Unser Sonntag: Mehr Zeit und Interesse für Gott
P. Eberhard Gemmingen SJ
3. Fastensonntag
Joh 4, 5-42
Wir haben eben von einer beeindruckenden Begegnung zwischen Jesus und einer Frau mit einem zweifelhaften Hintergrund gehört. Die Begegnung mit Jesus hat die Frau vermutlich total verändert, obwohl davon nicht ausdrücklich die Rede ist.
Ich vermute einmal, dass wir uns alle heimlich oder auch offen nach einer solchen Begegnung mit Jesus sehnen. Dann wäre das Glauben leichter, dann könnte man alle Frustration an Kirche wegstecken. Beobachten wir doch einmal genauer, wie diese Begegnung ablief. Jesus kommt an den berühmten Jakobsbrunnen.
Bedeutung des Jakobsbrunnens
Der war für die ersten Christen, für die der Evangelist Johannes ja schrieb, sehr bekannt und berühmt. Um die ganze Szene zu verstehen, können wir daran denken, dass zur Zeit Jesu die Ahnen und die Geschichte des Volkes wohl eine wesentlich größere Rolle spielten als das für uns heute der Fall ist. Wir sind vielleicht ein wenig heimatlos geworden, auch wenn die Suche nach Heimat in jüngster Zeit wieder mehr aufgebrochen ist. Jesus ist müde, setzt sich an dem berühmten und geschichtsträchtigen Brunnen nieder. Ausdrücklich heißt es, dass es um die sechste Stunde war, also mittags, also heiß.
Da kommt eine Frau, eine Samariterin, eine Frau aus der Gegend. Die Samariter sind für die frommen Juden irrgläubig. Sie erwarten nicht einen König wie die richtigen Juden, sondern nur einen Propheten. Jesus spricht sie an und bittet um einen Schluck Wasser. Jesus hat Durst, hat aber keinen Krug, um sich Wasser zu schöpfen, die Frau hat einen. Jesu Jünger hatten Jesus allein gelassen, um Essen einzukaufen.
Die Samariterin ist baff: Wie kannst du als Jude mich eine Samariterin ansprechen. Offenbar vermieden das fromme Juden. Jesus antwortet erstaunlich: Wenn du wüsstest, wer dich anspricht, hättest du ihn um lebendiges Wasser gebeten. Und der Evangelist Johannes lässt Jesus auch noch sagen: Wenn du wüsstest, was Gott gibt. Jesus scheint von etwas ganz Anderem zu sprechen als die Frau. Denn sie sagt verwundert: Wie kannst du mir lebendiges Wasser geben, wenn du nicht mal ein Schöpfgefäß hast. Die Denkweisen gehen also auseinander. Jesus antwortet: Wer das Wasser hier trinkt, hat später wieder Durst. Das Wasser, das ich ihm geben werde, überwindet allen Durst. Nun steigt die Frau auf Jesu Denkweise ein und sagt: Dieses Dein Wasser möchte ich.
Die Samariterin lenkt vom unangenehmen Thema ab
Und nun macht Jesus einen Sprung: Er sagt ihr: Ruf mir deinen Mann. Sie antwortet: ich habe keinen Mann. Darauf Jesus: Fünf Männer hast du gehabt. Und der Mann, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Darauf die Frau: Du bist wohl ein Prophet. Und dann lenkt sie von dem unangenehmen Thema mit ihren Männern ab. Darum wechselt sie in die Theologie und sagt: Wir Samariter beten hier auf dem Berg Gott an, ihr Juden in Jerusalem. Nun überspringe ich ein paar Worte von Jesus und komme zu dem, was mir entscheidend scheint: Jesus sagt zu ihr: „Jetzt ist die Stunde, in der die wahren Anbeter im Geist und in der Wahrheit anbeten. Gott ist Geist und alle, die anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Die Frau wechselt wieder in die Theologie: Sie sagt: „Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus genannt wird. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.“ Darauf Jesus: „Du sprichst mit ihm, ich bin es.“
Die Glaubensaussage des Evangelisten
Hier muss ich daran erinnern, dass auch dies Evangelium nach Johannes nicht eine Art Biographie Jesu ist, das Gespräch also auch nicht eine Art Protokoll, sondern es ist die Glaubensaussage des Evangelisten, ein Glaubensbekenntnis der ersten Christen. Es saß ja auch kein Zeuge dabei, der zugehört hätte.
Und nun versuche ich, uns dahin zu führen, damit auch wir auf unsere Weise Jesus heute begegnen können. Jesus hat bei der Frau am Jakobsbrunnen die Initiative ergriffen und sie angesprochen. Damit wir uns von Jesus angesprochen fühlen, müssen wir uns für ihn Zeit nehmen, die Ohren öffnen, nach ihm fragen, ihn suchen. Wenn er für uns unwichtig ist, dann werden wir ihn nicht hören, nicht erfahren. Wir haben vor allem das neue Testament, in dem wir ihm begegnen können. Ich möchte einfach einmal daran erinnern, dass die großen Christen, die die Kirchengeschichte und besonders Europa geprägt haben, auch nur die Bibel hatten, um Jesus zu begegnen. Sie hatten vielleicht mehr Zeit als wir. Sie hatten wohl nicht so viele Bücher wie wir, sondern oft nur die Bibel. Und vielleicht konnten sie nicht einmal lesen. Dafür gab es die Bibel der Bilder, also vor allem die Glasfenster in den großen schönen Kirchen.
Nötig für Gott: Zeit und Interesse
Aber nötig waren Zeit und Interesse. Frage: Nehmen wir uns Zeit, haben wir Interesse? Also wir haben es schwerer als unsere Vorfahren, die nicht überschwemmt waren von Büchern, Zeitungen, Nachrichten, Begegnungen. Wenn wir Jesus begegnen wollen, müssen wir uns Zeit dafür nehmen. Und wenn wir dann Texte in den Evangelien lesen, werden wir vielleicht stolpern über Stellen, die wir nicht verstehen können, die uns fremd und unglaubwürdig klingen. Auch die Frau am Brunnen ist gestolpert und ist in die Theologie ausgewichen. Diese Gefahr besteht auch bei uns, dass wir unsere richtige oder falsche Theologie mitbringen und gar nicht mehr auf die Worte der heiligen Schrift hören, nicht mehr lauschen, nicht mehr staunen. Die Frau am Brunnen hat gestaunt. Ich vermute, dass gerade heute der Weg zum Glauben über das Staunen führt. Die Menschen damals haben vor allem über die Wunder Jesu gestaunt. Und sie sind Jesus nachgelaufen, weil sie geheilt oder gesättigt wurden. Entscheidend aber war, an der Persönlichkeit Jesu Christi hängen zu bleiben. Auch die Apostel sind erst nach Tod und Auferstehung wirklich an Jesus hängen geblieben. Vorher haben sie ihn alle verraten und sind geflohen. Auch wir werden ähnlich wie die Apostel immer wieder Schwierigkeiten haben. Vieles was Jesus sagt oder tut, wird uns nicht gleich oder nicht schnell aufgehen. Es kostet schon Zeit und eben Interesse. Manches was Jesus sagte, wird uns ärgern. Ein Schaden ist auch, wenn wir den Eindruck haben, dass wir das alles schon so oft gehört oder gelesen haben, und dass für uns nichts neu ist.
Und nun möchte ich noch einen Sprung machen in die heutigen Kirchenfragen. Die meisten Menschen, die sich noch für den christlichen Glauben interessieren, leiden - wie sie sagen – unter der Kirche. Darunter, dass Amtsträger, Priester und Bischöfe nicht so leben wie man es von ihnen erwartet. Viele leiden darunter, dass die Kirche den Eindruck vermittelt, ein Männer-dominierter Verein zu sein. Viele leiden darunter, dass Frauen zwar die große Mehrheit in den Pfarrgemeinden sind, aber Priester nicht auf Augenhöhe mit ihnen sprechen, sie nicht ernst genommen werden.
Das sind alles wirklich ernst zu nehmende Fragen, die beantwortet werden müssen. Die zugrunde liegende Problematik ist aber noch tiefer. Es gelingt der katholischen Kirche, konkret ihren Amtsträgern nicht gut genug, die grundlegende Struktur der Gemeinschaft Jesu Christi vorzustellen. Zu dieser Struktur gehört vor allem: Freund oder Freundin Jesu Christi wird man nicht durch eine Beitrittserklärung, sondern dadurch, dass man Jesus aufmerksam und geduldig begegnet ist, sich auf ihn eingelassen hat und dann von Jesus gehört hat: Folge mir, bleib bei mir, lass dich auf mich ein. Denn denken wir an die Apostel: Keiner der zwölf Apostel hat sich beworben um das Apostelamt.
Priester sein ist ein Dienst, kein Amt, das Oberhoheit gibt
Keiner hat einen Antrag gestellt. Sie wurden von Christus berufen. Die Grundlage, um Glied in der Kirche zu sein, ist nicht ein Recht, sondern die Berufung von oben. Daher hat auch kein katholischer Mann das Recht, Priester oder Bischof zu werden. Es ist auch kein Amt, das Oberhoheit gibt, sondern es muss ein Dienst sein. Man wird nicht Priester aufgrund eines Antrags, aufgrund des Rechtes darauf, sondern aufgrund des Glaubens, der Überzeugung, Christus beruft mich. Das muss von einem Bischof oder einem Ordensoberen geprüft und bestätigt werden. Daher kann man auch nicht sagen: Aufgrund der Menschenrechte haben Frauen das Recht Priesterinnen zu werden. Es gibt kein Recht auf ein Amt.
Diese Aussagen klingen nun weit weg von der Begegnung Jesu mit der Samariterin. Aber aus dieser Begegnung kann man heraushören: Christus ergreift die Initiative. Er spricht sie an. Er sagt: Gib mir zu trinken. Dann entsteht ein Gespräch. Am Anfang des Glaubensweges muss immer das Hören auf Christus stehen. Dafür braucht man offene Ohren und ein offenes Herz. Und die Frau bringt ihr Vorwissen in das Gespräch ein. Sie ist neugierig, sie stellt Fragen, sie bleibt am Ball. Und das entscheidende Wort Jesu lautet wohl: Gott ist Geist und die ihn wahrhaftig anbeten wollen, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Amen
(radio vatikan - claudia kaminski)
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