D: Debatte über Lebensschutz wegen Lockerung der Corona-Maßnahme
„Jedes Leben ist schützenswert, das des alten und schwachen Menschen genauso wie das des jungen und gesunden, das des ungeborenen Kindes genauso wie das des Kranken auf der Intensivstation", schreibt Woelki am Mittwoch auf Twitter. „Wir glauben an die Würde eines jeden Menschen - ohne Ausnahme."
Rekowski sprach in einer Videobotschaft von einer abstrusen Debatte. „Da wird etwa die Frage gestellt, ob medizinische Hilfe überhaupt noch nötig ist bei Menschen, die eine Lebenserwartung haben, die man nicht mehr in Jahren messen kann." Kirche und Gesellschaft müssten darauf achten, dass die Corona-Krise nicht für Tabubrüche genutzt werde.
Auslöser waren kritische Aussagen von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zu Auflagen zum Schutz von Risikogruppen. Er sagte am Dienstag im Sat.1-Frühstücksfernsehen: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Später entschuldige sich Palmer für seine Äußerung. Er habe auf das „moralische Dilemma" hinweisen wollen.
Auch Äußerungen von Bundestagspräsident Schäuble sind in der Debatte. Dem „Tagesspiegel" hatte der CDU-Politiker gesagt: „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz des Lebens zurückzutreten, dann muss ich sagen, das ist in dieser Absolutheit nicht richtig." Wenn es überhaupt einen absoluten Wert im Grundgesetz gebe, so sei das die Würde des Menschen. Diese sei unantastbar.
Gut begründen und abwägen
Der Schutz des Lebens könne die Einschränkungen anderer Freiheitsrechte rechtfertigen, das müsse dann aber „immer genau begründet und abgewogen werden", äußerte sich dazu der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Er unterstützte die Aussagen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, wonach das Leben keinen absoluten Höchstwert darstelle.
Allerdings habe der Schutz des Lebens und der Menschenwürde in der christlichen Ethik wie im Grundgesetz eine herausragende Stellung, so Schockenhoff. „Das Leben ist unter allen Gütern das schlechthin fundamentale, weil es ja erst die Voraussetzung dafür ist, andere Rechte wahrnehmen zu können."
Das neue Ethikrat-Mitglied Frauke Rostalski unterstützen Schäubles Position. Auch das Leben werde „gegen andere Rechtsgüter abgewogen", schreibt die Jura-Professorin an der Universität Köln in einem Gastbeitrag im „Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag). Wenn zum Beispiel einem Toten keine Organe entnommen würden, obwohl andere Menschen so gerettet werden könnten, dann werde die Selbstbestimmungsfreiheit des Menschen sogar über dessen Tod hinaus stärker gewichtet als der Lebensschutz.
(kna - gs)
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