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Unser Sonntag im Februar: Pfarrer Ludwig Waldmüller Unser Sonntag im Februar: Pfarrer Ludwig Waldmüller  

Unser Sonntag: Auf dem Weg zum Licht

Im Februar begleitet uns mit seinen Kommentaren zum Evangelium Pfarrer Ludwig Waldmüller aus Memmingen. Simeon und Hannah aus dem Evangelium erinnern ihn an die große Lebenserfahrung älterer Menschen, mit denen er faszinierende Gespräche führt: Lebenserfahrung führt dazu, auch dann etwas vom Licht Christi sehen zu können, wenn alles dunkel scheint.

Pfarrer Ludwig Waldmüller

Lk 2, 22–40

Darstellung des Herrn

Wahrscheinlich haben Sie auch einen oder mehrere Lieblingsorte. Mir geht es zumindest so. Es gibt so ein paar Stellen, an denen ich mich einfach sehr gerne aufhalte. Das hat mit der Atmosphäre dort zu tun. Ein solcher Ort ist für mich zum Beispiel ein See in der Nähe meines Wohnorts. Oder es ist ein bestimmtes Waldstück vor einer Lichtung. Und – neben einigen anderen – ist es die Kirche, neben der ich wohnen darf. Ein riesengroßer Backsteinbau, der wirklich eine Faszination auf mich ausübt. Aber zum Lieblingsort macht das die wuchtige Kirche noch lange nicht. Ich mag sie nämlich eben wegen ihrer Atmosphäre, und diese zu genießen, ist ein Vorrecht, das ich habe, weil ich den Schlüssel zur Kirche in der Hosentasche trage: Zum Lieblingsort wird mir die Kirche nämlich nachts.

Unser Sonntag - hier zum Nachhören

Wenn keine Menschenseele sonst da ist, wenn es ganz dunkel in dem Raum ist. Das mag ich unbeschreiblich gerne. Ich taste mich dann etwas durch den Raum, genieße die Stille und die Dunkelheit, ein klein wenig auch das Gefühl der Verlorenheit im großen Raum. Und das wiederum ist mit einer angenehmen Geborgenheit verbunden. Besonders eine Sache aber spricht mich jedes Mal wieder an: Egal wie weit ich mich nach hinten stelle, der Weg nach vorne ist immer gekennzeichnet: Selbst aus knapp neunzig Metern Entfernung sehe ich die Flamme des Ewigen Lichts am Tabernakel auf dem Hochaltar brennen. Und dann gehe ich sehr gerne den Weg auf das Ewige Licht zu. Einmal durch die ganze Kirche, Schritt für Schritt. Der Weg zum Licht ist für mich zu einer lieben Angewohnheit geworden. Und er gibt mir immer wieder zu denken: Ist das nicht eine Umschreibung für’s Christsein? Der Weg zum Licht? In der Taufe darf ich den Täuflingen bzw. ihren Eltern immer wieder sagen, dass sie als „Kinder des Lichtes“ leben sollen und dem Herrn und allen Heiligen entgegen gehen, wenn er kommt in Herrlichkeit. Der Weg zum Licht scheint mir ein großes Thema des Evangeliums von diesem Sonntag zu sein. Wir feiern das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel. Und ich möchte das jetzt einfach mal das „Fest des Wegs zum Licht“ nennen. 

Lebenslang zum Licht unterwegs

Im Evangeliumstext von diesem Sonntag kommen so einige Personen vor, neben der heiligen Familie eben die beiden alten Menschen Simeon und Hannah. Beide kommen dazu, als sie die Szene beobachten, die sich um Jesus, seine Mutter und seinen Pflegevater abspielt. Der greise Simeon spricht dann die so berühmten Worte: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ Wie viel Lebenserfahrung spricht aus diesen zwei kurzen Sätzen. Wie viel Sehnsucht des Wartens und Suchens. Von Simeon heißt es im Text des Evangeliums: „Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm.“ Ich lese das so: Simeon ist einer, der sein Leben lang auf dem Weg zum Licht war und ist. Immer wieder wusste er, dass er auf dem richtigen Weg ist. Weil er genau sah oder spürte: Irgendwo da vorne leuchtet das Licht. Hannah ist eine ähnliche Person. Eine alte Frau, die Tag und Nacht im Tempel Dienst tut – und eben auf dem Weg zum Licht ist. Von ihr heißt es, dass sie als junges Mädchen, also nehmen wir mal an mit zwölf oder vierzehn, geheiratet hatte. Und dass ihr Mann nach sieben Jahren verstarb. Jetzt sei sie eine Witwe von 84 Jahren. Gute sechzig Jahre Witwe. Und wahrscheinlich seit vielen Jahrzehnten im Gebet in und um den Tempel. Genauso eine Lichtsucherin. Die beiden greisen Menschen, die hier auftauchen, kenne ich mit vielen anderen Namen und ganz anderen Lebensgeschichten aus meinem Alltag: Wie viele ältere Herrschaften kenne ich, deren Leben wirklich ein Weg aufs Licht hin ist und war. Die immer und immer wieder weiter gegangen sind. Mich faszinieren Gespräche mit Menschen, die schon eine große Lebenserfahrung haben. Wie viel spüre ich da von jenem lebenslangen Suchen nach dem Licht, das die Welt erleuchtet. Wer in einen dunklen Raum hineingeht, braucht einige Zeit, bis sich die Augen ans Dunkle gewöhnt haben. Dann aber erkennt man vieles, und das wenige Licht, das vorhanden ist, reicht aus, um Orientierung zu geben. Das, so meine ich, passt aufs Leben: Lebenserfahrung führt dazu, auch dann etwas vom Licht Christi sehen zu können, wenn alles dunkel scheint. Wer den Weg mit Christus geht, kann mit der Zeit mehr sehen, als wenn er einfach nur durchs Leben hetzen würde. Simeon wartete, so heißt es im Evangelientext, „auf den Trost Israels“. Diese Formulierung, die in der neuen Einheitsübersetzung anstelle der Rettung Israels im alten Text steht, gefällt mir sehr gut: Simeon wartet auf das Wirken des Heiligen Geistes, auf das Licht in seinem Leben, auf das, was Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Angst und Versagen erhellt und wegnimmt. Aber gerade auf den Trost lässt ihn leben und durchhalten. Es ist der Blick aufs Licht, auf das er zugeht, auch wenn er es manchmal nur ganz schwach erkennen kann. Wie oft ist in unserem Leben vieles nicht so, wie man es erwarten würde. Wie oft verhalten wir uns so, dass wir selbst und andere – besonders diejenigen, die uns sehr wichtig sind –, das Licht nicht wahrnehmen können. Wie viel tragen wir dazu bei, dass das Licht Christi verdunkelt wird. Und doch braucht es nur die Richtung, das Warten auf den Trost, das Wissen um das Licht, auf das wir zugehen dürfen, um weiterzukommen. Simeon und Hannah sind da für mich echt große Vorbilder.

Jetzt ist der Moment des Lichts

Aber die Geschichte von der Darstellung des Herrn erzählt ja nicht nur von einem lebenslangen Weg aufs Licht zu. Simeon nimmt das Kind in seine Arme und spricht das berühmte Nunc dimittis. „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.“ Mir kommt es auf das erste Wort des Satzes an: Nun. Für den alten, lebenserfahrenen Menschen ist jetzt der ganz große Moment. Es ist der Lichtmoment seines Lebens, denn jetzt darf er sehen, wonach er sich so lange gesehnt hat.
Ich habe selbst erleben dürfen und noch viel öfter bei anderen Menschen sehen können: Es gibt solche Lichtmomente, oder soll ich sie „lichte Momente“ nennen? Das sind Erlebnisse, in denen auf einmal etwas vom göttlichen Licht sichtbar und erfahrbar wird. Momente, in denen man wie Simeon sagen könnte: „Meine Augen haben das Heil gesehen.“ Mir geht es beispielsweise an einem bestimmten Wallfahrtsort immer wieder so, dass mich dort jedes Mal das Staunen über die Güte Gottes in die Knie zwingt. Mir laufen Tränen über die Wangen, und ich spüre mit einem Mal, wie nahe mir der Herr ist. Und wie gut er ist. Das ist mir schon so oft passiert. Es tut weh und erfüllt mich gleichzeitig mit großer Freude und Dankbarkeit. Aber Lichtmomente wie die des Simeon können auch ganz anders aussehen. Momente des besonderen Glücks, die einem ganz spontan einen Dank über die Zuwendung Gottes aus dem Herzen ziehen. Auf der anderen Seite habe ich schon so oft sehen dürfen, wie auch gerade schwere Momente: Krankheit, der Verlust eines lieben Menschen, eine persönliche Krise zu echten Lichtmomenten werden konnten. Im Nachhinein sagen mir immer wieder Menschen, dass eine bestimmte schwere Situation für sie zu einem Moment der Gottesnähe wurde. Zu einem Lichtmoment. Nicht jedes schwere Erlebnis und auch nicht jede Sekunde des Glücks führen automatisch zu einer Erfahrung des Lichts Christi. Aber oft kann man im Nachhinein sehen, wie die eigenen Augen doch das Licht Gottes sehen durften.

Trostweg für die Dunkelheit

Aber nochmal zurück in den Tempel. Die Szene, die das Evangelium erzählt, ist für mich noch auf eine andere Art und Weise ein großer Hinweis fürs Leben: Simeon und Hannah haben beide noch eine andere Rolle. Simeon scheint mit dem Kind auf seinen Armen zu jubeln über das große Erlebnis. Er spricht von den großen Taten, die dieses Kind einmal vollbringen wird. Und gleichzeitig sagt er das harte und widerstrebende Wort zu Maria: „deine Seele wird ein Schwert durchdringen“. Aber damit erzählt er, wie ich finde, noch eine andere, ganz große Wahrheit: So schön Lichtmomente sind, so gut es ist, ein Leben lang zu wissen, dass wir auf das Licht zugehen, das Leben hat seine ganz eigene Schwere. Vielleicht ist es auch wieder die Lebenserfahrung des Simeon, die man zurate ziehen könnte. Vielleicht ist es seine prophetische Gabe, die ihn das sagen lässt. Sicher ist es aber einfach Realität des Lebens, dass wir immer und immer wieder Hartes zu tragen haben. Dass dies für Maria in ganz besonderem Maße gilt, muss man eigentlich gar nicht eigens erwähnen. Hannah ist die, die zu allen von dem Kind spricht, das sie gerade gesehen hat. Sie erzählt allen vom großen Lichtmoment ihres Lebens. Beides zusammen scheint mir ein wichtiger Hinweis für unser eigenes Leben zu sein: Wer auf den Trost wartet, wer den Trost im eigenen Leben nötig hat, der braucht zum einen die Erinnerung an die lichten Momente, die er oder sie selbst erlebt hat. Und eine solche Person braucht andere, die ihr von den je eigenen Lichtmomenten erzählen. Damit meine ich nicht, dass man Schwierigkeiten im Leben durch schöne Geschichten wegreden sollte – im Gegenteil. Ich glaube, wir brauchen gerade in den Momenten, die dunkel, schwer, voller Depression und Angst, voll schlechtem Gewissen und Schuld, voll Unsicherheit und ohne sicheren Boden sind, die Gewissheit, dass das Licht da ist. Manchmal übersehen wir es leicht. Manchmal verschließen wir die Augen davor. Und ganz oft drehen wir uns einfach in die falsche Richtung. Aber sich immer wieder daran zu erinnern, dass wir auf dem Weg zum Licht sind und dass es Lichtmomente gibt, macht die größte Dunkelheit viel heller. Vielleicht ist es eine gute Idee, sich ein kleines Büchlein des Lichts anzulegen. Ich hab das schon mehreren Personen geraten. In dieses kleine Büchlein schreibt man immer wieder hinein, wenn man einen Lichtmoment hatte. Wenn man gesehen hat, dass es eben aufs Licht zugeht. Und dieses „Büchlein des Lichts“ kann man genau dann zur Hand nehmen, wenn man den Eindruck hat, es sei alles nur dunkel. Ein kleiner privater Wegweiser zum Licht, sozusagen.

Einer meiner Lieblingsorte ist die dunkle Pfarrkirche neben meinem Haus, wenn ich darin ganz allein auf das Ewige Licht schauen kann. Ich glaube, das ganze Leben kann zu so einem Lieblingsort werden, wenn wir nur wissen, dass wir auf dem Weg zum Licht sind, die Lichtmomente unseres Lebens wahrnehmen und von ihnen auch die dunklen Momente unseres Alltags erhellen lassen.
Ich wünschen Ihnen einen lichterfüllten Lichtmesstag.


(vatican news - claudia kaminski)

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01. Februar 2020, 11:00