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Walters Art Museum: Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus Walters Art Museum: Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus 

Unser Sonntag: Zeit für Gott

Jan Lehmann lädt uns dazu ein, uns Zeit für Gott zu nehmen und macht darauf aufmerksam, dass es nur wenige Beschreibungen eines ganzen Tagesablaufs in den Evangelien gibt. Markus, so Lehmann, tut das ganz bewusst am Anfang und am Ende seines Evangeliums.

Jan Lehmann, Jugendpfarrer und Spiritual im Bistum Trier

Mk 1,29-39

1. „Wie ein Tag verläuft, entscheidet sich an seinem Vorabend.“ Diese Lebensweisheit habe ich im vergangenen Herbst vor der Priesterweihe in Trier von einem Jesuitenpater gehört.
Am Vorabend der Priesterweihe haben wir uns zu einem kurzen Gottesdienst getroffen, um anschließend in die Nacht vor der Weihe zu gehen. Der Jesuitenpater wies mit diesem Satz darauf hin, dass wir durch die Gestaltung des Vorabends einen gewissen Einfluss auf den kommenden Tag nehmen.

Unser Sonntag - hier zum Nachhören

Für alle, die das Stundengebet kennen, wird diese Erkenntnis nicht neu sein. Die Sonntage und hohe Festtage werden mit der Ersten Vesper eingeläutet.
Dass der Vorabend eines neuen Tages wichtig werden kann, habe ich schon als Kind gemerkt: Denn vor meinem Geburtstag war ich immer sehr aufgeregt und konnte nur schwer einschlafen.
Der Vorabend ist auch für manche Brautleute eigentümlich wichtig. Die Braut verbringt die letzte Nacht vor der Trauung nicht in der gemeinsamen Wohnung mit dem Bräutigam und gibt so diesem Vorabend eine besondere Bedeutung.
All diese Beispiele machen mir deutlich, dass wir Menschen der Lebensweisheit, dass sich ein Tag auch mit dem Vorabend entscheidet, einiges zutrauen.

„Irgendwann am Morgen verspürt Jesus das Bedürfnis allein zu sein und zieht sich zurück.“

2. Das heutige Sonntagsevangelium hält eine außergewöhnliche Überraschung bereit: Es erstreckt sich von einem Tag auf den nächsten. Mehr als 24 Stunden erzählt dieser Abschnitt uns aus dem Leben Jesu und erlaubt uns einen sehr seltenen Einblick in den Verlauf eines Tages im Leben Jesu. Genau genommen gehören das Evangelium des letzten Sonntags (Mk 1,21-28) und des heutigen Sonntags zusammen. Am vergangenen Sonntag wurde berichtet, wie Jesus mit den Jüngern am Sabbat die Synagoge besuchte. Im Anschluss daran hören wir heute, wie er danach bei Simon zu Besuch ist. Er heilt dort dessen kranke Schwiegermutter, danach essen sie zusammen und verbringen gemeinsam den Tag. Abends kommen an Leib und Seele Verletzte zu ihm und bitten ihn um Heilung. Danach legt er sich hin und ruht einige Zeit aus. Irgendwann am Morgen verspürt Jesus das Bedürfnis allein zu sein und zieht sich zurück. Nachdem seine Jünger ihn finden, fasst er den Entschluss diesen Ort zu verlassen und in ganz Galiläa zu predigen und zu heilen. Hier endet unser Evangelium und hier endet auch der Blick in diesen Tag von Jesus.

Auch die Passion Jesu schildert Markus als Tagesbeschreibung

3. Im Markusevangelium gibt es nur noch eine weitere Stelle, bei der über einen Tag hinweg uns etwas aus dem Leben Jesu erzählt wird. Und es tun sich interessante Parallelen auf. Diese zweite Tagesbeschreibung (Mk 14,12-15,47) findet sich ziemlich am Ende bei Markus und ist uns als Passion bekannt. Sie beginnt mit dem Gründonnerstag, als Jesus das letzte Abendmahl feiert. Er müssen einige Vorbereitungen getroffen werden, damit er mit seinen Jüngern gemeinsam Essen und Zeit verbringen kann. Dann will er alleine sein und verbringt die Nacht im Garten Getsemani, wo er verhaftet wird. Die anschließende Misshandlung lässt ihn zu einem Verletzten werden, der nur noch mit Mühe und Unterstützung seinen Weg zur Kreuzigung gehen kann. Um die neunte Stunde stirbt er und wird in der Nähe begraben. Diese Ereignisse gehen der Auferstehung voraus. Es lässt sich sagen, dass die Kartage, der Vorabend des Ostermorgens sind. Sie bereiten alles vor und sind entscheidend für das, was danach beginnt: Das leere Grab, die Botschaft der Engel und die Begegnung mit dem Auferstandenen, der einen neuen Anfang setzt.

4. Ich denke, dass Markus sehr bewusst zu Beginn und am Ende seines Evangeliums über einen Tag hinweg Jesus begleitet und beschreibt, was passiert. Es sind Schlüsselstellen, die uns die Bedeutung und die Wirkung Jesu vor Augen führen wollen. Schauen wir genauer auf das heutige Evangelium, um herauszufinden worauf uns Markus aufmerksam machen will.

Wir erfahren, wie Jesus den Sabbat verbringt

5. Wir befinden uns mit dem heutigen Sonntag im ersten Kapitel des Markusevangeliums. Viel ist noch nicht passiert: Jesus beginnt sein öffentliches Auftreten, in dem er sich taufen lässt, in der Wüste in Versuchung geführt wird und anschließend seine ersten Jünger beruft. Und jetzt beginnt der Tag von dem wir hören. Es ist Sabbat. Wir erfahren also, wie Jesus den Sabbat verbringt.
Die Gestaltung des Sabbats ist für Jesus und seine Gegner immer wieder ein Streitthema. Im Buch Genesis (Gen 2,1-3) wird der Sabbat als Abschluss des Schöpfungswerkes vorgestellt. Mit diesem Tag vollendet Gott sein Werk, er segnet den siebten Tag und erklärt ihn für heilig. Der Sabbat ist mehr als ein Tag der Ruhe. Der Sabbat ist Segnungs- und Heilungstag, an dem die ganze Schöpfung Segen und Heil empfängt. Hier setzt Jesu Kritik an, er will den Sabbat als Ausgang für Segnung und Heilung nutzen, das geht weit über ein bloßes Ausruhen oder Ritualerfüllung hinaus.

„Er sucht zunächst Gottes Nähe, in dem er in die Synagoge (Mk 1,21) geht. Er lässt sich von Gotteswort ansprechen, nimmt es in sich auf und deutet es.“

6. Schauen wir, wie Jesus den Sabbat nutzt. Er sucht zunächst Gottes Nähe, in dem er in die Synagoge (Mk 1,21) geht. Er lässt sich von Gotteswort ansprechen, nimmt es in sich auf und deutet es. Schon in der Synagoge – davon haben wir letzten Sonntag gehört – lässt er dem Wort Gottes ein Handeln folgen (Mk 1,23-26). Gottes Wort verhallt nicht im Raum, es stiftet Jesus dazu an, einen Kranken zu heilen.

Danach verlässt er die Synagoge und geht mit einer kleinen Gruppe von Jüngern in das Haus eines Freundes. Er verbündet sich mit Gleichgesinnten. So versammelt er Gottsucher und führt sie als Gemeinschaft zusammen. Wie kleine Energiezellen tun sich alle zusammen, die gemeinsam mit Jesus Gotteswort gehört haben und deren Sendung es ist, dieses zu verbreiten. Diese kleine Gruppe ist keine Blase von Insidern, die sich gegenseitig Gotteswort hin und her werfen. Diese Gruppe kümmert sich um die Sorgen und Interessen der anderen. Angefangen bei der erkrankten Schwiegermutter des Petrus, deren Schicksal sie kennen und das sie zum Thema machen. Bis hin zu den unzähligen Kranken, die zusammen kommen und die bei Jesus Heilung suchen.

Jesus sucht die Einsamkeit

Einen Sabbat mit dem Herrn zu verbringen bedeutet, die Ärmel hoch zu krempeln und nicht die Augen vor der Not der Mitmenschen zu verschließen. Dies alles geht an die Ressourcen. Auch Jesus muss sich ausruhen, daher legt er sich irgendwann hin und steht dann von neuem auf. Sein erster Weg führt ihn aber nicht zu weiteren Kranken und Hilfsbedürftigen. Sein erster Weg führt ihn wieder in die Nähe Gottes. Ihn sucht Jesus zunächst in der Einsamkeit auf, um auch innerlich gestärkt, erfrischt und ermutigt zu werden. Danach zieht er weiter, um zu heilen und Gottes Evangelium zu verbreiten.

7. Dieser eine Tag zu Beginn des Markusevangeliums gibt den Rhythmus für das Kommende vor. Irgendwie lässt sich sagen, dass dieser Tag der Vorabend für sein öffentliches Wirken ist. Jesus läutet so seine Sendung ein. Wir spüren den Takt, mit dem Jesus auf die Menschen zugeht. Wir erhalten einen Einblick, wie er betet und aus welchen Quellen er schöpft. Der Tag lässt uns erahnen, was Jesus von denen erwartet die ihm nachfolgen. Markus weist uns mit diesem Tag aus dem Leben Jesu die Richtung, wie wir als Christinnen und Christen unsere Tage gestalten können.

8. Wie Jesus leben wir aus der Nähe zu Gott. In Gebet, Mediation, Bibelteilen, Gottesdienst oder Schriftbetrachtungen verbringen wir mit Gott Zeit und lernen von ihm. In unseren alltäglichen Tagesabläufen sollten wir uns daher Zeit für ihn reservieren, damit wir bereit sind, uns von ihm ansprechen zu lassen.

„Das heutige Evangelium ruft uns in Erinnerung, dass es als Christen wichtig ist, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu bleiben“

Der Corona-Lockdown bringt uns aber dazu, immer mehr allein zu sein. Isolation ist das Gebot der Stunde und schützt unsere Mitmenschen. Für unser Miteinander ist das eine riesige Herausforderung – wir müssen den Spagat zwischen Kontaktvermeidung und Im-Kontakt-bleiben meistern. Das heutige Evangelium ruft uns in Erinnerung, dass es als Christen wichtig ist, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu bleiben. Wie Jesus müssen wir uns darum bemühen, uns mit weiteren Christen zusammen zu tun. Aus der Konzentration von Gleichgesinnten werden wir stärker und können so unserer Taufsendung an Christistatt zu wirken, entfalten. So können wir uns gegenseitig helfen die Nöte und Herausforderungen unserer Zeit zu erkennen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu lindern.
Eine unserer Aufgaben ist es z.B. die Not unserer Zeit vor den Herrn zu tragen, wie damals die Jünger die kranke Schwiegermutter des Petrus mit Jesus in Kontakt gebracht haben. Das Handeln der Jünger erinnert uns daran, dass die Benennung der Not der erste Schritt für deren Heilung ist.
Am Ende eines Tages, einer Aufgabe oder einer Begegnung sollten wir uns dann Zeiten der Ruhe und Erholung gönnen. Ausreichend schlafen ist zudem eine Empfehlung für jedes gesundes geistliches Leben. So macht es Jesus ja auch, in dem er sich hinlegt und ruht.

Jan Lehmann, Jugendpfarrer in Trier
Jan Lehmann, Jugendpfarrer in Trier

In aller Herrgottsfrühe geht Jesus dann in die Einsamkeit, um Gott zu treffen. Der frühe Morgen ist ein Bild für den Übergang von der Nacht in den Tag. An dieser Schnittstelle von Dunkelheit und Licht, von erfülltem und anbrechendem Auftrag sucht Jesus die Nähe seines Vaters. Er will bei ihm sein, um von dem zu erzählen, was geschehen ist. Um zu danken, zu bitten, zu klagen.
Jesus investiert hier wieder in die Beziehung zu Gott, indem er sich am Übergang neuer Aufgaben und Herausforderungen innerlich und äußerlich auf Gott hin ausrichtet.

Die Zeiten der Begegnung mit Gott schützen

An dieses Vorgehen Jesu sollten wir denken, wenn wir uns ins das Getriebe von neuen Tagen oder Aufgaben geben. Wie Jesus können wir Gott danken, ihn bitten und unsere Klagen ablegen. Diese Begegnungszeiten müssen wir schützen, denn die Aufgaben und Herausforderungen unseres Lebens werden uns hinterher eilen und sie werden uns sicherlich finden, egal wo wir sind. Wie die Jünger den Herrn gefunden haben, werden wir – wenn wir wache Christen sind – von den Nöten dieser Welt gefunden werden.

9. „Wie ein Tag verläuft, entscheidet sich an seinem Vorabend.“ Diese Lebensweisheit scheint auch dem Evangelisten Markus nicht fremd gewesen zu sein. Mit dem heutigen Evangelium gibt er uns einen wichtigen Einblick, wie Jesus den Vorabend seines öffentlichen Lebens verbracht hat.
Auch für uns gilt: Vor jedem neuen Tag gibt es einen Abend davor, der uns einlädt, uns auf den kommenden Tag vorzubereiten. So können wir mehr und mehr aus dem Vorbild Jesu leben und unsere Sendung als Christen entwickeln. Amen.

(radio vatikan - claudia kaminski)

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06. Februar 2021, 09:47