Linzer Kommission gegen Missbrauch: Priester in der Ausbildung besser begleiten
Christine Seuss - Vatikanstadt
Die Gruppe aus Linz war dieser Tage in Rom, um Gespräche zu führen – unter anderem mit der Glaubenskongregation und dem neuen Safeguarding-Institut der Gregoriana, das von dem deutschen Jesuitenpater Hans Zollner geleitet wird.
Bereits seit Mitte der 1990er Jahre bestehen die Ombudsstelle und die Kommission gegen Missbrauch und Gewalt in der Diözese Linz. Die Kommission stoße mittlerweile mit ihren Anliegen und Empfehlungen in der Regel auf offene Ohren bei den diözesanen Ansprechpartnern, zeigt sich deren Vorsitzender Josef Gruber im Gespräch mit Radio Vatikan zufrieden. Dies sei längst nicht immer so gewesen. Seit 2010 habe sich die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle jedoch erhöht: „In der Wahrnehmung hat sich schon einiges geändert“, meint Gruber.
Die allermeisten der gemeldeten Fälle bezögen sich auf Taten, die in der Vergangenheit geschehen seien, insbesondere in den Jahrzehnten von 1960 bis 2010. Viele der Fälle seien für weltliche Gerichte schon verjährt, doch der Kirche liege an einer gründlichen Aufarbeitung aller Verdachtsmomente.
Allerdings bleibe noch viel zu tun, unterstreicht Gruber: „Mit Blick auf die Orden sehen wir aber, dass es von Orden zu Orden sehr unterschiedlich ist. Wir erleben Orden, die sehr kooperativ sind, und wir erleben leider auch Ordensverantwortliche, die mauern. Und das ist für uns nicht immer ganz einfach, weil wir uns doch erwarten würden, dass die einzelnen Orden auf das, was wir rückmelden, sensibel reagieren.“
Denn auch die Oberen der als Täter angezeigten Geistlichen oder kirchlichen Mitarbeiter werden mit den Vorwürfen konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten, gibt Gruber Einblick in das Verfahren. Bedauerlicherweise gäben manche der eigenständigen Orden die angeforderten Stellungnahmen jedoch gar nicht ab, bedauert der Vorsitzende der diözesanen Kommision gegen Missbrauch.
Kontaktaufnahme und Prüfung der Vorwürfe
Die Bearbeitung der Verdachtsfälle von Missbrauch oder Gewalt im kirchlichen Umfeld erfolgt dabei in zwei Schritten: bei der Ombudsstelle, also bei der Institution, die als niederschwellige Kontaktstelle fungiert, können sich von Missbrauch und Gewalt Betroffene melden und ihre Geschichte erzählen. „Und wenn diese Menschen einwilligen, dass das weitergegeben wird, verfassen wir den Bericht, der an die Kinderschutzkommission weitergeleitet wird,“ erklärt die ausgebildete Lehrerin und Psychotherapeutin Christiane Sauer, die seit 2004 als Ombudsfrau in Linz tätig ist.
Die Kommission gegen Missbrauch und Gewalt beschäftigt sich vor allem damit, wie mit den Beschuldigten weiter verfahren werden soll. Dort wird das von der Ombudsstelle abgefasste Protokoll sorgfältig geprüft, erläutert der Kommissionsvorsitzende Gruber: „Wir prüfen vor allem, wie glaubhaft die Aussagen sind. Und wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Geschichte der Betroffenen glaubhaft ist, dann geben wir Empfehlungen sowohl für die unabhängige Opferschutzanwaltschaft, wie auch für die Ordensoberen und Diözesanoberen im Hinblick darauf, was sie jetzt machen sollen.“
Devise: Nichts unter den Teppich kehren
In der Ortskirche wie im Vatikan werde die Arbeit der Kommission und Ombudsstelle mittlerweile geschätzt und unterstützt, erklären die Linzer. Dazu verhelfe auch die eindeutige Positionierung von Papst Franziskus, betont die Ombudsfrau Sauer: „Ich denke, die eindeutige Stellungnahme unseres Papstes zum Thema Missbrauch und dass er dafür nicht nur plädiert, sondern sogar verlangt, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird, das unterstützt unsere Arbeit sehr - und das war ja nicht immer so.“ „Ja, für uns war es in den letzten Tagen eine sehr interessante Erfahrung, Gespräche mit Verantwortlichen des IADC, also der Nachfolgeinstitution des Center for Child Protection, zu führen, aber auch mit jemanden, der für die Disziplinarsektion der Glaubenskongregation spricht. Und da haben wir schon den Eindruck, dass auch das, was wir vor Ort machen, im Vatikan sehr positiv gesehen wird“, fügt Gruber hinzu.
Doch natürlich gebe es seitens der lokalen Verantwortlichen auch noch Wünsche an die zentralen Institutionen der katholischen Kirche. Dazu gehöre insbesondere eine vertiefte Beschäftigung mit und Sensibilisierung für das Thema des spirituellen Missbrauchs, erläutert Gruber weiter. „Da glaube ich schon, dass sich hinter manchen verschlossenen Türen einiges abspielt, wo junge Menschen - vielleicht auch schon erwachsene Menschen - fast in einer Art von Unfreiheit leben müssen und nicht den notwendigen Kontakt nach außen haben können. Da denke ich schon, dass sich ein genauerer Blick auch lohnen würde.“
Auch vulnerable Erwachsene im Fokus
Als besonders wichtig erachten die Linzer eine zügige Bearbeitung der gemeldeten Fälle von Vatikanseite, um das Leid der Betroffenen nicht unnötig zu verlängern. Einen Weg zur Lösung des Problems verorten die Gremienvertreter aber vor allem in der Prävention, und dabei insbesondere bei der Auswahl und Begleitung der angehenden Priester. „Wir würden uns wünschen, dass die Ausbildung und Auswahl von klerikalen Berufungen genau und sorgfältig vorgenommen werden“, meint die Ombudsfrau Christiane Sauer.
„Die Beschäftigung mit der eigenen Sexualität und der Entwicklung der eigenen Liebesfähigkeit und Verantwortlichkeit darf nicht ein einzelnes Ausbildungsmodul bleiben, sondern sollte fortlaufend in den Ausbildungsprozess eingebaut werden. Und auch, dass von den Menschen, denen man einerseits ein zölibatäres Leben abverlangt, andererseits auch verlangt wird, dass sie sich begleiten und auch supervisieren lassen. Das geschieht jetzt ja meistens auf freiwilliger Basis. Da haben wir das Gefühl, dass man in Ausbildung, Auswahl von Personal und Ausbildung und Begleitung noch viel Gutes bewirken könnte.“
(vatican news - cs)
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