Österreich: „Wegzug des KAICIID ist schwerer Verlust“
Wörtlich spricht er in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Kirche In“ zudem von einem „schweren religionspolitischen Fehler“ vonseiten Österreichs. Mit Blick auf den guten internationalen Ruf Österreichs und darauf, dass im Land alle abrahamitischen Religionen vertreten sind, wären die Voraussetzungen für die Arbeit des Dialogzentrums „nicht die schlechtesten“. Er fürchte aber, so Zulehner, dass die „Vertreibung“ des KAICIID „zur antiislamischen Politik der derzeitigen Regierung passt“. Die Grünen wiederum wollten das Zentrum wegen „menschenrechtspolitischer“ Gründe nicht im Land.
Dem hielt der Pastoraltheologe entgegen, dass ihn am KAICIID etwa die internationale Vernetzung junger Menschen für den Frieden beeindruckt habe. Er habe an KAICIID-Veranstaltungen mitgewirkt, „wie übrigens auch Kardinal Christoph Schönborn oder Altbundespräsident Heinz Fischer“, und dabei nicht erkennen können, dass, wie von manchen Kritikern moniert, „die Islamisierung Europas, womöglich in der wahabitischen Form“ Ziel des Zentrums sein soll, so Zulehner.
Dialog ist immer besser als Gewalt
Dialog der Religionen sei immer besser als Gewalt im Namen der Religionen, sagte der Theologe. „Wenn ich die Vertreter aus Saudi-Arabien mit jenen der anglikanischen Kirche, des Judentums in Wien und andere Religionsvertreter bei gemeinsamen Veranstaltungen zusammen erlebte, hatte ich das Gefühl, dass sich das Zentrum allemal gelohnt hat.“ Er habe auch bei seinen Gesprächen im Zentrum nie den Eindruck gewonnen, man wäre über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien „glücklich“.
Nun lasse man das Dialogzentrum ziehen und errichte stattdessen ein Beobachtungszentrum, „dass allein durch seine Zielsetzung gefühlsmäßig eine Weltreligion unter Generalverdacht stellt“, kritisierte Zulehner. Er bezog sich dabei auf die im Juli 2020 von der Regierung eingerichtete Beobachtungsstelle für den politischen Islam.
Zur Frage, ob die Gründung eines anderen Dialogzentrums sinnvoll sei, meinte der Theologe, dass es zum Dialog keine Alternative gebe. Das KAICIID hätte aber den einmaligen Vorteil, dass es eine große Nähe zur Politik Saudi Arabiens habe. „Solche Vernetzungen lassen sich nicht schnell herstellen, vor allem, wenn man gerade ein solches Netzwerk zerstört oder zumindest aus dem Land getrieben hat.“
Darauf angesprochen, welche Rolle künftig Österreich und österreichische Mitarbeiter im Zentrum spielen könnten, meinte Zulehner: „Das hängt davon ab, ob Österreich aus dem Vertrag aussteigt. Wenn wir bleiben und weiterhin angemessen mitzahlen, auch wenn das Zentrum seinen Sitz nicht mehr in Wien hat, dann würde ich als jüngerer Mensch jede Chance wahrnehmen, kreativ auch anderswo an der Arbeit des Zentrums mitzuwirken.“
„Feigenblattpolitik Saudi-Arabiens“
Ganz anders argumentierte in „Kirche In“ die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Sie kritisierte das KAICIID als Bestandteil einer „Feigenblattpolitik Saudi-Arabiens“. Wörtlich sagte die Parlamentarierin: „Natürlich lesen sich einige der Projekte positiv und interessant, die vom KAICIID betrieben werden. Aber ich stelle mir immer die Frage cui bono. Was möchte Saudi Arabien damit bezwecken und wie glaubwürdig sind Friedens- und Dialogprojekte, die von einem Land gesponsort werden, das nach China einer der traurigen weltweiten Spitzenreiter bei Hinrichtungen ist? Das kann man unmöglich getrennt voneinander diskutieren.“
Internationales Dialogzentrum
Anfang März war offiziell bekannt geworden, dass das KAICIID Wien verlässt und seinen Amtssitz aus Österreich in ein anderes Land verlegen wird. Dem war ein entsprechender einstimmiger Beschuss des Rats der Vertragsparteien („Council of Parties“) vorausgegangen. Verhandlungen mit potenziellen neuen Gastgeberländern sind im Laufen, an erster Stelle wird gemeinhin Genf gehandelt, eine offizielle Bestätigung gibt es dafür freilich nicht.
Das nach dem saudischen König Abdullah bin Abdulaziz (2005-2015) benannte Dialogzentrum wurde 2012 von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien gegründet. Der Heilige Stuhl ist Gründungsbeobachter. Geleitet wird das KAICIID von einem neunköpfigen multireligiösen Direktorium, dem Vertreterinnen und Vertreter aus Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören. Das Zentrum wird mit Geldern aus Riad finanziert und stand in Österreich wegen der saudischen Menschenrechtsverletzungen immer wieder in der Kritik. Im Sommer 2019 sprach sich der Nationalrat in einer rechtlich nicht bindenden Entschließung mehrheitlich für einen Ausstieg Österreichs aus.
Anfang 2020 forderte die damals neue türkis-grünen Koalition in ihrem Regierungsprogramm eine Reform des Abdullah-Zentrums. Diese solle eine stärkere Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs, einer stärkeren Anbindung an die UNO sowie eine Verbreiterung der Mitgliederbasis beinhalten. Sollte dies nicht innerhalb eines Jahres gelingen, werde Österreich als Gründungsmitglied aussteigen, hieß es.
(kap – sk)
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