D: Flüchtlingshelferin fordert Abschiebestopp nach Afghanistan
DOMRADIO.DE: An diesem Dienstag sollen von München aus wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden. Sie sagen, das geht gar nicht. Wie begründen Sie das?
Marianne Arndt (Kölner Gemeindereferentin, aktiv bei „Willkommenskultur Köln“): Nein, das geht gar nicht, weil Afghanistan Hochrisikoland ist. Es werden Menschen in Afghanistan gezielt umgebracht. Übergriffe gab es zuletzt wieder. In den letzten beiden Wochen starben in Kabul acht Menschen. 21 wurden bei insgesamt 16 Anschlägen verletzt. Am 17. Januar wurden zwei Richterinnen auf offener Straße erschossen. All dies geschieht und es kommt kaum noch in unsere Presse.
DOMRADIO.DE: Was erwartet denn die Afghanen, wenn sie gegen ihren Willen zurück in die Heimat geschickt werden?
Arndt: Anfeindung. Denn die Taliban wissen, dass da Leute ankommen, die Feinde der Taliban sind und sich aus ihrem Land verabschiedet haben. Die werden gezielt aufgesucht. Selbst wenn diese Menschen, die abgeschoben wurden, noch Verwandte in Afghanistan haben, dürfen sie kaum Kontakt zu denen aufnehmen, weil dann die gesamte Verwandtschaft von denen, die in Afghanistan leben, von den Taliban mit Repressalien bedroht wird.
Also, wir strafen nicht nur die Menschen, die wir abschieben, sondern auch die Menschen, die dann in Afghanistan leben und versuchen, ihr Leben weiterzuleben.
DOMRADIO.DE: Das heißt, die Menschen wollen auch nicht zurück?
Arndt: Nein, die Menschen wollen auch gar nicht zurück. Am Dienstag soll ein 20-Jähriger aus der Abschiebehaft Büren abgeschoben werden, der mit neun Jahren nach Deutschland kam, dessen Mutter nie eine Chance hatte, Lesen und Schreiben zu lernen. Dieser Junge ist nach dem Jugendstrafrecht straffällig geworden. Jetzt ist er entlassen worden und wird abgeschoben. Es wird ihm keine Chance gegeben, obwohl er jegliche Hilfe wirklich zu nutzen versucht.
DOMRADIO.DE: Wie werden denn die Asylanträge von Afghanen in Deutschland generell behandelt?
Arndt: Ich glaube, es gibt keine generelle Handhabe, aber grundsätzlich ist es so: Afghanistan gilt als eines der sicheren Länder, dorthin können wir abschieben, zumindest in Teilbereiche nach Afghanistan. Und so werden auch Asylanträge behandelt. Nach dem Maß, dass man sagt: Afghanistan ist ein sicheres Drittland, da kann wieder zurückgeschoben werden.
DOMRADIO.DE: Aber Sie sagen ja, es ist kein sicheres Drittland.
Arndt: Nein. Afghanistan gehört indexmäßig zu den gefährdetsten Ländern, wo am meisten Brutalität herrscht. Man kann sich das doch vorstellen. In Afghanistan ist der Krieg 1977/78 ausgebrochen. Seit dieser Zeit kennt das Land nur Gewalt, Mord und Totschlag - mehr als eine Generation. Die Menschen sind doch gar nicht normal aufgewachsen, sie haben doch gar keine Chance gehabt, sich normal zu sozialisieren.
DOMRADIO.DE: Und Sie ärgert das ganz besonders, weil das nicht zum christlichen Menschenbild passt aus Ihrer Sicht?
Arndt: Nein. Meines Erachtens nach müssten wir in den Kirchen, müssten wir natürlich als Christen aufstehen und sagen: So, das geht nicht, wir müssten uns vor die Flieger stellen. Schrecklich ist es, dass die Parteien, die das "C" vorne dran haben, diese Abschiebung protegieren.
Bei der ersten Abschiebung hatte ich eine Demonstration in Düsseldorf am Flughafen mitveranstaltet - am 69. Geburtstag von Seehofer, als die erste Abschiebung ging. Ich war im vergangenen Monat noch mal in Düsseldorf am Flughafen. Es war so bedrückend: Menschen, viele Afghanen, die täglich Angst um ihr Leben haben, nicht nur in Afghanistan und auch hier, weil sie nämlich kein Recht und Gesetz erfahren. Das ist nicht christlich.
Das Interview führte Dagmar Peters.
(domradio – mg)
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