Erzbischof Georg Gänswein Erzbischof Georg Gänswein 

Gänswein verteidigt Benedikt XVI. erneut gegen Vorwürfe

Der Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, hat den früheren Papst erneut gegen den Vorwurf der Vertuschung von Missbrauchsfällen verteidigt. Hintergrund ist das Münchner MIssbrauchsgutachten, das im Januar veröffentlicht wurde. Gänswein äußerte sich nun ein weiteres Mal dazu - diesmal im Interview mit der „Zeit".

In der vorab online zugänglichen Donnerstagsausgabe des Magazins sagt Erzbischof Georg Gänswein mit Blick auf die Münchner Missbrauchsstudie: .„Benedikt, der sich keiner persönlichen Schuld bewusst war und ist, hat in seiner Stellungnahme alles gesagt, was er zu sagen hatte. Was in seine Aussagen hineininterpretiert wurde, war ein Schock für ihn." 

Der Privatsekretär des emeritierten Papstes wirft zugleich der Kanzlei, Westpfahl Spilker Wastl, die das Gutachten erstellte, unsauberes Arbeiten vor: „Viele Fragen waren unsauber und geradezu suggestiv formuliert. Nicht immer wurde zwischen Vermutung, Behauptung und Tatsachen unterschieden. Kurz: mehr Unterstellung als erkenntnisoffene Fragestellung", so der Erzbischof wörtlich im Zeit-Interview.

Laut Gänswein mussten  „8000 Seiten Archiv-Dokumente digital bewältigt werden", um die Fragen der Kanzlei zu beantworten. Er habe dem emeritierten Papst geraten,  „für diese Mammutaufgabe Hilfe von Experten in Anspruch zu nehmen"; Benedikt habe dem zugestimmt. Außerdem habe er persönlich den emeritierten Papst natürlich auch bei der Arbeit unterstützt, berichtet Gänswein. Er erinnert daran, dass der emeritierte Papst bald 95 wird - „Computer, Laptop und dergleichen sind ihm als Arbeitsmittel fremd." Zugleich verwehrt sich der Privatsekretär gegen Aussagen, er sei quasi der "Ghostwriter" Benedikts: „Die Behauptung, Benedikt schreibe nicht mehr selber, das mache alles der Gänswein, wäre vielleicht für mich ein Kompliment – aber es ist völliger Unsinn."

„Die Behauptung, Benedikt schreibe nicht mehr selber, das mache alles der Gänswein, wäre vielleicht für mich ein Kompliment – aber es ist völliger Unsinn“

Was die im Gutachten erhobenen Vertuschungs-Vorwürfe gegen Benedikt XVI. angeht, der vor seiner Zeit als Papst von 1977 bis 1982 das Erzbistum München und Freising leitete, so weist Gänswein diese erneut zurück. Er erinnert in diesem Zusammenhang auch an den vom Vatikan veröffentlichten Faktenchek: „Diese Vorwürfe wurden im Faktencheck der Berater begründet zurückgewiesen. Nicht einer der Vorwürfe hielt der sorgfältigen Prüfung des Aktenmaterials stand. Sie werden auch durch Wiederholung nicht wahrer."

„Nicht einer der Vorwürfe hielt der sorgfältigen Prüfung des Aktenmaterials stand. Sie werden auch durch Wiederholung nicht wahrer“

Benedikt bereut Fehler

Der Privatsekretär des emeritierten Papste erinnert auch daran, dass Benedikt nach dem Erscheinen des Münchner Gutachtens einen Brief geschrieben hat, in dem er Fehler während seiner Amtszeiten bereute und Missbrauchsopfer um Entschuldigung bat. Gänswein dazu: „In seinem offenen Brief vom 8. Februar spricht er (Benedikt, Anm.d.Red.) klar und deutlich davon, dass er für begangene Fehler in den verschiedenen Ämtern, die er innehatte, Verantwortung übernimmt – ohne Wenn und Aber. Er bereut sie. Sie tun ihm leid."

Vor allem bei Betroffenen sexueller Gewalt war der Brief auch mit Enttäuschung aufgenommen worden. Gänswein erklärt, er bedauere dies sehr und bekäftigt: „Benedikt gibt offen zu, dass er Fehler gemacht hat, und bittet um Entschuldigung. Ich weiß, dass seine Worte aus dem Herzen kamen. Und er weiß sich dafür vor dem endgültigen, höchsten Richter verantwortlich. In vielen persönlichen Begegnungen hat er sich den Opfern sexuellen Missbrauchs gestellt."

Aufarbeitung kann nicht ein Papst alleine schaffen

Bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche gibt es nach den Worten von Erzbischof Georg Gänswein noch Luft nach oben. „Weder die Kirche noch die Gesellschaft werden bei der Aufarbeitung des Missbrauchs auch nur einen Schritt weiterkommen, wenn weiterhin die Verantwortung auf die 'anderen' abgeschoben wird", so der Privatsekretär von Benedikt XVI. im Zeit-Interview. „Der einzig wirksame Schutz besteht darin, dass wir alle sensibel werden für frühe Anzeichen von Missbrauch. Hier hat die Kirche versagt, auf allen Ebenen. Das müssen wir ändern!"

„Sensibel werden für frühe Anzeichen von Missbrauch. Hier hat die Kirche versagt, auf allen Ebenen. Das müssen wir ändern!“

Zu lange habe der Blick auf dem Täter- anstatt dem Opferschutz gelegen. Was den emeritierten Papst anbelange, so habe dieser nicht zuletzt in seinem vorhergehenden Amt als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation viel im Kampf gegen Missbrauch in die Wege geleitet, obwohl er auf große Widerstände gestoßen sei. „Sein entschiedenes Handeln hat die Aufklärung in der katholischen Kirche in einer Art und Weise vorwärtsgebracht, die bleibende Maßstäbe setzt", so Gänswein wörtlich. „Aber Aufklärung braucht Zeit, innerhalb wie außerhalb der Kirche. Das Ausmaß des Missbrauch-Sumpfs wird mit jeder Studie klarer. Es braucht mehr als einen Menschen, und sei er Papst, um diesen Sumpf trockenzulegen."

„Es braucht mehr als einen Menschen, und sei er Papst, um diesen Sumpf trockenzulegen“

Zum Thema Papst bekräftigt Erzbischof Georg Gänswein in dem aktuellen Interview übrigens auch noch einmal: „Es gibt nur einen Papst, und der heißt Franziskus; und es gibt nur ein päpstliches Lehramt, und das wird von Franziskus ausgeübt."

(zeit/kna-sst)

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16. März 2022, 15:25