Theologen sehen Kirche „am Kipppunkt“
Der Verfall der Glaubwürdigkeit werde sich nicht abschwächen, solange der Ernst der Lage nicht „benannt, ernsthaft anerkannt und reumütig bekannt“ werde. Sander und Bucher machen in der katholischen Kirche konkret „zwei Größen realer Bosheit“ aus, nämlich den Missbrauch und seine systemische Vertuschung. „Das wird sie nicht los und das wird sie auf lange Zeit nicht loswerden. Deshalb verliert sie massiv an Glaubwürdigkeit und das wird auf absehbare Zeit so weitergehen.“
Die Kirche könne das „weder aufhalten noch vermeiden, weil sie die Taten anerkennt und ebenso das Vertuschen aufklären lassen muss“. Jeder Erkenntnisschritt werde „einen weiteren Schub im Glaubwürdigkeitsverlust“ mit sich bringen. „Je glaubwürdiger sie aufklärt und aufklären lässt, desto größer der Schub. Und das hört so schnell nicht auf.“
Die Krise der Kirche komme von innen, sie gehe mit „Selbsttäuschungen“ und „Beratungsresistenz“ einher. „Es beginnen sich Revolten auszubreiten“, so die zwei Theologen. „Revolten müssen nicht zu Revolutionen führen, aber in ihnen braut sich zusammen, was es dafür braucht.“ Die Kirche gehöre heute „nicht mehr zu den Säulen der Glaubwürdigkeit“: „Niemand, der jetzt Bischof ist, wird im restlichen Verlauf seiner aktiven Zeit wieder eine glaubwürdige Kirche repräsentieren. Das ist keine Unglücksprophezeiung, sondern eine nüchterne Feststellung.“
„Gottes Rest wird sich weisen“
Sander und Bucher warnen vor einem „Gesundbeten von dem, was absterben wird“, vor „Restaurationsillusionen“, „Zukunftsidyllen“ oder „Einmütigkeitsfiktionen“. Ohne einen Abbau der kirchlichen „Menschenrechtsdefizite“ werde es keine neue Glaubwürdigkeit geben. Wörtlich schreiben die Autoren: „Es braucht Vertrauen, Freiheit und selbstrelativierende Demut. Und Gottes Rest wird sich weisen.“
Hans-Joachim Sander ist Professor für Dogmatik an der Universität Salzburg. Rainer Bucher ist Professor für Pastoraltheologie an der Universität Graz.
(feinschwarz.net – sk)
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