D: Wie in Frankfurt Obdachlosen in Zeiten von Corona geholfen wird
Der Kapuzinerbruder Paulus Terwitte lebt in der Frankfurter Innenstadt und ist Vorsitzender des Vorstandes der Franziskustreff-Stiftung. Auch die Arbeit der Freiwilligen im Franziskustreff hat durch die Corona-Pandemie einen kräftigen Wandel erfahren, berichtet Bruder Paulus im Gespräch mit unseren Kollegen vom Podcast Himmelklar:
„Wir hier im Franziskustreff haben normalerweise immer 36 Plätze, wo Leute am Tisch bedient werden mit einem Frühstück. 60 Ehrenamtliche sind im Team, hinzu kommen Hauptamtliche. Als dann die Corona-Krise kam, war klar, wir müssen die Distanzregeln befolgen, denn die Älteren gehören zur Risikogruppe. Auch unsere Ehrenamtlichen gehören oft zur Risikogruppe, die mussten wir dann ausladen.“ So mussten schnell neue, junge Freiwillige her: das Problem konnte gelöst werden durch zwei „gestrandete Kapuziner“, deren Reisepläne durcheinandergewürfelt wurden – und durch eine Neuanstellung aus dem Schaustellergewerbe, ein durch die Corona-Pandemie besonders betroffenes Gewerbe.
Das Angebot wurde ausgeweitet
„Zwölf Plätze haben wir jetzt in unserem Franziskustreff, alle zwei Meter auseinander. Unsere Gäste haben jetzt eine Viertelstunde statt einer Dreiviertelstunde Zeit und sie werden am Tisch bedient in aller Ruhe. Wir haben eine Waschstation aufgebaut draußen im Hof und jeden Tag kommen jetzt noch über 100 Leute, denen wir in gewohnter Qualität unser Frühstücksangebot machen wollen.“
Auch die Sozialberatung laufe wie gewohnt weiter, allerdings werde sie mittlerweile zum Schutz der Sozialarbeiterin und ihrer „Kunden“ via Skype im Beratungsraum durchgeführt, berichtet Bruder Paulus. Es sei in dieser Zeit besonders wichtig, dass den Obdachlosen ihr Alltag wenigstens „ein bisschen“ erhalten bleibe…
„Wir haben in Frankfurt sechs verschiedene Stellen, an denen Essen ausgegeben wird und es wird jetzt mehr Essen ausgegeben an diesen Stellen. 1300 Portionen jeden Tag und von daher muss niemand hier irgendwie darben. Menschen, die kein Zuhause haben, können ja schlecht daheim bleiben. Sie brauchen aber trotzdem eine Tagesstruktur. Es ist wichtig, dass sie wissen: Bei uns im Franziskustreff können sie morgens mit dem Frühstück anfangen.“
Leere Straßen bergen auch Gefahren
Die Folgen, die Corona für die Obdachlosen mit sich bringe, seien vielfältig, berichtet Bruder Paulus Terwitte weiter. Zunächst einmal gebe es weniger Passanten, die man um Almosen bitten könne. Doch die leeren Straßen könnten auch eine ganz konkrete Bedrohung bergen, denn „die Unholde bleiben trotzdem in der Stadt“, unterstreicht der Kapuziner. „Die Menge und Masse gibt auch immer einen Schutz. Die Obdachlosen fühlen sich jetzt schutzloser und natürlich viel ausgelieferter. Man fällt ja gar nicht auf, wenn viele Leute durch die Stadt rennen. Jetzt fallen sie eben auf und das ist auch schon eine große Schwierigkeit. Gesundheitliche Ängste sind da eigentlich weniger.“
Auch für die freiwilligen Helfer stelle die Situation eine besondere „Herausforderung der Liebe“ dar, so der Kapuziner, der im Franziskustreff für die Personalfragen zuständig ist, weiter. Während das Frühstücksangebot normalerweise eine sehr angenehme Tätigkeit darstelle, sei jetzt eine signifikant höhere Aufmerksamkeit auf Hygienestandards und Sicherheitsmaßnahmen nötig – gleichzeitig sei es ein Anliegen, „doppelt so freundlich“ zu den Gästen zu sein, damit sie „die Würde und den Respekt, den sie bei uns bekommen, auch weiterhin hier finden.“
Nicht besonders viel hält der Kapuziner jedoch von spontanen und selbst organisierten Hilfsangeboten wie man sie mittlerweile immer öfters sieht: Klopapier, Hygienemasken und Essen, das Menschen vor ihre Haustür legen, damit Bedürftige sich bedienen können. Zwar finde er es einerseits immer gut und richtig, wenn Leute sich engagierten, aber „andererseits sind da immer zwei Denkfehler“, meint Bruder Paulus.
Lieber an Organisationen spenden
Denn alle obdachlosen Menschen hätten auch ein professionelles Angebot in der Stadt, in der sie lebten, wo sie hingehen könnten: „Und dann muss man auch ein bisschen von ihnen verlangen, dass sie dorthin gehen, damit eine Tagesstruktur entsteht. Ich glaube es ist psychisch und seelisch nicht von Vorteil, wenn man Leuten, die sich sowieso schon schwer bewegen, das Essen auch noch an ihren Sitzplatz bringt. Mein Vater war Jäger und da hat man Essen in den Wald gebracht. Da war so ein Futtertrog und da konnten die Tiere dann hingehen. Wenn ich so Gabenzäune sehe, wo Essen dran gehängt wird, denke ich immer, dass ich das nicht nehmen würde. Ich denke auch, dass diejenigen, wenn sie durch die Stadt gehen und einen Beutel am Zaun hängen sehen, diesen auch nicht mit nach Hause nehmen würden. Das ist etwas unwürdig, würde ich sagen. Von daher bitte ich alle, die jetzt Gutes tun möchten, dass sie die 5 €, die sie spenden möchten, den Organisationen geben, statt irgendwem das Geld in die Hand zu drücken. Die Organisationen geben gerade ihr letztes Hemd, um die Betriebsstellen am Laufen zu halten.“
(podcast himmelklar - cs)
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