieriger, aber unbedingt notwendiger Weg“, verwies Schönborn auf die Groer-Affäre sowie die von ihm 2010 initiierte unabhängige Opferschutzanwaltschaft.
Auch die Richtungskämpfe innerhalb der katholischen Kirche, in die er vor 25 Jahren „mitten hineingekommen“ sei, sah der Kardinal unter diesem Gesichtspunkt. Es sei „im großen und ganzen gelungen“, Spannungen auszudiskutieren. „Wir sind heute unter den Bischöfen sehr viel einiger als vor 25 Jahren. Und wir sind in der katholischen Kirche in Österreich insgesamt sehr viel versöhnter.“
Zur Frage nach der kürzlich veröffentlichten Kirchenstatistik und des darin sichtbaren Anstiegs der Kirchenaustritte verwies Schönborn einerseits auf demografische Prozesse und auf „Sinnsuche außerhalb der Kirche“, regte aber zugleich eine andere Sichtweise an: „Mich beeindruckt, dass von fünf Personen unter 30 Jahren vier bei der Kirche bleiben, einer tritt aus. Das ist viel, doch ich stelle mir dennoch die Frage, warum die vier anderen bleiben.“ Ebenso wie die Gründe für den Kirchenaustritt zu erheben, sollten auch die Motive jener über 600 Personen untersucht werden, die sich jährlich als Erwachsene für die Taufe in der katholischen Kirche entscheiden, betonte der Erzbischof.
(kap – sk)
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