Suche

Bruder Andreas Murk OFMConv im Interview mit Stefanie Stahlhofen (Radio Vaticana/Vatican News) Bruder Andreas Murk OFMConv im Interview mit Stefanie Stahlhofen (Radio Vaticana/Vatican News)  

800 Jahre Franziskaner in Deutschland: Es gab auch Tiefpunkte

Papst Franziskus hat erst jüngst Ordensgemeinschaften für ihre kulturelle Bedeutung gewürdigt. Der Franziskanerorden ist in Deutschland schon seit mehr als 800 Jahren präsent. Im Interview mit Radio Vatikan schaut Bruder Andreas Murk von den Franziskaner-Minoriten auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Schon seit dem Jahr 1221 leben und wirken Ordensmänner in der Nachfolge des Heiligen Franz von Assisi in Würzburg - 2021 feierten sie ihr 800-Jahr Jubiläum. Bruder Andreas Murk aus Würzburg ist Provinzialminister der Deutschen Provinz der Franziskaner-Minoriten und war mit einem Jahr „Corona-Verspätung" nun Gast in Rom, wo er am Sitz der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl einen Vortrag hielt. Im Interview mit Radio Vatikan zeigt sich Bruder Andreas trotz wenig aktuellen Ordensnachwuchses und einiger Herausforderungen optimistisch:

Hier im Audio: Interview mit Bruder Andreas Murk von den Franziskaner-Minoriten

„Sicherlich verändert sich was und wird auch unser Orden sich wandeln, aber ich bin da schon zuversichtlich, dass es weitergeht“

Bruder Andreas Murk OFMConv, Provinzialminister der Deutschen Provinz der Franziskaner-Minoriten: „Im Blick auf die Geschichte würde ich sagen, wir standen schon mal deutlich schlechter da. Ich komme aus Franken und da ist es schon mal eine ganz positive Aussage, wenn man sagen kann, es ging schon mal alles viel schlechter. Von daher denke ich, dass wir bei allen Schwierigkeiten insgesamt dankbar zurückschauen können auf diese 800 Jahre - und mit den 800 Jahren im Rücken auch ohne Angst nach vorne schauen können. In der 800-jährigen Geschichte gab es sicherlich viele Tiefpunkte, wo einfach etwas schief ging im Orden. Ich denke aktuell an die Missbrauchs-Geschichte...

Für mich waren in der Beschäftigung mit dem Jubiläum zwei Tiefpunkte wichtig, die wir im Kloster in Würzburg hatten. Da gab es zwei Phasen, wo wirklich nur noch zwei Brüder im Kloster gelebt haben, wo also eigentlich das Aussterben absehbar war und wo wir dann sagen können, durch Glück oder göttliche Fügung oder geschickte Personalpolitik des Ordens ist dann da noch einmal wirklich was aufgeblüht, wo man eigentlich für ein Kloster keinen Pfifferling mehr gegeben hätte. Sicherlich verändert sich etwas und wird auch unser Orden sich wandeln, aber ich bin schon zuversichtlich, dass es weitergeht."

Br. Andreas Murk OFMConv in der Residenz der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl (copyright:  Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl)
Br. Andreas Murk OFMConv in der Residenz der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl (copyright: Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl)

Missbrauchsfälle gehören zu Tiefpunkten der Geschichte des Ordens

Radio Vatikan*: Die Missbrauchsfälle sind ein Thema, das Deutschland und die katholische Kirche immer noch weiter beschäftigt. Wie gehen die Franziskaner damit um?

„Wir versuchen alles dafür zu tun, dass das was geschehen ist, heute nicht mehr passiert und auch morgen nicht mehr passiert“

Bruder Andreas: „Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir innerhalb der Gemeinschaft zulassen, dass diese Verbrechen zu unserer Geschichte gehören und dass wir aus den Verbrechen im Augenblick und für die Zukunft eine Verantwortung haben, die auch nicht irgendwann in fünf oder in zehn Jahren vorbei ist. Wir rufen Betroffene auf, sich zu melden, damit wir das, was geschehen ist, aufarbeiten können. Wir beteiligen uns an dem Verfahren in Deutschland mit den Anerkennungsleistungen, mit der Übernahme von Therapiekosten. Wir haben Präventions-Konzepte. Also wir versuchen alles dafür zu tun, dass das was geschehen ist, heute nicht mehr passiert und auch morgen nicht mehr passiert."

Synodaler Weg: Keine gemeinsame Position der Franziskaner

Radio Vatikan: Die Missbrauchsfälle waren auch einer der Auslöser und sind eines der großen Themen beim Synodalen Weg in Deutschland. Inwiefern sind Sie am Synodalen Weg als Orden auch beteiligt? Und wie sehen Sie den Synodalen Weg in Deutschland?

Bruder Andreas: „Am Synodalen Weg sind ja einige Ordensleute beteiligt, die quasi als Einzelpersonen an diesen Gesprächen teilnehmen. Unsere Brüder in der Provinz im Orden nehmen von außen den Synodalen Weg wahr, bewerten den auch ganz unterschiedlich. Ich glaube, es gibt da keine gemeinsame Position, also lauter Fans oder lauter Gegner. Das ist, glaube ich, zu einfach. Ich persönlich glaube, das ist ein wichtiger Weg, der sich mit Themen beschäftigt, die bei den Gläubigen einfach da sind. Und ich glaube, es ist immer besser, sich mit Themen zu beschäftigen, auch wenn sie vielleicht unbequem sind oder wenn man Angst hat, da werden Erwartungen geschürt und was weiß ich was alles. Ich glaube, es ist besser, sich damit zu beschäftigen, als das einfach auszublenden; Augen zu und durch. Die Themen sind da und ich glaube, man muss sie auch anpacken."

„Ich glaube, es ist besser, sich damit zu beschäftigen, als das einfach auszublenden; Augen zu und durch. Die Themen sind da und ich glaube, man muss sie auch anpacken“

Weltsynode über Synodalität: Manche Leute schalten ab

Radio Vatikan: Der Synodale Weg in Deutschland ist das eine. Es gibt auch die große Welt-Bischofssynode zur Synodalität in Rom, im Vatikan, an der sich ja auch alle beteiligen sollen und zu der die Vorbereitungen schon laufen. Wie sieht es da im Orden aus?

Bruder Andreas: „Da ist, glaube ich, die Resonanz sehr verhalten. Ich glaube, dass wir uns als Kirche, als Orden, als Pfarrei - in welcher Struktur auch immer - manchmal zu viel mit so Themen beschäftigen und Papiere schreiben und diskutieren und Konferenzen abhalten - so viel, dass manche Leute dann einfach irgendwann abschalten. Ich glaube uns als Franziskaner zeichnet da auch aus, dass wir eine starke Präferenz haben für den ganz konkreten Alltag, für das, was einfach da ist. Und auch dann in diesem Alltag manchmal kreative Lösungen finden, die es auf dem Papier und im Konsens vielleicht noch gar nicht so gibt."

*Die Fragen stellte Stefanie Stahlhofen

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

05. Mai 2022, 10:14