D: Gegen „Insolvenzrhetorik“ in der Kirche
„Alle haben sich angewöhnt, so zu reden, als handele es sich um eine große Idee der Vergangenheit, die nun ihrem Ende zugeht. Und dann kommt die ganze fiskalische Aufzählung: Weniger Mitglieder, weniger Priester“, sagte Schavan, die bis 2013 auch deutsche Bildungsministerin war, bei einer Online-Veranstaltung der Katholischen Akademie am Montag in Berlin. Dies wirke auf sie „ein bisschen gottlos“. Sie könne damit „gar nichts anfangen“.
Ein solches Verhalten zeige „die Nostalgie gegenüber einer Volkskirche, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist“. Aber Volkskirche sei nur eine Phase wie andere Phasen auch. Zu glauben, „dass diese Volkskirche einfach ins 21. Jahrhundert gehoben werden kann, und es dann so bleibt wie in den 60er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, ist ja ziemlich geschichtsvergessen“. Ein solches „Stehenbleiben“ oder „eine solche Definition über Quantität würden wir anderen Institutionen nicht zumuten“, so die Katholikin.
Zudem sei die Vorstellung, dass der Höhepunkt des Glaubens in den Kirchengebäuden stattfinde, konträr zur Haltung von Papst Franziskus. „Dieser Papst sagt, 'Verlasst die Kathedrale, geht an die Peripherie'“, erklärte Schavan. Wer glauben lernen wolle, sollte sich den Menschen und ihren Lebenssituationen stellen. Dann gehe es auch „in der Kathedrale“ anders zu.
Es gebe „nirgends so viel Wissen über Gott und die Welt als in der Weltkirche und ihrem Headquarter“, so Schavan weiter. Der Vatikan sei die älteste Diplomatie mit der meisten Erfahrung. Täglich besuchten den Papst Staat- und Regierungschefs sowie Religionsführer und vertrauten sich ihm an. Dadurch bekomme das Oberhaupt der katholischen Kirche einen einzigartigen „Einblick in deren Gemütslagen sowie die Verfassung von Gesellschaften“.
Schavan sprach bei der Online-Gesprächsreihe der Akademie unter dem Titel „Zwei nach zwölf. Gespräch über Gott und die Welt“ zum Thema „Weltkirche - politisch und diplomatisch“.
(kna – sk)
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