D: Erzbistum stellt sich kritischen Fragen
Bei einer digitalen Podiumsdiskussion am Donnerstagabend hat das Erzbistum Paderborn unter großer Teilnahme zu diesen Fragen Rede und Antwort gestanden.
In einem Eingangsstatement kündigte Generalvikar Alfons Hardt eine rasche Überarbeitung des kirchlichen Arbeitsrechts an: „Ich gehe davon aus, dass im Juni eine grundlegend veränderte Grundordnung des kirchlichen Dienstes von den Bischöfen beschlossen wird“, berichtete er aus dem Verwaltungsrat der deutschen Diözesen.
Momentan geltende Regeln werden ausgesetzt
Über ein verändertes Arbeitsrecht hinaus forderte der Generalvikar des Paderborner Erzbischofs ein neues „wertschätzendes Grundverständnis“ für queer lebende Menschen. Auch die Ordnung für die Erteilung der Missio canonica für Religionslehrkräfte werde derzeit überarbeitet. Bis zum Beschluss einer neuen Ordnung durch die Deutsche Bischofskonferenz werden die momentan geltenden Kriterien im Erzbistum ausgesetzt.
Viola Hellmuth vom queeren Jugendtreff Ohana in Paderborn berichtete bei der Podiumsdiskussion, dass viele queere Jugendliche sich wünschen, in der Kirche willkommen zu sein – stattdessen herrsche das Gefühl vor, nicht erwünscht zu sein. „Vieles in der Kirche hat sich zu langsam und zu spät entwickelt, durch einen zu langen Stillstand ist viel Vertrauen kaputt gegangen“, sagte sie.
Maik Schmiedeler von der Initiative #OutInChurch, der katholische Religion an einer staatlichen Schule unterrichtet und selber homosexuell ist, beschrieb die derzeit noch vorhandene Problematik, „persönlichen Auslegungen des kirchlichen Arbeitsrechts ausgeliefert“ zu sein. „Es ist gut, dass die zügige Reform der Grundordnung jetzt angestoßen werden konnte“, so der Pädagoge. Auch die Personalleiterin des Erzbistums Julia Kroker bestätigte: „Eine verbindliche Grundordnung, die wir voraussichtlich ab Sommer haben werden, gibt allen Seiten Rechtssicherheit."
Auch für nicht-binäre oder Trans-Mitarbeitende erhofft sich das Erzbistum Orientierung durch die Reform der Grundordnung. „Wir müssen die Lebenswirklichkeit der Menschen ernst nehmen“, stellte Prälat Thomas Dornseifer, Leiter des Bereiches Pastorales Personal des Erzbistums, fest. Das bedeute nicht, „sich unreflektiert an den Zeitgeist anzupassen“. Aber es gelte, die „Botschaft Jesu immer wieder neu zu übersetzen“.
Räume des Willkommenseins
Erzbischof Hans-Josef Becker hat Anfang 2022 den diözesanen Arbeitskreis „Queersensible Pastoral“ eingerichtet. „Wir wollen queere Menschen im Erzbistum sichtbar machen und Räume des Willkommenseins schaffen“, erklärte Indra Wanke als neue Sprecherin des Arbeitskreises. Bereits vorhandene Angebote für queere Menschen würden gebündelt und vernetzt.
Mit dem Arbeitskreis setzt das Erzbistum eine zentrale Forderung des Zielbildes für seinen Diözesanen Weg 2030+ um, erläuterte Monsignore Michael Bredeck, Leiter des Bereiches Pastorale Dienste im Generalvikariat: Auf dem Fundament des Evangeliums will die Kirche im Erzbistum eine vielgestaltige und lebendige Glaubensgemeinschaft sein, in der Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen eine Heimat finden. „Ich bin überzeugt, dass unser Zielbild Teil der Lösung für viele der heute diskutierten Fragen ist“, sagte Bredeck.
Nadine Mersch ordnete die Diskussionspunkte als Mitglied des Synodalen Weges sowie als Vorsitzende des Diözesankomitees ein. Sicherlich gebe es nach der dritten Synodalversammlung von vergangener Woche noch viel zu tun, konstatierte Mersch: „Aber wir sollten dankbar sein für die Schritte, die jetzt erst einmal da sind und diese Schritte auch gehen.“
Konsequente Aufarbeitung
Im zweiten Teil der Diskussion machten die Podiumsteilnehmenden deutlich, dass das Erzbistum Paderborn sich konsequent dafür einsetzt, Missbrauch in jeder Hinsicht entgegen zu wirken und Präventivmaßnahmen auszubauen. Die Einrichtung einer unabhängigen diözesanen Aufarbeitungskommission sei seitens der Erzdiözese vorbereitet. „Wichtig ist, dass wir Betroffene zu Wort kommen lassen und ihnen auf Augenhöhe begegnen“, forderte der Interventionsbeauftragte Thomas Wendland.
Das Erzbistum Paderborn arbeite ebenso wie die deutsche katholische Kirche bei der Aufarbeitung mit unabhängigen Einrichtungen und staatlichen Stellen zusammen, informierte der Interventionsbeauftragte: Dazu zähle die Einbindung der unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen, des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und auch die umfänglichen Offenlegungen gegenüber den Staatsanwaltschaften. Zudem werde derzeit eine unabhängige historische Missbrauchsstudie von der Universität Paderborn erstellt. Die Aufarbeitung, die über den Untersuchungszeitraum der Studie hinausgeht, werde die unabhängige diözesane Aufarbeitungskommission übernehmen. „Wichtig ist, mit unserer Arbeit jetzt dafür zu sorgen, dass Kinder heute frühzeitig geschützt werden und dass die Kirche für Betroffene trotz aller Verletzungen vielleicht wieder eine Heimat werden kann“, fasste Thomas Wendland zusammen.
Viele Fragen wurden bei der Podiumsveranstaltung behandelt – wenn sie auch nicht abschließend geklärt werden konnten. „Die Kirche im Erzbistum Paderborn ist als lernende Glaubensgemeinschaft gemeinsam auf dem Weg, um die drängenden Fragen aufrichtig und transparent gemeinsam weiter anzugehen“, betonte Monsignore Bredeck. Ihre verlorene Glaubwürdigkeit könne die Kirche nur dann wiedergewinnen, wenn sie ihrem Auftrag gemäß konsequent den Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Der Platz der Kirche muss bei den Menschen sein, vor allem bei jenen, die leidvolle Erfahrungen gemacht haben – auch durch Missbrauch oder Diskriminierung“, so Prälat Dornseifer.
Mehrere Beteiligungsmöglichkeiten wurden bei der Podiumsdiskussion intensiv genutzt: Im Vorfeld der Veranstaltung konnten Fragen eingereicht werden, ein umfangreicher Katalog mit Antworten auf die wichtigsten Fragen wurde zur Verfügung gestellt, ebenso wie eine Hotline und ein E-Mail-Service. Nicht zuletzt tauschten sich die Gläubigen während der Veranstaltung untereinander im Chat aus. Dabei ergab sich ein gemischtes Bild: Viele begrüßten die bereits gemachten Fortschritte, aber mahnten auch ganz deutlich an: Die Kirche muss am Ball bleiben.
Domkapitel will Laien in Auswahl von Bischöfen einbeziehen
Derweil hat sich das Paderborner Metropolitankapitel unter Leitung von Dompropst Monsignore Joachim Göbel einer Empfehlung der dritten Synodalversammlung vom vergangenen Wochenende in Frankfurt zu eigen gemacht. Danach sollen die Gläubigen im Erzbistum künftig bei der Bestellung des Diözesanbischofs einbezogen werden.
Der Handlungstext der dritten Synodalversammlung „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs" wurde am Donnerstag von den Mitgliedern des Metropolitankapitels eingehend beraten, wie das Erzbistum am Freitag mitteilte. Die Beschlussempfehlung für ein Verfahren zur Bestellung des Bischofs wurde mehrheitlich begrüßt. In dem Dokument wird den Domkapiteln empfohlen: Ein neu zu schaffender Synodaler Rat der Diözese wählt ein Gremium, das so viele Mitglieder hat wie das Domkapitel und dieses bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Prozess der Bischofsstellung unterstützt.
„Das Kapitel hält die vorgeschlagenen Mindestkriterien für einen guten Weg, das Mitwirken des diözesanen Gottesvolkes möglich zu machen. Dies kann die Anerkennung und Akzeptanz eines künftigen Bischofs erhöhen“, sagt Dompropst Göbel. Noch im Sommer solle eine Arbeitsgruppe die mögliche konkrete Umsetzung beraten und einen Vorschlag für eine Regelung erstellen. Dabei seien auch die Gläubigen im Erzbistum zu beteiligen.
„Vor allem wird zu klären sein, wie das Auswahlverfahren für die Mitglieder des hinzukommenden Gremiums gestaltet sein kann, solange es in der Diözese noch keinen Synodalen Rat gibt“, ergänzt Dompropst Göbel.
(erzbistum paderborn – sk)
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