Der Aachener Bischof Helmut Dieser Der Aachener Bischof Helmut Dieser 

Bischof Dieser: Alle Bistümer sollten Missbrauch aufarbeiten

Die deutschen Bistümer sollten die Aufarbeitung von Missbrauch nach Worten des Aachener Bischofs Helmut Dieser „klug und mutig“ angehen. Die Bischofskonferenz müsse darüber nachdenken, „ob wir nicht so weit kommen, dass alle Bistümer in einem bestimmten Zeitfenster diesen Aufarbeitungsprozess grundsätzlich angehen“, sagte er der „Kölnischen Rundschau“ am Montag. Dabei äußerte sich Dieser auch zu Themen wie Sterbehilfe, Abtreibung und dem Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen.

In seinem Bistum würden die Aufträge, die sich auf dem vor rund einem Jahr veröffentlichten Gutachten ergeben hätten, derzeit konsequent abgearbeitet, sagte Dieser weiter. Das Gutachten beleuchtete auch die Frage, wie Führungskräfte mit beschuldigten Priestern umgingen. Namentlich belastet werden neben bereits gestorbenen Amtsträgern Altbischof Heinrich Mussinghoff und der frühere Generalvikar Manfred von Holtum. Sie hätten häufig eine „unverdiente Milde“ gegenüber verdächtigten und verurteilten Geistlichen walten lassen und diese oft wieder in der Seelsorge eingesetzt, so die Gutachter. Bischof Dieser hatte von den Verantwortlichen bereits „Zeichen der Reue“ verlangt. Nun fügte er hinzu, dass ein Umdenken nicht in der Weise erfolgt sei, wie er es gehofft habe. Zu den Anerkennungsleistungen an Betroffene sagte der Bischof, es sei wichtig, dass sich darum ein unabhängiges Gremium kümmere. „Dieses stützt sich auf die gültigen Schmerzensgeldtabellen, wie sie auch Gerichte anwenden.“ Für ein Bistum sei es nicht möglich, individuell aus dem Finanzhaushalt etwas dazuzugeben, wenn etwa ein Betroffener die Zahlung als zu niedrig empfinde. „Dann kommt es zu einer neuerlichen Ungleichbehandlung“, erklärte Dieser. Grundsätzlich gelte: „Dieses entstandene und unerträgliche Leid wird durch Geld nie angemessen aufzufangen sein.“

Auch müsse die Kirche lernen, „dass das bischöfliche Amt nicht vor Fehleinschätzungen und vor irrtümlichem Handeln gefeit ist“. Dies zu bekennen, sei keine Schande. „Jeder, auch ein ehemaliger Papst, wird an einen Punkt kommen, an dem er sagen muss: Ich habe heute eine andere Sicht als damals und bedaure, dass ich damals so gehandelt habe und nicht anders.“

Anderer Umgang mit homosexuellen Menschen gefragt

Der Aachener Bischof dringt auch auf einen anderen Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen. Viele Menschen fühlten sich wegen ihrer Orientierung ausgegrenzt und diskriminiert, mahnte Dieser. „Nun sagen wir: Die sexuelle Orientierung ist eine Gabe Gottes. Sie ist nicht zu hinterfragen, sondern sie muss in die Nachfolge Gottes geführt werden.“ Bislang betrachte er die Segnung homosexueller Partnerschaften als „Gewissensfrage der einzelnen Seelsorger“, erklärte der Bischof. „Ich möchte aber weiterkommen und eine Grundlage haben, auf der ich das in unserem Bistum für möglich erklären kann.“ Ein Beschluss des Reformprozesses Synodaler Weg mit Zwei-Drittel-Mehrheit könnte dies ermöglichen, auch wenn dies natürlich in Rom vorlegt werden müsse. Umgekehrt könne Rom „nicht so tun, als sei ein solcher Beschluss nichts“. Er hoffe zudem, dass die deutschen Katholiken entsprechende Beschlüsse in den weltweiten synodalen Prozess einbringen können, den Papst Franziskus ausgerufen hat.

Zu Warnungen vor Spaltungstendenzen unter den Bischöfen, wie sie unter anderem der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ausgesprochen hatte, sagte Dieser: „Das Wort wird am liebsten von denjenigen verwendet, die etwas verhindern oder aber unbedingt durchsetzen wollen und nicht bereit sind, mit der Mehrheit der Bischöfe mitzugehen.“ Und weiter: „Die Spaltung könnten wir auch bekommen, wenn wir nichts tun. Wenn nichts geschieht, sind wir endgültig weg.“

Sterbehilfe und Abtreibung

Kritik übte Dieser an Überlegungen zu Sterbehilfe und Abtreibung der Ampel-Regierung. Die Kirchen verträten „humane Werte, die niemand missen möchte“, betonte er: „Bleibt das menschliche Leben unantastbar? Oder geraten wir alle irgendwann in die Situation, in der man alte Menschen unter Druck setzt, es wäre besser, wenn sie jetzt gehen?" Im Hinblick auf gewerbliche Suizidbeihilfe könne eine solche Situation schnell entstehen. Im Hinblick auf Abtreibung gebe es "Sprachverbote" und "Stimmen, die uns weismachen wollen, das Kippen des bisherigen Rechts sei im Sinne des Humanums". Dieser: „Da will man uns ein X für ein U vormachen, und hier müssen die Kirchen prophetisch sein.“

(kna)
 

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24. Januar 2022, 11:54