Österreich: EU-Bischof Zsifkovics für gemeinsame Impf- und Asylstrategie
An dem Treffen der EU-Bischöfe hatte der Eisenstädter Bischof als Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz teilgenommen. „Europa braucht Heilung, nicht Konflikt!", rief Zsifkovics im Interview mit Kathpress auf. Auch wenn das Impfen in manchen europäischen Ländern nur schleppend vorangehe, seien nationale Alleingänge keine Lösung: „Impfnationalismus ist keine europäische Haltung", so der Bischof wörtlich. Bei aller berechtigten Kritik gebe es keine bessere Alternative als gemeinsame europäische Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie. Exportbeschränkungen, auch für pharmazeutische Produkte, seien für die EU von ihrer Grundkonzeption her politisch heikel. Es sei aber grundsätzlich gewünscht und Teil des europäischen Selbstverständnisses, dass Pharmafirmen in Europa produzieren und hier neue Standorte aufbauen. Heikel werde dies natürlich, „wenn es, wie jetzt, innerhalb der EU zu Engpässen und zu unterschiedlichen Impfgeschwindigkeiten kommt". Insofern halte er den jüngsten Vorstoß von Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen für vernünftig, darüber nachzudenken, „ob Exporte in Länder, die höhere Impfraten haben als wir, noch verhältnismäßig sind". Zudem gelte bei allem aber, „die globale Impfgerechtigkeit im Auge zu behalten, wie es jüngst von Papst Franziskus gefordert wurde".
Bischof Zsifkovics äußerte sich am Donnerstag im Kathpress-Interview auch zum Thema Asylpolitik.
Die „Schandflecke Europas“ auch aus Österreich bekämpfen
Die Flüchtlingslager in Griechenland und auf dem Balkan nannte er „Schandflecke Europas". Die politisch Verantwortlichen in Österreich rief er auf, „dass man neben der Hilfe vor Ort mithilfe von Relocation-Programmen Menschen aus diesen desaströsen Zuständen endlich herausholt und in Österreich eine menschenwürdige Zukunft gibt". Wörtlich sagte Bischof Zsifkovics: „Es gibt Platz in Österreich! Es gibt eine österreichische Landkarte der Willigen - in und außerhalb der Kirche! Und sie ist größer als die Landkarte der Unwilligen!" In Österreich sorgten jüngst auch immer wieder Abschiebungen für Debatten.
Die schreckliche Situation in den Lagern auf den griechischen Inseln oder entlang der Balkanroute wird aus Sicht des Bischofs allerdings kaum schnell zum Positiven verändert werden: „Es herrscht die verbreitete Befürchtung, dass eine Leerung dieser Lager einen weiteren Pull-Effekt mit immer neuen Migranten nach Europa nach sich zieht. Diese Botschaft will man verhindern", gab Zsifkovics einen Einblick in die gesamteuropäische politische Gemengelage. Daher sei er skeptisch hinsichtlich des politischen Willens, diese „Schandflecke Europas" wirklich zu beseitigen.
Flüchtlingselend und EU-Migrationspakt
Eindeutig und differenziert zugleich fiel die Analyse des österreichischen Europabischofs mit Blick auf das Flüchtlingselend an den EU-Außengrenzen und die europäische Asylpolitik aus. Aufgrund der Pandemie-Beschränkungen sei die Migration in die EU 2020 um 13 Prozent und die Asylrate gar um 31 Prozent zurückgegangen. Doch das bedeute keine Lösung des Problems, so der Bischof: „Weiterhin flüchten Menschen vor allem aus Syrien und Nordafrika. Es besteht weiterhin die Geißel der Schlepperei und des Menschenhandels. Wir haben eine steigende Todesrate auf See, allein 2021 gab es bereits ca. 300 Tote." Es gebe immer noch zu wenig Zugang zu Asyl-Verfahren und zu wenig rechtliche Hilfe, meist werde dies bereits durch Push-backs an der Grenze verhindert.
Wie Zsifkovics betonte, brauche es selbstverständlich eine Balance zwischen dem Recht jedes Staates auf Grenzkontrolle und dem gerechten Zugang von Flüchtenden zu geregelten Verfahren. Aber Europa befinde sich hier in einer Bringschuld. Zsifkovics: „Illegale Push-backs müssen gestoppt werden! Menschen sind gestorben, weil sie ihr Recht auf Asyl nicht geltend machen konnten. Darüber hinaus herrscht ein konsistent negativer Narrativ über Migration, die teilweise ja sogar nötig ist für unseren Kontinent."
EU-Migrationspakt unterstützen
Teils lobende Worte fand Zsifkovics in dieser Hinsicht für den geplanten neuen EU-Migrationspakt, den Vize-Kommissionspräsident Margaritis Schinas, der an der COMECE-Tagung teilnahm, den Bischöfen erläutert hatte. Der Pakt lasse zwar das Dublin-System großteils unberührt, sehe aber eine sehr rasche Überprüfungsphase für Personen vor, die nach maximal fünf Tagen entweder mit der Eröffnung eines Asylverfahrens oder mit der Rückführung enden soll. Positiv sei zudem, dass der Kampf gegen Schlepperei und Menschenhandel verstärkt und humanitäre Hilfe entkriminalisiert werden soll. Der Schutz von Familien solle verstärkt werden, ebenso der Zugang von Migranten zu sozialen Rechten in der EU. EU-Länder an den Außengrenzen sollten künftig mehr europäische Solidarität erfahren. Gleichzeitig sei der Pakt aber auch stark dem Gedanken der Sicherheit und des Grenzschutzes verhaftet. Zudem sei das Grundproblem des Paktes noch nicht gelöst: „Der neue Pakt ist noch nicht verpflichtendes Recht, sondern derzeit ein Vorschlag, der möglicherweise in den Verhandlungen noch nach unten verhandelt werden könnte."
Der neue EU-Pakt sollte jedenfalls von Österreich unterstützt werden, zeigte sich Zsifkovics überzeugt: „Wir müssen sichern, dass die Lage stabilisiert wird! Viele Menschen aus Afrika kommen bereits jetzt wegen des Klimawandels. Die EU braucht daher auch den Green Deal, nicht nur für die Aufrechterhaltung unserer eigenen hohen Lebensstandards, sondern auch, um Klima-Migration weltweit positiv zu steuern."
Religionsfreiheit im Fokus
Erfreut zeigte sich Zsifkovics über die Ankündigung des Vizepräsidenten der EU-Kommission, Margaritis Schinas, dass es demnächst ein neuer EU-Sondergesandter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit vorgestellt werden soll. Das Mandat des bisherigen Amtsinhabers, Jan Figel, war mit Ende der Juncker-Kommission ausgelaufen. Nach zahlreichen Interventionen, auch auf Ebene der COMECE, wurde im vergangenen Sommer beschlossen, dieses Amt auch weiterhin zu besetzen. Zsifkovics: „Es wurde uns auf kritische Nachfrage auch gesagt, dass der neue Sondergesandte einen verstärkten Beraterstab haben wird, um diese anspruchsvolle Aufgabe auch wirksam zu erfüllen." Verletzungen der Religionsfreiheit seien weltweit drastisch im Vormarsch, das Thema sei von höchster Bedeutung.
Kirchen seit Monaten geschlossen
Schließlich ging der Bischof im Kathpress-Interview auch noch auf kirchliche Situation in den einzelnen EU-Mitgliedsländern ein. Die aktive Teilnahme am religiösen Leben sei schon vor Corona in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gewesen. Nun sei diese Teilnahme in der Pandemie überall deutlich zurückgegangen. In einzelnen Staaten seien die Kirchen seit Monaten komplett geschlossen.
Es gebe keine kirchlichen Patentrezepte für die Zukunft, aber er halte es für durchaus möglich, „dass nach der Pandemie das Bedürfnis der Menschen nach Kirche und Spiritualität nach oben schnellt", so der Bischof: „Die Gottsuche war nie etwas, das man wie eine Ware verkaufen könnte. Es ist aber wichtig, dass wir als Kirche da sind, wenn die Menschen mit Gott und mit sich selbst in ein vertieftes Gespräch treten wollen. Das sind wir während Corona und das werden wir nach Corona sein." Deshalb müssten die Kirchen immer offen sein - ob mit oder ohne staatlichen Lockdown.
Solidarität und Menschlichkeit gerade auch in der Pandemie
Darauf angesprochen, dass sich in immer mehr Ländern Europas der Unmut über die Corona-Schutzmaßnahmen in politischem Extremismus und Gewalt äußert, meinte der Bischof, dass er kein Freund von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen sei. „Ich bin dafür, positive Narrative in die Welt zu bringen und richtige Wege zu weisen." Deshalb wolle er darauf hinweisen, „dass trotz vieler Schwierigkeiten, Belastungen und Fehlentscheidungen in der Pandemie die Sterbezahlen nicht explodierten, dass wir trotzdem so viel Solidarität und Menschlichkeit in unserer Gesellschaft vorfinden, dass es trotzdem irgendwie weitergeht." Dass Liebe und Mitmenschlichkeit stärker sind als das Virus, zeigten die Menschen in dieser schwierigen Zeit europaweit.
Zsifkovics wies zudem darauf hin, dass sich die Bischöfe immer wieder für eine gerechte und solidarische europäische Verteilung der Pandemie-Lasten aussprechen würden. Man würde dies Forderungen auch ständig in die europäischen Institutionen tragen. Und es gebe auch auf verschiedenster Ebene Programme, mit denen die EU die Härten der Pandemie ökonomisch abfedern will, so der Bischof: „In aller Unbescheidenheit darf ich aber sagen: Die Kirche in Europa leistet letztlich den wesentlichsten Beitrag dazu - unser Ansatz ist nicht strukturell und systemisch, sondern appelliert an Gewissen und Solidarität des einzelnen Menschen, am jeweiligen Ort mit den je gegebenen Möglichkeiten dem Nächsten zu helfen. Das ist ein altes Modell, aber bewährt."
(kap – sst)
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