D: „Jeder Mensch hat eine königliche Würde"
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
„Das Thema Königswürde ist mir ein Herzensanliegen geworden”, sagt Ralf Knoblauch. Der Ständige Diakon ist im Bonner Norden als Seelsorger im Einsatz und hat viel mit Menschen in gebrochenen Lebenssituationen zu tun: verletzte Familien, Drogen, Alkohol, Gewalt. Und er arbeitet mit Geflüchteten. Menschen, die alles verloren haben. Oder fast alles. Denn es gibt etwas, das aus christlicher Sicher kein Mensch je verlieren kann: die Würde. Seine eigene, persönliche Königswürde. Weil er diese Botschaft Christi verbreiten will, steht der gelernte Tischler Ralf Knoblauch, seit er Diakon ist, jeden Morgen ganz früh auf, geht für eine Stunde in seine Werkstatt und schafft aus rohen, alten Eichenbalken Könige und Königinnen. „Für mich ist es eine Art der Verarbeitung dieser Situationen geworden, die mir täglich neu gespiegelt werden, dass jeder Mensch seine Würde hat, egal wie schlecht es ihm geht. Und das findet sich ausdrucksstark in den Königen.”
Es sind inzwischen Hunderte. Ralf Knoblauch behält sie nicht für sich. Im Gegenteil, er schickt sie in die Welt, er entsendet sie wie eine Schar Botschafter und Botschafterinnen. „Sie sind auf allen fünf Kontinenten vertreten”, erzählt der Diakon nicht ohne Stolz. „Ich habe viele Könige im arabischen Raum. Das hängt damit zusammen, dass ich viel mit Geflücheten zu tun habe. Daraus haben sich viel Orte ergeben in Syrien, Pakistan, Afghanistan. Darüber hinaus in afrikanischen Ländern. Was mir besonders wichtig und ein großes Anliegen ist, dass ich jetzt seit geraumer Zeit einen meiner Könige auf einem Rettungsschiff im Mittelmeer habe, wo er der Besatzung täglich spiegelt, wenn wir hier Menschenaus dem Meer ziehen, Menschen vor dem Ertrinken retten, ist das eine zutiefst christliche humane Mission, die wir erfüllen. Das möchte der kleine König dieser Mannschaft mit auf den Weg geben.”
Eine nicht mehr junge Frau mit Kopftuch, orange Rettungsweste. Schmerz in den Gesichtszügen. In den Händen hält sie einen König mit goldener Krone und weißem Hemd. Wange an Wange steht sie mit der lächelnden Königsfigur, ein Bild, das von inniger Zärtlichkeit, Verletzlichkeit und eben Würde spricht. Der Schnappschuss ist in einer Flüchtlingsunterkunft in Essen entstanden, erzählt Ralf Knoblauch. „Wir haben dort einen Workshop gemacht mit den vielen Geflücheten, die dort leben, und mit ihnen über ihre Fluchtgeschichten gesprochen. Und am Ende des Tages stand die Frage, wer sich diese Königswürde nochmal anders spiegeln lassen wollte, indem er einen dieser kleinen Könige oder Königinnen in der Hand hält und vielleicht auch als Identifikationsmerkmal mit einer Schwimmweste, mit der viele durchs Mittelmeer zu uns gekommen sind. Es ist eine Jesidin, die dort abgebildet ist, die dann auch sehr spontan diesen König, den sie in der Hand hält, umarmt hat.”
„Berührend“ sei dieser Moment gewesen, so der Diakon, und „berühren“ ist ein Wort, das überhaupt gut auf diese Königsfiguren passt. Die nämlich soll und darf man anfassen. „Die Menschen sind immer auch aufgefordert, auch haptisch mit den Königen in Verbindung zu treten, sie nicht als Kunst zu betrachten, die man nur betrachten kann, sondern man soll die Risse und Kanten dieses groben Holzes in sich aufnehmen und erspüren, wenn man möchte.“ Es sind Figuren aus ungeschliffenem Material, gleichsam: versehrte Figuren. „Sie sind keine perfekten Könige, sie haben Ecken und Kanten, Fehler wie du und ich, das macht sie halt zutiefst menschlich. Und dadurch, dass sie alle diesen lächelnden, schmunzelnden Gesichtsausdruck haben, findet gleich nochmal eine ganz andere Berührung statt.“
Aus welchem Holz sie geschnitzt sind, die Könige und Königinnen? Aus ganz besonderem, erzählt der Diakon. „Sie entstehen fast alle aus sehr altem Eichenholz, Fachwerk, sie waren früher in einem Fachwerkhaus im Gebälk verarbeitet, haben also eine uralte Geschichte in sich. Wenn ich mich diesem Holz nähere, ist das immer auch eine sehr ehrfurchtsvolle Begegung, weil diese lange Geschiche für mich mitschwingt in diesem Holz. Ich behaue das Holz nur, ich bin kein Schnitzer, ich bleibe im Gröberen verhaftet, und ich arbeite mich immer auch ein ganzes Stück weit körperlich an diesem Holz ab. Es gibt keine Skizze vorher – es gibt eine Idee im Kopf, und die setze ich um. Ich muss den König nur aus dem alten Eichenholz befreien.“
Jeden Wochentag beginnt der Seelsorger mit dieser Stunde frühmorgens in der Werkstatt. Kein Hobby, sondern Meditation. Das letzte, was der Diakon jedem seiner Könige mit auf den Weg gibt, ist der Gesichtsausdruck. „Das ist reduziert auf wenige Stilmittel. Meine Könige und Königinnen haben keine Haare und keine Ohren, es geht allein um die Mimik, und die muss eine sehr positive Ausstrahlung haben. Man wird bei mir schmunzelnde lächelnde Könige und Königinnen finden, manche gucken vielleicht ein bisschen nachdenklich, aber kein König verlässt traurig meine Werkstattt, das ist mir wichtig.“
November, letzter Sonntag im Kirchenjahr, Christkönig: Das ist ein besonderes Hochfest für Ralf Knoblauch und sein Herzensanliegen. „Für mich ist es Grundlage unseres täglichen Zusammenlebens, dass jeder Mensche Würde in sich trägt, egal welche Religion oder Hautfarbe er hat – jeder hat diese Würde. Für mich als Theologe zeigt sich die Ebenbildlichkeit Gottes darin, dass wir alle Königskinder sind. Wir alle sind Könige. Dass uns das immer neu bewusst wird, spiegelt sich am Christkönigssonntag neu wieder.“
(vatican news - gs)
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