D: Heße lässt Amt beim ZdK ruhen
Die Vorwürfe beziehen sich auf die Zeit, in der Heße Personalchef im Erzbistum Köln war. Jetzt hat der Hamburger Erzbischof erklärt, er lasse sein Amt als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ruhen, bis alle Vorwürfe rund um eine mögliche Vertuschung von Missbrauch geklärt sind. Heßes Erklärung kam am Donnerstagabend unmittelbar vor Beginn der virtuellen Vollversammlung des Laiengremiums an diesem Freitag und Samstag.
Die Vorwürfe weist Bischof Heße weiterhin zurück. „In der Frage, welche kirchenrechtlichen Schritte erforderlich gewesen wären, musste ich mich damals auf das Urteil der juristischen Experten des Erzbistums Köln verlassen“, sagte er am Donnerstag der KNA. Der 54-Jährige war ab 2006 Personalchef und später Generalvikar im Erzbistum Köln. Seit 2015 ist er Erzbischof von Hamburg.
Heße will für Aufklärung aller Sachverhalte sorgen
Laut offizieller Mitteilung des ZdK erklärte Heße am Abend, er bedauere es, „dass seine Aufgabe für das Zentralkomitee zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch die öffentliche Debatte über die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln belastet“ sei. Er werde sich in der nächsten Zeit „auf eine angemessene Aufklärung aller zur Diskussion stehenden Sachverhalte konzentrieren“.
ZdK-Präsident Thomas Sternberg betonte, er habe Respekt vor Heßes Entscheidung. Zugleich versicherte er dem Erzbischof die „ständige Gesprächsbereitschaft des ZdK-Präsidiums“ und dankte ihm für sein bisheriges Engagement und die „exzellente Zusammenarbeit“.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) begrüßte Heßes Rückzug aus seinem ZdK-Amt. Nach diesem ersten Schritt müsse es aber noch weitergehende Konsequenzen geben, sagte die stellvertretende kfd-Vorsitzende Agnes Wuckelt am Freitagmorgen im SWR. „Bischof Heße hat einen ersten Anlauf gemacht, als er ein Ehrenamt niedergelegt hat, und da jetzt zu sagen, ich ziehe mich zurück ist ein guter Schritt, aber es ist ein erster kleiner Schritt“, formulierte die Theologin. Zugleich kritisierte sie eine aus ihrer Sicht „zum Teil unkoordinierte Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche“.
Immer noch entscheide jeder Bischof für sich, wie sein Bistum mit der Problematik umgehe, so Wuckelt weiter: „Ich glaube, das ist das Dilemma, dass hier im Moment noch Bischöfe sagen können, es ist in den Strukturen, ich war hilflos.“ Irgendwann aber werde der erste Bischof seinen Hut nehmen und gehen: „Anders scheint es uns nicht sinnvoll.“
Bistum Münster: Ausführliche Erklärung
Unterdessen reagiert jetzt auch das Bistum Münster auf einen Bericht der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“. Darin wird über einen Priester A. des Erzbistums Köln berichtet, der mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs rechtskräftig verurteilt wurde. Trotzdem zogen ihn Bischöfe mehrerer Bistümer nicht aus dem Verkehr. A. war von 1973 bis 1988 auch im Bistum Münster im Einsatz und lebt heute im Bistum Essen.
Das Bistum Münster erklärt, die „Verantwortung und die Federführung für die Aufarbeitung und Kommunikation des Falls“ lägen im Erzbistum Köln. Das Erzbistum Köln hatte im November 2019 die Öffentlichkeit erstmals über den Fall informiert. Das Bistum Münster habe unmittelbar im Anschluss seinerseits die allgemeine Öffentlichkeit mittels einer Pressemittelung informiert.
„In der Folge gab es mehrere Veranstaltungen in den Pfarreien, in denen Priester A. in seiner Zeit im Bistum Münster im Einsatz war (Westerkappeln, Recklinghausen und Moers), bei denen Vertreter des Bistums (Interventionsbeauftragter, Weihbischöfe und Generalvikar) zu dem Sachverhalt Rede und Antwort gestanden haben. Auf den Veranstaltungen wurden seitens der Vertreter des Bistums die Namen der damaligen Verantwortungsträger im Bistum Münster genannt und Schuld und Verfehlungen eingeräumt. Auch über den Verlauf dieser Veranstaltungen hat das Bistum die allgemeine Öffentlichkeit informiert.“
Die Vorgänge, die den Einsatz dieses Priesters im Bistum Münster betreffen, seien auch Gegenstand von Untersuchungen einer Historikerkommission der Universität Münster, die im Auftrag des Bistums den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs und Klerikern seit 1945 untersuchen solle. „Das machen die Wissenschaftler in völliger Unabhängigkeit vom Bistum Münster.“
Im Jahr 2019 sei zwischen den Bistümern Essen, Köln und Münster vereinbart worden, „dass ausschließlich das Erzbistum Köln in der Angelegenheit Auskünfte gibt, da der Priester nach wie vor dort inkardiniert ist, also Priester des Erzbistums war und ist“, so die Verantwortlichen im Bistum Münster. „Sämtliche Unterlagen aus dem Bistum Münster zu dem Fall sind daher vom Interventionsbeauftragten des Bistums Münster, Peter Frings, im Jahr 2019 an das Erzbistum Köln für die dort in Auftrag gegebene Aufarbeitung übermittelt worden.“ Diese Unterlagen seien eingeflossen in das Sondergutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl zum Fall von Priester A., das federführend vom Erzbistum Köln gemeinsam mit den Bistümern Essen und Münster in Auftrag gegeben wurde.
„Dem Bistum Münster liegt bis heute lediglich eine Ausarbeitung der Kanzlei vom 1. August 2019 vor, die auch Gegenstand von Beratungen der Bistümer gewesen ist. Endgültige Feststellungen der Kanzlei wurden dem Bistum Münster zu keinem Zeitpunkt übermittelt. Bis heute ist das Bistum Münster über mögliche weitere Erkenntnisse in der Angelegenheit des Pfarrers A. zu keinem Zeitpunkt informiert worden. Das Bistum Münster würde eine unmittelbare Veröffentlichung der Ausarbeitung der Kanzlei Westphal Spilker Wastl zum Fall des Priesters A. begrüßen.“
Sternberg zeigt Verständnis für Empörung über Erzbistum Köln
Für die Empörung von Gläubigen über die Vorgänge im Erzbistum Köln zeigt ZdK-Präsident Thomas Sternberg Verständnis. „Wenn die Presseberichte zutreffen, nach denen der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln instrumentalisiert wurde für die Akzeptanz einer veränderten Strategie, dann ist das ein sehr schwerwiegender Skandal“, sagte Sternberg bei der digitalen ZdK-Vollversammlung am Freitag.
Wer Transparenz ankündige, stehe in der Verantwortung, für eine „angemessene Veröffentlichung“ zu sorgen. Ende Oktober hatte die Erzdiözese in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Betroffenbeirat mitgeteilt, dass das Gutachten über den Umgang mit Missbrauchsfällen der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wegen angeblicher methodischer Mängel nicht veröffentlicht wird und der Kölner Strafrechtler Björn Gercke eine neue Untersuchung vorlegen soll. Die ehemaligen Sprecher des Betroffenenbeirats sagten am Donnerstag der „Süddeutschen Zeitung“, sie hätten ihre Zustimmung zu dem Vorgehen unter Druck gegeben.
Angesichts solcher Vorgänge, so Sternberg, frage man sich: „Haben die Verantwortlichen wirklich verstanden, was sexueller und auch geistlicher Missbrauch bedeuten? Bis in die Gegenwart scheinen die Täter und die Institution mehr als die Betroffenen im Blick zu sein.“
Die Laien übten diese Kritik nicht selbstgerecht, fügte der ZdK-Präsident hinzu: „Auch Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte wussten oft von den Vergehen und haben das Verfahren gestützt.“ In der Kirche wögen Vergehen an Kindern besonders schwer, mahnte Sternberg. Nicht zuletzt wegen ihres moralischen Anspruchs müsse die Kirche zum Vorbild in Sachen Aufarbeitung werden. Ziel müsse sein, dass andere betroffene Bereiche „nicht hinter das Anspruchsniveau der katholischen Kirche zurückfallen können“.
ZdK für mehr Transparenz und Konsequenz
Das ZdK fordert mehr Transparenz und Konsequenz bei der Aufarbeitung des Missbrauchskandals in der katholischen Kirche. Auch Bischöfe und andere Leitungspersonen müssten Verantwortung übernehmen und zu strukturellen Veränderungen bereit sein, heißt in einem Antrag, der am Freitag bei der ZdK-Vollversammlung beschlossen wurde.
„Wir sind ernüchtert, beschämt und zornig, dass sexualisierte Gewalt in der Kirche immer noch vertuscht wird.“ Sexualisierte Gewalt sei seit langem ein „strukturelles Problem in der katholischen Kirche“. Es brauche eine schonungslose Aufarbeitung sowie eine freimütige Diskussion, mahnen die obersten Laienvertreter.
„Wir sehen jedoch, dass es noch immer Bischöfe und andere Leitungsverantwortliche gibt, die ihre Macht missbrauchen, keine persönliche und institutionelle Verantwortung übernehmen und nicht zu strukturellen Veränderungen bereit sind.“ Die aktuellen Vorgänge im Erzbistum Köln kritisierte das Gremium als intransparent - und forderte eine vollständige Offenlegung, insbesondere des Gutachtens der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW).
Der Fall A.
Der Fall des inzwischen 87-jährigen Priesters A. hatte Ende 2019 für heftige Kritik gesorgt. Er war trotz der beiden Verurteilungen in drei Bistümern als Seelsorger tätig, ab 2002 als Ruhestandsgeistlicher im Bistum Essen. Die beteiligten Bistümer Köln, Münster und Essen haben Untersuchungen zu dem Fall in Auftrag gegeben.
Der Priester des Erzbistums Köln war seit 1960 in Köln und dann im zum Erzbistum gehörenden Essen-Kettwig tätig, bevor er 1972 wegen „fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen“ zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Danach war er ab 1973 im Bistum Münster eingesetzt, bis er 1988 wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen eine Bewährungsstrafe erhielt.
1989 kehrte A. als Altenheimseelsorger nach Köln zurück. Als Ruhestandsgeistlicher war er dann von 2002 bis 2015 in Bochum-Wattenscheid im Bistum Essen. Erst 2019 verbot ihm der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki priesterliche Dienste. Inzwischen hat die Glaubenskongregation im Vatikan einen kirchlichen Strafprozess gegen den heute in einem Pflegeheim lebenden Geistlichen geführt.
(kna/vatican news/bistum münster – sk)
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