Schweiz: Dekan fordert Hilarion auf, sich gegen Putin zu stellen
„Wir erwarten, dass er Präsident Putin öffentlich und unmissverständlich auffordert, die russischen Truppen unverzüglich zurückzuziehen“, sagte Professor Delgado im Gespräch mit kath.ch. Möglicherweise sei Hilarions Einfluss in der jetzigen Situation gering, weil Putin sich gegen Kritik immunisiert habe, gesteht Delgado ein. „Doch auch wenn er keinen großen Einfluss hat, sollte er öffentlich vermitteln, dass er alles tut, was er kann, um diesen Krieg zu stoppen“, fügte der Dekan an. Schließlich habe der Metropolit in der russisch-orthodoxen Kirche eine hohe Position „und durchaus auch Einfluss“ auf die Gesellschaft. „Und er war bisher auch nicht verlegen, sich über alles Mögliche öffentlich zu äußern, etwa über die westliche Kultur und Werte, die Ökumene oder die moderne Gesellschaft“, so Delgado.
Er blicke „mit größter Sorge“ auf den Krieg in der Ukraine. Das, was sich dort derzeit abspiele, sei „eine humanitäre Katastrophe“. Gleichzeitig werde dieser Krieg auch Auswirkungen auf die Ökumene haben. Delgado wörtlich: „Es zeigt sich schon jetzt, dass sich die Kluft vertieft hat. So positionierte sich etwa das Kirchenoberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine, Metropolit Onufrij, klar gegen den Krieg und benannte Putin als Aggressor. Kyrill I., Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche in Russland, bezeichnete hingegen die Gegner Russlands als ,Kräfte des Bösen´. Gerade dieser eklatante Widerspruch ein und derselben Kirche in diesem Konflikt ist erstaunlich. Es ist zu befürchten, dass es eine dauerhafte Spaltung zwischen den russisch-orthodoxen Kirchen geben wird.“
Besorgte Studenten
Insbesondere die ukrainischen Studierenden an der Uni Fribourg seien sehr besorgt über die Lage in ihrer Heimat. Aber der Krieg habe an der Fakultät auf der menschlichen und forschenden Ebene „zum Glück“ bisher keine negativen Auswirkungen.
Die orthodoxe Kirche in Russland stehe dem Staat sehr nahe. Auch jetzt im Ukrainekonflikt sehe man das deutlich, erläuterte Delgado weiter: „Putin wird für sein Vorgehen kaum kritisiert. Diese Staatsnähe, kirchenhistorisch auch ,Symphonie´ genannt, passte vielleicht zum ,Ancien Régime´. In der modernen Welt kann sie aber zu einer großen strategischen Schwäche der Kirche werden, weil sie ihre prophetische Rolle einschränkt.“
Die Kirche sei aber eine große moralische Autorität. „Wenn die russisch-orthodoxe Kirche in der Tradition des prophetischen Auftretens sich deutlich gegen die Gewalt positioniert, – noch dazu, wenn es sich um einen Krieg zwischen ,Brüdern´ mit einem deutlichen Aggressor handelt – kann sie die Zivilgesellschaft in Russland prägen und mobilisieren“, sagte Delgado. Es sei ganz klar: „Die russisch-orthodoxe Kirche in Russland muss sich stärker gegen den Krieg aussprechen und Putins Taten verurteilen.“
Delgado präzisierte, dass Metropolit Hilarion, der seit 2011 Titularprofessor in Fribourg ist, in den letzten Jahren, auch schon vor der Pandemie, keine Lehraufträge mehr innehatte. Von daher sei die Titularprofessur derzeit nicht aktiv. „Ob wir weitere Schritte einleiten, wenn er sich nicht von Putin distanziert, müssen wir dann prüfen“, gesteht er. Mariano Delgado ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Freiburg, Direktor des Instituts für das Studium der Religionen und den interreligiösen Dialog sowie Dekan der Theologischen Fakultät.
(kath.ch – mg)
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