Unser Sonntag: Die Lehre von den letzten Dingen
Liebe Schwestern und Brüder,
wir nähern uns dem Ende des Kirchenjahres. Dieses liturgische Jahr hat den Sinn, uns - vom ersten Advent angefangen über das Weihnachtsereignis, die Geburt Christi, die Menschwerdung Gottes - hinzuführen durch die Fastenzeit zum großen Ereignis von Kreuz und Auferstehung. Und das ist ja die Mitte der Heilsgeschichte, der Höhepunkt der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus.
Nach dem Pfingstfest werden wir durch das Kirchenjahr hindurchgeführt, indem wir verbunden werden mit den einzelnen Ereignissen der Predigt Jesu. Dabei begegnen wir seinen Gleichnissen, seiner Lehre, seinen Wundertaten, so dass wir am Ende hingeführt werden zum Christkönigsfest, an dem wir den Glauben bekennen: Christus ist alles in allem, und Gott alles in allem. Und schließlich schauen wir auf die Wiederkunft Jesu Christi am Ende der Zeit, die uns verheißen ist – aber nicht als eine Zeit des Schreckens, sondern als die Vollendung der ganzen Weltgeschichte, die Vollendung all dessen, was die Menschen betrifft im Ganzen des Kosmos.
Das ist nicht etwas Sinnloses, das aus dem Nichts hervorgegangen ist und im Nichts auch wieder endet; vielmehr geht alles, was ist, aus dem Sein Gottes hervor, entspricht seinem Willen und wird hingeführt zu der Vollendung in Gott: wenn wir ganz in Gott sein werden, und Gott in uns sein wird…
Wir Menschen könnten diese eschatologische Lehre von den letzten Dingen auch missverstehen im Sinne einer „Apocalypse Now“. Viele Filme aus Hollywood, andere Beschreibungen oder Romane nähern sich diesen Gedanken an die Zerstörung der Welt, wenn es vielleicht auf diesem Planeten keine Menschen mehr gibt. Aber es geht Jesus, der der Sohn Gottes ist und der uns die Wahrheit von Gott her offenbart, nicht darum, ein apokalyptisches Szenario aufzumachen, sondern zu sagen, dass die Schöpfung aus den Händen Gottes ist, also aus dem Willen all seiner Weisheit hervorgegangen ist auch am Ende zum Guten hingeführt wird.
All dies geschieht freilich nicht, ohne dass alle diese Kräfte mit einbezogen werden, die den Kosmos, die die Erde, die die Geschichte bestimmen. Dabei wird alles so zusammengefasst, aber auch alles so innerlich erschüttert, dass wir begreifen: Das Heil kommt nicht von der Materie, vom Kosmos her, von der natürlichen Kräften, aus unseren Möglichkeiten, sondern das Heil kommt trotz all dem Bösen und Schlimmen, Zerstörerischen und Destruktiven, das es in der Geschichte, in der Welt, im Kosmos gibt, allein von Gott her.
Natürlich sind die Worte Jesu im Markusevangelium, dass der Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen werde, in einem tieferen Sinne gemeint: Sie bezeichnen die Ankunft Gottes, die Ankunft Jesu von Gott her. Gemeint sind natürlich nicht die Wolken, die wir am Firmament sehen. Schon im Alten Testament sind ja die Wolken ein Symbol für die Nähe Gottes, für das Kommen Gottes zu uns Menschen, für seine Gegenwart, die den ganzen Raum, das ganze Sein erfüllt, aber die nicht wir erfassen können, herunterziehen können. Christus kommt von Gott her – in seiner ganzen Freiheit.
Wenn wir heute in die Welt hineinschauen, kann es uns in der Tat angst und bange werden. Die großen Gedanken von Freiheit und Würde des Menschen sind allenthalben bedroht. Im Westen hat man die Idee des Transhumanismus, wonach die Menschen lediglich Vorfahren der künstlichen Intelligenz sind, so dass am Ende die Roboter regieren und wir als eine Vorform, eine vorläufige Spezies verschwinden werden und aufgehoben sind in einer dann rein technisch-digitalen Welt. Und wenn wir die politischen Zusammenhänge betrachten, sehen wir von Asien her eine große imperialistische Welle, die über die ganze Welt rollt und die Freiheit bedroht. Wo der einzelne Mensch gar nichts mehr gilt, wo der Wille zur Macht von Menschen über Menschen scheinbar zu triumphieren scheint.
Demgegenüber scheinen wir völlig ohnmächtig. Die Kirche hat keine Waffen, die wir dem auf dieser Ebene entgegenstellen könnten. Schon Stalin fragte zynisch: ‚Wie viele Divisionen hat der Papst?‘ Wir als Gläubige haben nicht diese Art von Waffen; doch wir haben andere Möglichkeiten, uns demgegenüber zur Wehr zu setzen und am Ende siegreich zu bleiben, nämlich den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Wir haben das „Schwert des Geistes“, wie der Apostel Paulus es einmal im Hinblick auf die antiken Waffenrüstungen formuliert, und den „Helm des Glaubens“. Wir haben die Waffenrüstung Gottes: dass wir nämlich unser ganzes Vertrauen auf den lebendigen Gott setzen können.
Dabei kommt es nicht darauf an, sozusagen Zeiten und Fristen festzulegen - jetzt, morgen, übermorgen. Diese „Zeichen der Zeit“, die uns gegeben ist, sollen wir nicht auf eine Weise deuten, dass wir einfach wissen, was jetzt geschieht oder morgen. Vielmehr geht es darum, dass wir uns darauf einstellen können. Dass wir unsere Häupter erheben, dass wir uns nicht zusammendrücken lassen, uns nicht klein machen lassen, nicht verzagen. Sondern dass wir unser ganzes Vertrauen auf Gott setzen.
Niemand kann einen anderen Grund legen als den der gelegt ist: Jesus Christus. Wenn wir uns an ihn halten im Leben, dann können wir auch in unserem Sterben wissen, dass wir nicht auf Sand gebaut haben, sondern dass das Haus unseres Lebens auf ein festes Fundament gebaut ist, im Leben und im Sterben. Das Böse kann am Ende nicht siegreich sein. Christus trägt den Sieg davon.
Der Sieg kommt von Christus, dem Lamm Gottes her, nicht von den Mächten, den vielen Waffen, Flugzeugträgern, Atomwaffen und was alles die Menschen bedroht. Der Sieg kommt von der Demut, von der Liebe Jesu Christi her - er hat die Welt überwunden. „Habt keine Angst“, sagt Jesus seinen Jüngern auch im Blick auf das Ende – auf das persönliche Ende und auf das Ziel der Menschheitsgeschichte –, „denn ich habe die Welt überwunden“. Christus alles in allem, und Gott alles in allem: Das ist unser christlicher Glaube!
(vatican news - transkript der audio-aufnahme bearbeitet und gekürzt von claudia kaminski und stefan kempis)
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