D: „Bei synodalen Prozessen auch an Ökumene denken“
Der Prozess gemeinsamer – synodaler – Beratung über den weiteren Weg der katholischen Kirche müsse neben innerkatholischen Fragen, auch die Erfahrungen der anderen christlichen Kirchen berücksichtigen, so die Leitung des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn.
„Auf die synodale Praxis der anderen Kirchen zu schauen, kann für die weitere Entwicklung der Synodalität in der katholischen Kirche nur von Vorteil sein“, so der Leitende Direktor des Instituts, Wolfgang Thönissen. „Ein ökumenischer ‚Austausch der Gaben‘ wird nicht nur zu einer gegenseitigen Bereicherung, sondern auch zu einem vertieften Miteinander führen“, glaubt der Theologe.
Von den Erfahrungen anderer christlicher Kirchen lernen
Schon Ende Oktober 2021 haben sich Kardinal Kurt Koch als Präsident des Päpstlichen Einheitsrates und Kardinal Mario Grech als Generalsekretär der Welt-Bischofssynode in einem gemeinsamen Brief an die Vorsitzenden der Ökumene-Kommissionen der verschiedenen Bischofskonferenzen in der Weltkirche gewandt. „Die beiden Kardinäle haben darum gebeten, die ökumenische Dimension des synodalen Weges bereits in der ersten Phase auf Ebene der Ortskirchen in den Blick zu nehmen“, ruft Thönissen ins Gedächtnis.
Es gehe darum, von den Erfahrungen der anderen christlichen Kirchen mit Synodalität zu lernen. Diese Erfahrungen seien ein Impuls für das Gespräch und das Miteinander innerhalb der katholischen Kirche, aber auch für das gemeinsame – ökumenische – Glaubenszeugnis als Christen. „Wir können uns gegenseitig anregen und unterstützen“, ist sich der Theologe sicher.
„Heilige Synode“ in der Orthodoxie
Direktor Johannes Oeldemann beschreibt, dass in den orthodoxen Kirchen die Leitung der jeweiligen Kirche nicht in den Händen des entsprechenden orthodoxen Patriarchen als Einzelperson liege, sondern von einem kollegialen Organ, der Heiligen Synode, wahrgenommen werde. „Dies ist ein deutlicher Unterschied zur katholischen Kirche, in der die Kirchenleitung in der Hand des Bischofs beziehungsweise des Papstes liegt“, so Oeldemann, der am Möhler-Institut für den Dialog mit der Orthodoxie zuständig ist.
Durch die fest verankerte Synodalität seien in den orthodoxen Kirchen Mitbestimmung und Mitgestaltung seitens der Gläubigen gesichert. „In einigen orthodoxen Kirchen haben Laien sogar Sitz und Stimme in synodalen Gremien oder sind an der Wahl der Bischöfe beteiligt“, unterstreicht Oeldemann. „Die Orthodoxie macht mit der Synodalität, mit dem institutionalisierten Miteinander gute Erfahrungen.“
Evangelische Landeskirchen: Presbyterial-synodale Ordnung
Auch in den evangelischen Landeskirchen sei Synodalität das zentrale Kriterium der Kirchenordnung, unterstreicht Monsignore Michael Hardt. Als langjähriger Ökumene-Referent des Erzbistums Paderborn hat der katholische Priester und Theologe bereits an zahlreichen Synoden der Evangelischen Kirche als ökumenischer Gast teilgenommen. „Die für evangelische Landeskirchen typische presbyterial-synodale Ordnung legt fest, dass die Leitung etwa der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) auf Gemeinde-Ebene bei den gewählten Presbyterien und auf der kreis- und landeskirchlichen Ebene bei den Synoden liegt. In allen Leitungsorganen wirken ordinierte Pfarrer und Pfarrerinnen sowie Presbyter und Presbyterinnen gleichberechtigt zusammen.“
Die Gemeinden seien jeweils die Basis, so dass sich die EKvW von den Gemeinden her aufbaue. „Das synodale Miteinander von Ordinierten und Presbytern – katholisch würde man sagen: von Geweihten und Laien – könnte für die katholische Kirche ein deutlicher Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung in der Gestaltung von Kirche und Gemeinde werden. Die Frage nach dem ‚Amt‘ ist natürlich weiter zu stellen und zu klären.“
„Allgemeines Priestertum“ der christlichen Freikirchen
Die synodale Praxis präge auch die evangelischen Freikirchen, unterstreicht Burkhard Neumann. Der Priester des Erzbistums Paderborn vertritt die katholische Kirche in verschiedenen Gremien der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). „Bei allen Unterschieden im Einzelnen ist für die verschiedenen evangelischen Freikirchen der Gedanke vom ‚allgemeinen‘ oder – wie es katholisch heißt – ‚gemeinsamen Priestertum‘ aller Glaubenden grundlegend. Darum tragen in den Freikirchen alle gemeinsam Verantwortung für ihre Gemeinde und für ihre Kirche oder ihren Gemeindebund“, erklärt Neumann.
Das berühre auch die Verkündigung des Glaubens. Hier sei eine große Mitverantwortung fundamental. „Von den evangelischen Freikirchen können wir den dialogischen Umgang und das gemeinsame Ringen um den Glauben lernen. Das setzt natürlich gegenseitigen Respekt und das Ernstnehmen des anderen voraus.“
Synodale Wege: Hintergrund
Die deutschen Bischöfe haben im Jahr 2019 beschlossen, sich gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auf den „Synodalen Weg“ zu machen. Gemeinsam mit allen Gläubigen wollen die Bischöfe Reformen anstoßen. Ziel ist es, einen Aufbruch im Licht des Evangeliums zu wagen und Antworten auf drängende Fragen der Kirche zu finden. Der Dialogprozess des „Synodalen Weges“ ist Antwort auf die Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche, die durch die Ergebnisse der 2018 veröffentlichten Studie zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger in der Kirche (MHG-Studie) besonders ins öffentliche Bewusstsein rückte. 230 Delegierte sind Mitglieder der Synodalversammlung, des Beschlussgremiums des Synodalen Weges. Die Themen Macht, priesterliche Existenz und Sexualmoral wurden in der MHG-Studie als begünstigende Faktoren für Missbrauch benannt. Als viertes Thema kam darüber hinaus der Bereich Frauen in Ämtern der Kirche hinzu. Diese vier Themen werden in Synodalforen bearbeitet.
Papst Franziskus eröffnete im Oktober 2021 einen zweijährigen, weltweiten „Synodalen Prozess“ unter dem Leitwort „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“. Synodale Prozesse sind auf den unterschiedlichen Ebenen der Weltkirche geplant und münden in eine Bischofssynode in Rom im Jahr 2023. Zum weltweiten Synodalprozess sind alle Gläubigen eingeladen. In mehreren Stufen – von den Kirchengemeinden mit ihren Gremien über die Diözesen, die Bischofskonferenzen und die Kontinente bis zur Bischofssynode selbst – sollen Gläubige und Bischöfe beraten, was für die Kirche der Zukunft wichtig ist. Auch auf weltweiter Ebene sind ökumenische Symposien in Rom geplant, an deren Vorbereitung Vertreter des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik beteiligt sind. Der Papst wünscht sich ein offenes Gespräch darüber, wie die Kirche aktuell wahrgenommen wird, welche Erfahrungen die Gläubigen mit ihr machen und welche Erwartungen und Hoffnungen sie haben.
(erzbistum paderborn – sk)
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