Theologin lobt „gegenseitiges Zuhören“ bei Synodalem Weg
Allerdings sollte „der ganze Synodale Weg weltweit und auch in den einzelnen Ländern viel stärker als bisher auf Jesus Christus ausgerichtet sein“, so Westerhorstmann im Interview mit Radio Vatikan. „Dann ist es eine große Chance für die Kirche.“
Den von Papst Franziskus vorgeschlagenen, weltweiten synodalen Prozess (ab Oktober 2021) hält Westerhorstmann, die derzeit in den USA lehrt, für ein „sehr, sehr positives Signal“. Sie bringt den Vorschlag ins Spiel, den Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland „vorläufig auszusetzen und gemeinsam mit allen Ortskirchen im Oktober diesen Jahres neu zu beginnen“.
Unser Interview
Wie sind Sie zur Mitarbeit beim Synodalen Weg gekommen?
Westerhorstmann: Im Herbst 2019 habe ich eine Anfrage erhalten, ob ich bereit wäre, als eine der zehn Delegierten der Deutschen Bischofskonferenz in die Synodalversammlung zu gehen, also Mitglied der Synodalversammlung zu werden. Und ich habe mir einige Tage Zeit genommen, darüber nachzudenken und habe dann letztlich zugestimmt. Und während der ersten Synodalversammlung im Jahr 2020, also im Februar, wurde ich in das Synodalforum 4 gewählt „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“. Und seitdem bin ich eben in diesem Forum und arbeite da auch mit.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit in den Gremien bisher erlebt?
Westerhorstmann: Im Synodalforum war der Umgang miteinander sehr respektvoll. Es gab wirklich ein gegenseitiges Zuhören, Aufeinander-Hören. Auf der anderen Seite hat man aber gemerkt, dass im vergangenen Jahr der Druck sehr verstärkt wurde – auch von außen – dass man jetzt Ergebnisse erwartet und dass die Zeit von Aussprache vorbei ist und dass es jetzt zu Entscheidungen kommen muss. Und das habe ich als schwierig empfunden – vor allem auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Erweiterten Präsidiums, ab jetzt nur noch Mehrheitsmeinungen zuzulassen im Hinblick auf die Synodalversammlung. Das habe ich als sehr, sehr schwierig empfunden, das habe ich auch als schwierig empfunden im Hinblick auf die Atmosphäre innerhalb des Synodalforums.
Nun schlägt Papst Franziskus einen weltweiten Synodalen Weg vor, wie beurteilen Sie das?
Westerhorstmann: Dier Ankündigung der neuen Bischofssynode und der verschiedenen Stufen der Bischofssynode am 21. Mai diesen Jahres war nicht nur für mich eine große Überraschung. Ich glaube, niemand hatte mit dieser Art eines Synodalen Prozesses, eines weltweiten Synodalen Prozesses gerechnet. Und es geht mir wie vielen anderen: ich halte das für ein sehr, sehr positives Signal. Und für den deutschen Synodalen Weg, meine ich, ergibt sich daraus tatsächlich eine Änderung.
Ich meine, man sollte den Synodalen Weg in Deutschland sistieren, das heißt vorläufig aussetzen, und gemeinsam mit allen Ortskirchen im Oktober diesen Jahres neu beginnen. Dann man all die „Geburtsfehler“, von denen Kardinal Kasper ja gesprochen hat – kürzlich in einem Interview -, die dieser Synodale Weg einfach hat, beheben und man sich so einbringen wie es auch den Möglichkeiten der Kirche in Deutschland entspricht. Und darüber hinaus könnte man all den Anfragen, Sorgen, die es doch in der Weltkirche gibt im Hinblick auf den Synodalen Weg in Deutschland entgegentreten und sagen: Wir bringen uns jetzt in den allgemeinen Prozess, in diesen weltweiten Synodalen Prozess so ein wie wir das können – auch mit unseren Erfahrungen. Und ich meine, das wäre sehr, sehr wertvoll.
Zu Beginn des Synodalen Weges in Deutschland kam immer wieder die Frage auf, ob Deutschland jetzt so eine Art Nationalkirche wird, oder es kamen Anfragen aus dem Ausland, ob man sich nicht zu weit vorwagt in Deutschland. Und es wurde immer wieder betont – auch von Seiten des Präsidiums -, dass man die Weltkirche im Blick habe und dass man keine Alleingänge machen möchte, sondern dass man einen Weg beschreitet. Und ich meine, da sollte sich jetzt zeigen, dass das keine Lippenbekenntnisse waren, sondern dass tatsächlich der deutsche Synodale Weg im Dienst der ganzen Kirche steht. Und das könnte sich darin zeigen, dass man jetzt den Prozess sistiert in Deutschland und dann – wie gesagt – im Herbst mit den anderen Ortskirchen neu einsteigt auf diözesaner Ebene.
Dann würde {sich} nämlich auch der zweite Kritikpunkt, dass es sich beim deutschen Synodalen Weg um eine doch sehr elitäre Veranstaltung handelt, klären. Denn dann könnte man in den Ortskirchen die verschiedenen Begabungen und Charismen wirklich fördern, mit einbringen und dann eben auch in den weltweiten Prozess einbringen. Und das scheint mir eine riesige Chance zu sein. Denn natürlich brauchen wir diesen Weg der Erneuerung der ganzen Kirche und Jesus Christus hat von sich selber gesagt: „Ich bin der Weg“ (Joh 14,6).
Das heißt auch, der ganze Synodale Weg weltweit und auch in den einzelnen Ländern muss auf Jesus Christus ausgerichtet sein. Viel stärker als bisher. Viel stärker auch als es bisher beim Synodalen Weg in Deutschland der Fall war. Und dann ist es eine große Chance für die Kirche. Das scheint mir wirklich ein Weg zur Erneuerung hin zu sein: gemeinsam auf den Heiligen Geist zu hören und zu schauen, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,11), was der Geist der Kirche sagt.
Haben Sie bei den Äußerungen von Papst Franziskus zur weltweiten Synode einen bestimmten Schwerpunkt ausmachen können?
Westerhorstmann: In Bezug auf die Verbindung zwischen dem weltweiten Synodalen Prozess und dem Synodalen Weg in Deutschland, meine ich, gibt es noch einen weiteren Aspekt, inwiefern die Kirche in Deutschland von jetzt dieser weltweiten Bewegung profitieren könnte. Im letzten Absatz des Dokumentes zur Bischofssynode ist zu lesen, dass dieser Synodale Prozess „seinem Wesen nach ein geistliches Ereignis der Unterscheidung sein“ müsse. Im Rahmen der Synodalversammlung, aber auch bei anderen Gesprächen mit Bischöfen ist mir aufgefallen, wie häufig sie von dieser Unsicherheit gesprochen haben: Was ist denn der Wille Gottes für die Kirche? Wo liegt denn Wahrheit? Wie kann ich richtig entscheiden? Was ist die richtige Richtung?
Es gibt einige wenige, die sich ganz sicher sind – auf beiden Seiten. Aber es gibt doch eine größere Anzahl von Bischöfen, bei denen ich diese Unsicherheit gespürt habe und die das auch so formuliert haben. Und da Papst Franziskus so sehr für seine Synode auf die geistliche Unterscheidung setzt – in den Ortskirchen, aber vor allem auch durch die Bischöfe, scheint mir dieser Aspekt doch besonders wichtig zu sein.
Und vielleicht müsste man diese Frage neu stellen: Wo lernt man denn geistliche Unterscheidung? Im Priesterseminar? Oder durch die Praxis als Priester – oder als Bischöfe? Denn durch die Weihe allein erlangt man, meine ich, noch nicht die Fähigkeit zur geistlichen Unterscheidung. Es bedarf auch der Praxis, des Einübens. Und vielleicht wäre es gut, vor der Bischofssynode diese Frage einmal neu zu stellen und sich darin zu vertiefen, wie denn geistliche Unterscheidung gelingen kann.
Weil ich meine, dann würde das Volk Gottes – um das jetzt einmal etwas groß zu sagen – oder die Katholiken, stärkeres Vertrauen gewinnen in die Bischöfe, wenn sie den Eindruck haben, sie entscheiden jetzt nicht nur nach irgendwelchen Machtinteressen oder nur nach Mehrheiten oder nur je nachdem von welcher Seite der Druck größer ist, sondern sie entscheiden nach dem, wovon sie überzeugt sind, dass es der Wille Gottes für die Kirche ist. Und das, meine ich, könnte ein ganz ganz starkes Zeichen sein und wirklich einen Weg der Erneuerung in der Kirche und für die Kirche bedeuten.
Die Fragen stellte Claudia Kaminski für Radio Vatikan. Westerhorstmann lehrt derzeit Theologie an der „Franciscan University of Steubenville (Ohio, USA).
(vatican news – sk)
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