D: Rolle von Pius XII. in NS-Zeit klären
Bis heute seien viele Fragen zum Wirken von Papst Pius XII. offen und werfen einen dunklen Schatten auf das jüdisch-christliche Verhältnis, betonte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. „Wie erklärt sich das große Schweigen der katholischen Kirche zum Massenmord an den Juden während der Shoah? Welche Rolle spielte der Papst bei der Rettung der römischen Juden?“, fragte der Zentralratspräsident.
Unklar sei auch, inwieweit Papst Pius NS-Tätern nach dem Krieg bei ihrer Flucht über die sogenannten Rattenlinien geholfen habe. So bezeichnet man die Fluchtrouten von Nationalsozialisten nach Südamerika am Ende des Zweiten Weltkriegs. „Die katholische Kirche sollte neue Erkenntnisse zum Anlass nehmen, sich deutlich zu ihrer Verantwortung zu bekennen“, so Schusters Forderung.
Seligsprechungsverfahren sollte gestoppt werden
„Seit 1965 läuft ein Seligsprechungsverfahren für Pius XII., das bis zur gründlichen Auswertung der jetzt neu zugänglichen Bestände gestoppt werden sollte", sagte der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. „Das verlangt der Respekt vor unseren jüdischen Freunden", fügte er hinzu. Wolf ist wesentlich an der Aufarbeitung der Archivbestände in Rom beteiligt. Er warne jedoch vor „vorschnellen Urteilen und sensationellen Meldungen“.
Er sei froh, bald mehr über das Pontifikat von Papst Pius zu erfahren, sagte der Bischof von Erfurt, Ulrich Neymeyr. „Pius XII. war fast 20 Jahre lang Papst (1939–1958). In dieser Zeit ist viel Archivmaterial angefallen, nicht nur im Apostolischen Palast. Auch die Korrespondenzen mit den Nuntiaturen und die Akten der Kongregationen können wichtiges Material enthalten zur Frage des Umgangs des Heiligen Stuhls mit dem NS-Regime, besonders bezüglich der Verfolgung und unvorstellbaren Ermordung der Juden“, so Neymeyr.
Er hoffe, dass nach der Sichtung des Archivmaterials genügend Zeit und finanzielle Mittel zur Aufarbeitung zur Verfügung stünden, „um die Geschichte korrekt schreiben zu können. Ein Grundsatz der Geschichtsforschung heißt: Man muss die Menschen immer aus ihrer Zeit heraus verstehen und darf sie nicht im Nachhinein beurteilen, wenn man weiß, wie die Dinge sich entwickelt haben", so der Bischof.
(kna – mt)
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