Delphin in Uarini im brasilianischen Bundesstaat Amazonas Delphin in Uarini im brasilianischen Bundesstaat Amazonas 

Theologen zu „Querida Amazonia“: „Was will der Papst?“

Die Reaktionen auf das neue Papstschreiben „Querida Amazonia“ reißen nicht ab. Der an der Universität Salzburg lehrende Theologe Gregor Maria Hoff sieht auch eine Woche nach der Veröffentlichung des Papiers „eine zunehmende Ratlosigkeit“.

Es dränge sich die Frage auf „Was will der Papst?“, so der Fundamentaltheologe in der Wochenzeitung „Die Furche“. Hoff drückte sein Verwunderung über das Schreiben aus, das die Amazonien-Synode und dessen Schlussdokument lediglich kommentiere, jedoch nicht formell bestätige – und dadurch auch nichts entscheide.

Franziskus habe, „indem er sich zum Votum der Synode für viri probati nicht verhält“, seine eigenen Überlegungen zu ökologischen, sozialen und religionskulturellen Fragen in den Hintergrund gedrängt, attestierte Hoff. Auch für „Frauen im Amt“ sehe Franziskus keine Perspektiven. „Freilich, auch das sagt er nicht direkt“, so der Theologe.

Der innere Widerspruch einer vormodernen Kirche in der nachmodernen Welt

Klar sei, dass der Papst die Kompetenzen der Kirchen vor Ort stärken und offene Fragen „auf dem Weg synodaler Prozesse“ klären wolle, stellte Hoff fest. Auch die Nöte und Ängste Amazoniens sollten im „Geist des Evangeliums“ gelöst werden, erklärte der Theologe die „ekklesiologischen Gedanken“ des Papstes. Damit stehe aber auch fest: „Bevor die Kirche die Zulassungsbedingungen zum Amt regelt, fordert ihr Franziskus ab, den Ort des Amtes in der Gemeinschaft neu zu bestimmen.“

Kritik übte Hoff am „unerträglichen Paternalismus“ des Schreibens, das das „sakramentale Priestertum nur für Männer reserviert, um Frauen vor Klerikalismus zu schützen“. Die Rollenfestlegung der Frauen auf „die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Marias treibt Frauen aus der Kirche“. Zudem würden „Klischees von gestern“ nicht „zu Lösungen für Probleme in einer komplexen Weltgesellschaft beitragen“. Gleichzeit offenbare die Argumentation, wofür der Papst stünde, nämlich „für den inneren Widerspruch einer vormodernen Kirche in einer nachmodernen Welt“.

Moraltheologe: „Der Papst entscheidet nicht“

Äußerst kritisch sieht auch der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger die Frage nach den „viri probati“ im Papstdokument. Die Bischöfe hätten den Papst durchaus ermutigt, in diese Richtung zu denken und ihm eine Tür aufgemacht, „er bleibt aber einfach davor stehen“. Laut Rosenberger hat sich der Papst wahrscheinlich in der Sorge um die Einheit der Kirche und einer Angst vor Spaltung von einer konservativen Minderheit „einschüchtern“ lassen. Das Dokument habe klar gemacht: „Der Papst entscheidet nicht, er handelt nicht“, sagte Rosenberger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress am Donnerstag.

Das Dokument habe klar gemacht, dass von diesem Papst in dieser Hinsicht „nichts mehr zu erwarten ist“. Eine große Überraschung ist das für Rosenberger jedoch nicht. „Er hat von Anfang an keine wesentlichen Entscheidungen getroffen, wenn es um amtliche Dinge ging“, erläuterte der Theologe. Er verwies dabei etwa auf wiederverheiratet Geschiedene.

„Wütend und traurig“

„Wütend und traurig“ über den Abschnitt über die Gaben und Stärken der Frau in „Querida Amazonia“ hat sich die Theologin und Ordensfrau Schwester Melanie Wolfers geäußert. Das „Evangelium, dass Menschen Geschwister sind und gleich an Recht und Würde“, komme in dem Papstschreiben nicht zum Ausdruck. „Wie soll eine Kirche dieses Evangelium, das die Welt dringend braucht, glaubhaft verkündigen, wenn sie es nicht einmal in ihren Strukturen sichtbar machen kann?“, fragte die Salvatorianerin in der Ö1-Sendung „Praxis“. Ähnlich auch die Kritik der Ex-Präsidentin der Katholischen Aktion (KAÖ), Gerda Schaffelhofer, die das „antiquierte Frauen- und Priesterbild“ des Schreibens beanstandet und als „herbe Enttäuschung“ bezeichnet.

Die „Glaubwürdigkeit des Glaubens“ leide an den eigenen Diskriminierungen der Kirche. „Anthropologisch und theologisch“ meldete Wolfers Einwände dagegen an, dass die päpstliche Exhortation bei der Verdeutlichung der Rolle und Begabung der Frau auf die „Zärtlichkeit und Kraft“ der Gottesmutter Maria verwiesen und somit das Wesen der Frau in der Mutterschaft gesehen habe. Papst Franziskus scheine „nicht wahrgenommen zu haben, was es da inzwischen an Forschung gibt“, so die Ordensfrau. Der „Fülle von Charismen“ sowie der Freiheit und der Vielfalt des Menschseins entspreche diese Beschreibung keineswegs.

„Es scheint, als gälte hier nicht die Kraft des besseren Arguments“

Auch wenn sich der Papst bei seiner Ablehnung der Weihe von Frauen zu Diakoninnen oder Priesterinnen darauf berufe, dass es dafür keine Tradition gebe, so sei dies ein falscher Zugang, befand die Salvatorianerin. Dass man in der katholischen Kirche bis Anfang des 20. Jahrhunderts gar nicht auf die Idee einer Frauenweihe gekommen sei, gehe auf die einst rein patriarchal geprägte Gesellschaft zurück. „Erst als in der anglikanischen und evangelischen Kirche Frauen geweiht wurden, begann die katholische Kirche, Argumente aus dem Hut zu zaubern, die jedoch heute alle widerlegt sind“, so die Theologin. Nachsatz: „Es scheint, als gälte hier nicht die Kraft des besseren Arguments.“

Schaffelhofer: Papstschreiben reduziert Frauen

Franziskus habe in „Querida Amazonia“ keinen Schritt nach vorne gewagt, sondern einmal mehr „die alte Lehre festgezurrt, dass nur ein männlicher Priester Christus repräsentieren, der Eucharistie vorstehen und die Absolution erteilen könne“, schrieb Schaffelhofer in einem „Furche“-Gastkommentar . Frauen würden „einmal mehr auf ihre bewundernswerte Hingabe reduziert und in eine gefährliche marianische Nähe gerückt“. Betont werde etwa die „Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria“, nicht aber die Gottesebenbildlichkeit aller Menschen, so die frühere KAÖ-Präsidentin.

Für Frauen könne das Papstdokument somit nur eine Enttäuschung sein, denn: „Was nützt uns die von Papst Franziskus initiierte freie Rede über unsere Probleme in der Kirche, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen werden, sondern das Alte nur einmal mehr einzementiert wird?“

Als „authentisch“ bewertete Schaffelhofer das Dokument jedoch in punkto der „brennenden Sorge“ des Papstes um den Lebensraum Amazonien, was auch seine Kritik an Korruptionsnetzwerken, Konsumverhalten sowie Individualismus beinhalte. Aber auch hier gebe es Leerstellen, befand die Theologin: So sensibilisiere der Papst zwar für den Ökoraum Amazonien, gleichzeitig bewege sich der Papst „keine Millimeter“, um dessen Priesternot zu lösen.


(kap – sk)
 

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20. Februar 2020, 17:09