Schweiz: Neuer Schock im Westschweizer Bistum
Domherr Alains Chardonnens hätte Nachfolger von Domherr Paul Frochaux an der Kathedrale werden sollen. Daraus wird nun vorerst nichts. In einer eilends einberufenen Pressekonferenz informierte das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg am Mittwoch über die Hintergründe. Die Westschweizer Zeitschrift „L'Illustré“ publizierte am Mittwoch Fotos des Domherrn, die dieser auf einer Dating-Plattform von sich veröffentlichte. Darunter sollen auch Nacktbilder gewesen sein. Diözesanbischof Charles Morerod habe daraufhin Chardonnens nahe gelegt, eine Auszeit zu nehmen. Der Bischof denke dabei an einen Aufenthalt in einem Kloster, wie er am Mittwoch gegenüber den Medien sagte. Die Missbrauchsfrage sei im Bistum nicht ausgestanden, so Morerod.
Der Fall Frochaux
Frochaux hat dieses Jahr auf 1998 zurückgehende sexuelle Handlungen mit einem damals Minderjährigen zugegeben. Diözesanbischof Charles Morerod wollte Frochaux 2016 als Bischofsvikar für Neuenburg ernennen. Bei einem Treffen habe der Priester dem Bischof von sich aus erklärt, dass im Jahr 1998 etwas vorgefallen sei. Er verheimlichte jedoch das Alter des Opfers. Frochaux ist aufgrund der Geschehnisse Ende Juni vom prestigeträchtigen Amt des Pfarrers der Kathedrale Freiburg zurückgetreten. Am 6. Juli wurde bekannt, dass Domherr Alains Chardonnens sein Nachfolger werden sollte.
Zwei Untersuchungen
Ende 2019 veröffentlichte die Zürcher Zeitung „Tages Anzeiger“ Hintergründe zum Fall Frochaux und unterstellte Morerod, er habe in der Sache versagt, weil er sich nicht rechtzeitig nach dem Alter des Opfers erkundigt habe. Das Bistum beauftragte daraufhin eine interne Kommission, Nachforschungen über ein verschwundenes Protokoll aus dem Jahr 2001 anzustellen. Ein Genfer Anwalt sollte zudem die direkten Vorwürfe gegen Frochaux prüfen.
Die Berichte der beiden Untersuchungen wurden am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt. Die interne Untersuchung habe ergeben, dass sich im Priesterdossier von Frochaux ab Ende 2001 ein Umschlag befunden habe, der das Protokoll eines Gesprächs vom 30. November 2001 enthalten hatte, erklärte Cédric Chanez in Freiburg. Als Mitarbeiter des diözesanen Kanzlers gehörte er der Untersuchungskommission an.
Heute sei das Gesprächsprotokoll nicht mehr vorhanden, und es könne nicht nachvollzogen werden, was damit geschehen sei, so Chanez. Die Existenz des Protokolls aus dem Jahr 2001, als Frochaux ein erstes Mal zur Rede gestellt wurde, sei aber aufgrund eines Eintrags im elektronischen Archiv bewiesen.
Weiter hält der Bericht der Untersuchungskommission fest, der der Presse am Mittwoch vorgestellt wurde, dass der Schweregrad des Geschehens in der Sitzung vom 30. November 2001 beschönigt worden sei. Im Protokoll, das um 2015 noch vorhanden war, heute aber verschwunden sei, sei weder von schwerwiegenden Taten die Rede gewesen noch von dem Umstand, dass ein Minderjähriger involviert gewesen sei.
Morerod sei wiederholt und in ganz allgemeiner Weise über den Fall informiert worden. Die Details, wie sie Ende 2019 in der Presse beschrieben worden seien, seien dem Bischof unbekannt gewesen. Morerod sei von Frochaux angelogen worden.
Das Opfer von 1998 und seine Freundin wandten sich im Jahr 2001 an den damaligen Bischof Bernard Genoud. Diese Briefe haben gemäß Morerod keine Rückschlüsse auf eine pädophile Neigung des Priesters zugelassen. In den beiden schriftlichen Aussagen würden entsprechende Neigungen ausgeschlossen, sagte Morerod. Heute würde er die Zeilen anders lesen, erklärte Morerod vor den Medien.
Gegen Frochaux lief eine zweite Untersuchung. Mit dieser war der Genfer Anwalt Maurice Harari, der nicht der katholischen Kirche angehört, beauftragt. Er muss den Vorfall von 1998 untersuchen sowie Vorwürfe eines Priesters, der erklärte, Frochaux habe ihn sexuell belästigt.
Dazu hält das Anwaltsbüro in seinem Schlussbericht fest, dass es sich beim Übergriff durch Frochaux im Jahr 1998 um einen Einzelfall gehandelt habe, „da danach keine Hinweise auf Missbrauch ermittelt werden konnten“.
Bezüglich der Anschuldigung des Priesters gegen Frochaux hält das Anwaltsbüro fest, dass die Untersuchung in keiner Weise nachweisen konnte, dass in einer von Frochaux betreuten Pfarrei zwischen 2008 und 2011 eine homoerotische Atmosphäre geherrscht habe.
Deshalb müsse die Frage, ob der klagende Priester irgendeiner Form von Belästigung ausgesetzt war und ob das Verhalten seines Vorgesetzten ihm gegenüber das eines Wiederholungstäters war, „verneint werden“. Diese Feststellung lasse jedoch nicht den Schluss zu, dass der klagende Geistliche lüge, „da die Wahrnehmung von Belästigung jeglicher Art immer eine subjektive Komponente umfasst“.
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