D: Jesuiten-Flüchtlingsdienst fordert Klarheit zum Kirchenasyl
DOMRADIO.DE: Warum braucht es das Kirchenasyl als Institution? Der Staat hat ja eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes die Staatsgewalt, die von niemandem untergraben werden sollte.
P. Claus Pfuff SJ (Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes): Die sollte keiner untergraben, und das wollen wir ja auch nicht. Aber letztlich hat das Kirchenasyl für die Kirche - auch vom Alten Testament her - eine ganz alte Tradition. Es hat immer wieder Orte gegeben, wo Verfolgte einfach Zuflucht gefunden haben. Man muss wissen: Auch Kirchenasyl wird nicht leichtfertig durchgeführt, sondern es geht hier um Härtefälle.
DOMRADIO.DE: In welchen Fällen greift das?
Pfuff: Ein Fall aus der letzten Zeit: Eine Frau ist nach Deutschland gekommen, um hier ein gerechtes Asylverfahren zu bekommen. In Italien ist sie zur Prostitution gezwungen worden. Diese Frau wurde jetzt ins Kirchenasyl aufgenommen und hat dort ihre Zwillinge zur Welt gebracht. Sie hatte Angst, nach Italien abgeschoben zu werden und wieder in die Hände der Zuhälter zu gelangen.
Im Kirchenasyl werden Verfahren geprüft, für die Dossiers erstellt werden müssen. Das Ziel ist, ein faires Asylverfahren und eine soziale Unterstützung zu bekommen. Das ist der Hintergrund und das ist das, was wir wollen. Man muss einfach wissen, dass der Umgang mit Asylverfahren in der EU ja auch sehr ungleich ist.
DOMRADIO.DE: Experten vermuten, dass es nicht zu einem Urteil kommen wird. Aber was wäre, wenn Mutter Mechthild rechtskräftig verurteilt wird? Würde den Status des Kirchenasyls zunichtemachen?
Pfuff: Es ist nicht sicher, was passieren wird. Ich denke, es ist wichtig, weiter zu gehen und das wirklich zu klären. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat selber in der Vereinbarung von 2015 gesagt, dass die Tradition des Kirchenasyls an sich nicht in Frage gestellt werden soll. Wichtig ist, noch einmal zu klären: Was sind diese Vereinbarungen wert, die in den letzten Jahren ausgehöhlt wurden, die einfach auf verschiedene Weise immer wieder versucht wurden, abzuschaffen?
Das zeigt sich allein an dem Versuch, Leute, die im Kirchenasyl sind, als untergetaucht zu deklarieren und damit das ganze Verfahren auf 18 Monate zu erhöhen. Oder jetzt auch diese strafrechtliche Verfolgung von Mutter Mechthild. Wie steht es mit diesen Vereinbarungen von damals, und wie wird das weiterhin gehandhabt? Das zu klären ist wichtig, um eben auch ein Stück weit die Rolle der Kirche mit ihrer Schutzfunktion gegenüber Menschen zu definieren, die ungerecht behandelt werden, und auch die Gemeinden, die das durchführen, zu schützen und zu stärken.
DOMRADIO.DE: Jetzt würde man ja erwarten, dass die Amtskirche sich hinter eine Ordensschwester stellt, die Flüchtlinge schützt. Bisher gibt es da aber noch keine offizielle Äußerung. Können Sie sich das irgendwie erklären?
Pfuff: Die Kirche hat sich zumindest insofern dahinter gestellt, indem sie die Personen mit einem rechtlichen Beistand begleitet und unterstützt hat. Klar muss man sagen, die Kirchen sind relativ ruhig. Ich würde mir da auch deutliche Worte wünschen.
Aber diese Eskalationsstufe, nochmal strafrechtlich vorzugehen, ist jetzt neu. Bisher sind die Verfahren immer wieder eingestellt worden - bis auf das letztes Jahr in Immenstadt, bei dem es zu einer Bußgeldverurteilungen kam. Manchmal geht es auch darum, die Rolle der Amtskirche im Hintergrund zu verhandeln und zu schauen, was das Beste für die betroffenen Personen ist. Gerade für die, die im Kirchenasyl sind.
Das Interview führte Michelle Olion.
(domradio)
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